»Ich bin der bestellte Liquidator«, sagt Jürgen Bühl. So heißt das auf Amtsdeutsch. Klingt fast wie früher zu Zeiten der Hinrichtung. Aber keine Angst, es geht hier niemandem ans Leben, der Mann ist noch Geschäftsführer der Münchner Olympia-Bewerbungsgesellschaft.
Und »diese ist ab 1. September in Liquidation.« Denn der Traum von den Olympischen Winterspielen 2018 in München ist geplatzt. Welche Gefühle hat ein Mann, der seit November 2008 aktiv war und in München, Bayern und ganz Deutschland rund 300 Mal das Bewerbungskonzept öffentlich präsentierte und viele Simulationen vom Olympiapark mit all den geplanten Sportstätten samt dem Olympischen Dorf zeigte? »Es war ein ziemlicher Schlag in die Magengrube«, beschreibt Bühl seine Gefühle direkt nach der Entscheidung am 6. Juli im südafrikanischen Durban, wo er mit dem Team 2018 präsent war. Trotzdem habe er schnell die vielen Mitarbeiter angerufen, die in München geblieben waren, sie aufgemuntert und ihnen für ihre großartige Arbeit gedankt. Vier Wochen ist das nun her, inzwischen hat Bühl diesen Tiefschlag schon »weitgehend verdaut. Schade darum, aber es geht weiter.« Denn es gebe viel zu tun. »Jetzt geht es darum, die Olympia-Bewerbungsgesellschaft vernünftig abzuwickeln.« Koffer packen sei angesagt.
Olympische Winterspiele 2018
Olympische Winterspiele 2018 Themenseite zur Bewerberstadt München für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018: Die Entscheidung fiel am 6. Juli 2011 auf Südkorea. Die Olympischen Winterspiele 2018 finden in Pyeongchang, von 9. bis 25. Februar 2018, statt.
Der Auszug der Mitarbeiter aus den Räumen des Münchner Technologiezentrums hinter der Stadtwerke-Zentrale an der Dachauer Straße in Moosach hat längst begonnen. Eins der drei Module ist bereits aufgegeben, das zweite wird bis Ende August geräumt, das dritte und letzte schließlich bis Ende des Jahres. »In der Hochphase haben hier 70 Leute gearbeitet«, weiß Bühl zu berichten. Das sei das ganze Jahr 2010 über sowie bis Mai 2011 gewesen. 32 Mitarbeiter waren festangestellt. Einige sind schon in neuen Jobs, einige suchen noch, andere haben einen in Aussicht. Fast überall stehen Umzugskartons. So schnell geht das. Aber Räume und Personal kosten schließlich weiter Geld. Das große Team ist zu einer Rumpfmannschaft zusammengeschmolzen, an der Spitze ist Jürgen Bühl.
Sein Büro schaut noch aus wie vor dem 6. Juli. Ganz oben auf der Pinwand hängt ein Plakat »München 2018. Die freundlichen Spiele« steht darauf. Sein Schreibtisch war das Machtzentrum: »Alles, was in die Bewerbungsunterlagen eingeflossen ist, lief über meinen Schreibtisch.« Von oben herab baumeln jede Menge Akkreditierungsausweise und zwei Lebkuchenherzen vom Wiesn-Besuch 2010 mit den Mitarbeitern: »Team 2018«, hat Bühl in Zuckerschrift für seine Leute draufschreiben lassen und die Herzen im Übrigen aus der eigenen Tasche bezahlt.
Jetzt redet er über Geld. 33 Millionen Euro beträgt der Etat der Olympia-Bewerbungsgesellschaft. Man werde die Summe wohl ausschöpfen, »wir kommen nah dran«, schätzt der Gesellschafter aktuell. Denn es gingen noch viele Rechnungen ein, auch die von der Bewerbung in Durban. Dass es gelungen sei, 80 Prozent des Etats, sprich 26,3 Millionen Euro, durch Sponsoring aufzubringen, wertet Bühl als Erfolg: »Fakt ist, dass es noch nie eine Bewerbung um Olympische Spiele außerhalb der USA gab, die so viele private Mittel akquiriert hat.« Die Gesellschafter hatten während der Bewerbungsphase gefordert, dass keine Steuergelder in die Bewerbung fließen sollen. Das ist nicht gelungen: 6,7 Millionen Euro klaffen im Etat und »müssen von den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Hand getragen werden«, umschreibt Bühl die Finanzierungslücke. Das heißt: 4,1 Millionen Euro muss München zahlen, den Rest Garmisch-Partenkirchen, der Landkreis Berchtesgaden und der Freistaat Bayern. Doch Bühl hält dagegen und verweist darauf, dass die Landeshauptstadt von der Bewerbung immens profitiert habe. »Die Stadt München hatte für diese 4,1 Millionen Euro zwei Jahre lang eine weltweite Werbekampagne, die ein Vielfaches wert ist.«
Ob München sich für die Olympischen Spiele 2022 wieder bewerben wird, steht in den Sternen. »Es war eine spannende Aufgabe und es wäre wieder eine spannende Aufgabe«, sagt Bühl. Die Frage, ob er in einer neuen Olympia-Bewerbungsgesellschaft mitmachen würde, lässt er offen: »Das weiß ich nicht.« Erst einmal ist er bis Ende 2011 mit der Restverwaltung beschäftigt. Offiziell dauert die Liquidation bis 30. Oktober 2012. Die Gesellschaft muss außerdem bis 30. September 2012 eine Schlussbilanz vorlegen.
Und was macht der Olympia-Macher künftig selber? Vielleicht findet er ja wieder eine andere spannende Aufgabe. Oder er kehrt in die Stadtverwaltung zurück. Zuletzt war er im Direktorium tätig und wurde von der Stadt für die Olympia-Bewerbungsgesellschaft beurlaubt. Wally Schmidt