Monika Ortner-Bach hatte wohl schon immer gute Sicht aufs »Städtische Stadion an der Grünwalder Straße«.
Jubiläums-Serie: 100 Jahre »Sechzger-Stadion«
100 Jahre »Sechzger-Stadion« Themenseite: Das Grünwalder Stadion von Löwenfans »Grünwalder« oder »Sechzger« genannt wird 100 Jahre alt
Schließlich ist sie die Tochter jenes Architekten und Berliner Bauhausschülers Rudolf Ortner, der neben vielen anderen Großprojekten vom Siemens-Sportpark bis zur Sport- und Schwimmhalle in Grünwald den großen Ausbau der Traditionsstätte vor 50 Jahren planerisch lenkte. »Mit meinem Pippi-Langstrumpf-Buch saß ich oft unter den Planskizzen meines Vaters, der in den Anfangszeiten sein Architekturbüro noch in der heimischen Haidhausener Wohnung betrieben hatte da war es oft ganz schön eng, fast hätte unser Klavier keinen Platz mehr gehabt.«
Eine Anekdote, welche Ortner-Bach bei der Eröffnung der Ausstellung »100 Jahre Sechzger-Stadion« am vergangenen Freitag im Kulturzentrum am Giesinger Bahnhof lachend unter die Werkschau-Gäste streute. Eng war es auch im Kulturbahnhof: Über 100 geladene Gäste ließen sich inspirieren vom Geist der Kultstätte. Die Ausstellung wurde innerhalb eines Jahres von ihr zusammen mit Roman Beer, Architekt und Vorsitzender des Vereins der Freunde des Sechzger-Stadions ebenso wie mit Autor des Buches »Kultstätte an der Grünwalder Straße«, konzipiert und arrangiert.
Umfangreiche Pläne und Skizzen vermitteln architektonische und bauhistorisch fundierte Einblicke und Fotos untermalen Stadiongeschichte über mehrere Jahrzehnte optisch. Doch die Ausstellung bietet noch mehr: Alte Zeitungsausschnitte, Spielplakate, ein Modell aktueller Umbaupläne und eine manuelle Anzeigentafel wecken Zeitgeist und Zeitgeister und lassen den Betrachter an den wechselnden Befindlichkeiten aus 100 Jahren Stadiongeschichte schnuppern. Abgerundet wird die wohlsortierte Vielfalt durch Gemälde und weitere künstlerische Arbeiten des später auch freischaffenden Malers und Fotografen Rudolf Ortner. Bis 8. September ist die Ausstellung jeweils dienstags und donnerstags zwischen 17 und 20 Uhr, an Freitagen von 14 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 15 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
Geschichte einsaugen ist das Motto rund um eine Diva, die mit 100 zwar in die Jahre gekommen
ist aber nach umfangreichen »Liftings« in den 20er-, 30er- und 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts noch immer reichlich Charme und Esprit verströmt. »Es ist halt eine vitale Entwicklung über 100 Jahre hinweg das wird es in der Allianz-Arena niemals geben!« Roman Beer mochte sich den kleinen Seitenhieb auf die große, bauhistorisch wie sportwelt-anschaulich so ferne Arena zu Fröttmaning nicht ersparen. »Eine schlafende Großkatze an spielfreien Tagen friedlich wie sonst wenig in Deutschland!« Der Journalist Michael Sailer, der in der Nähe der Warngauer Straße aufgewachsen ist, fokussierte launig-bissig-ironisch auf dem Zeitgeist moderner Architekturergüsse eine genussvolle Eröffnungsrede zum »Sechzger-Stadion« mit seiner ganz persönlichen Sicht.
»Deutschlands schönste Vereinssportanlage, Identifikationszentrum für die Giesinger inmitten zunehmender städtebaulicher Hässlichkeit« Sailer nahm kein Blatt vor den Mund, sah die alte Arena auch als »Identitätsstifter« und wohl auch als Trutzburg inmitten der widerstreitenden Interessen des »Milliardengeschäfts Fußball«. »Wespennester oder Tätowierungen wie das Sechzger-Stadion« würden entfernt »Blechhallen« verkörperten dagegen den »Zirkusfußball« moderner Prägung. Als ein »Bollwerk gegen den wirtschaftsfaschistischen Ameisenhaufen drumherum« sieht Sailer das altehrwürdige Gemäuer auf Giesings Höhen. Bittere Worte aber angereichert auch durch reichlich Nostalgie bei der Rückschau auf herrliche Siege und dramatische Niederlagen an der Grünwalder Straße.
Aus- und Umbau des Sechzger-Stadion
Es war nicht zuletzt der massengesellschaftlich ausgerichtete Fußballboom, der in den Jahren 1958 bis 1961 einen Ausbau der Löwenarena notwendig erscheinen ließ. Eine Flutlichtanlage mit vier Masten trug dem Zeitgeist ebenso Rechnung wie der Aus- und Umbau der Kurven. Mehr Menschen sollten künftig näher am Kicker-Geschehen sein, so das Credo. Doch Monika Ortner-Bach mitsamt ihrem Pippi-Langstrumpf-Buch hatte wohl auf viele Stadionteile unter dem Tisch des Vaters einen besseren Blick als später so mancher Fan in der Ostkurve. Deren Neubau durfte aus Rücksicht auf Anwohnerinteressen nur 2,20 Meter hoch ausgestaltet werden.
Ein Curiosum der eigenwilligen Giesinger Stadiongeschichte entwickelte sich daraus in der Folge weil jede Stufe wegen der mangelnden Höhenentwicklung für zwei hintereinander stehende Fans ausgerichtet war. Der hintere Fußballfreund sah oft nichts, wenn der vor ihm stehende schlicht größer war. Dafür sahen jene Anwohner oft sehr viel mehr die gut ausgepolsterten Fensterbänke in den Wohnhäusern auf der anderen Seite der Grünwalder Straße wurden zu begehrten »Location« in den heißen Derbyzeiten der Sechziger Jahre. Auch in der Löwen-Kurve im Westen muss der Fan genau hinsehen, will er die Zeichen der Architektursprache herauslesen. Nah am Stadion kann er vorbeiflanieren und ehrfürchtig nach oben blicken.