Kinder an die Macht das forderte in den 1980er-Jahren auch Sänger Herbert Grönemeyer in einem Song. Keine Frage, diese Welt sähe anders aus, würde man Kinder mehr mitmischen lassen. Das zeigte sich auch beim diesjährigen Münchner Schulwettbewerb zur Stadtentwicklung.
Leben am Ackermannbogen
Schwabing · Ackermannbogen: Ein Stadtviertel entwickelt sich Themenseite zum Leben im Stadtviertel Ackermannbogen
Für besonders gelungene Beispiele, in denen sich Kinder und Jugendliche mit städtebaulichen Themen auseinandersetzen, gab es auch in diesem Jahr wieder Preise, die zum Schuljahresende, im Juli, verliehen wurden. Der zweite Preis ging dabei nach Schwabing, an »Bautraum am Bauzaun«. Ein Projekt, bei dem Kinder aufmalten, was aus ihrer Sicht hinter dem Bauzaun zum vierten Bauabschnitt im Ackermannbogen entstehen sollte. »Wir freuen uns sehr darüber«, sagt eine der Initiatorinnen, Ute Haas vom Verein Spielen in der Stadt. »Es ist wichtig, Kindern eine Stimme zu geben und ihre Mitgestaltungsmöglichkeiten auszubauen.« Denn die Welt bestehe nun mal nicht nur aus Erwachsenen. Bären, Tiger und Giraffen am Ackermannbogen? Ginge es nach den Visionen der Kinder, dann wäre ein Zoo ein Muss. Und mittendrin im Tierpark Karussells und Stände mit Mandeln und Zuckerwatte. Auch wichtig: Kinos, Spielplätze, Schwimmbäder. Aber bloß nicht alles zubauen. Denn die Kinder haben auch Sehnsucht nach Natur. Sie wünschen sich viele grüne Wiesen, viele Bäume und einen riesengroßen See. Soweit die Träume, die in diesem Fall Träume bleiben müssen, denn der Bebauungsplan steht längst fest. Unter anderem sollen 500 Wohnungen entstehen, ein großer Supermarkt, ein Gastronomiebetrieb und ein Gemeinschaftsraum. »Dass ihre Ideen nicht realisiert werden können, darüber wurde mit den Kindern vorher gesprochen«, erklärt Haas. Trotzdem sei dieses Projekt wichtig gewesen, um Erwachsenen zu vermitteln, wie sich Kinder das Wohnviertel vorstellen.
Auch Heidrun Eberle, Leiterin der NachbarschaftsBörse am Ackermannbogen, die ebenfalls »Bautraum am Bauzaun« mitorganisierte, sagt: »Es ist ein weiterer Schritt, Kindern eine Stimme zu geben.« Doch damit sei erst ein Anfang gemacht. Kinder und Jugendliche sollten ihrer Ansicht nach mehr an den Planungsprozessen in der Stadt beteiligt werden. »Ideal wäre, wenn sie echte Mitsprachemöglichkeiten hätten, etwa durch ein Anhörungsrecht«, so Eberle weiter. Noch aber seien die konkreten Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort und bezogen auf die Interessen der Kinder und Jugendlichen sehr gering und dauerten meist viel zu lange. Auch Anwohner könnten noch viel zu wenig mitreden. »In der Regel ist alles bis ins Detail geplant. Es gibt nur wenig so genannte weiße Flächen.«
Das Projekt stand erst auf wackeligen Füßen. »Wir wollten das unbedingt machen, doch es waren keine Gelder da«, berichtet Ute Haas. Aber dann kam die Idee, nach Patenschaften für die Holztafeln, auf denen die Kinder später malten, zu suchen, für 40 Euro pro Patenschaft. Privatpersonen und Firmen konnten für diese Sache begeistert werden. »Ohne unsere Sponsoren wäre nichts draus geworden«, so Haas. Im Frühjahr 2010 fiel der Startschuss für das Projekt. Rund 30 Kinder Drittklässler der Gertrud-Bäumer-Schule und Hortkinder der Kindervilla Drei Eichen nahmen daran teil. Erstmal wurde grundsätzliches Knowhow in Sachen Städtebau vermittelt. Ein Architekt von »Architektur unter der Lupe«, ebenfalls ein Projekt des Vereins Spielen in der Stadt, zeigte den Kindern die Grundrisse, schlüsselte auf, wie man Pläne liest und gab Einblick in die Überlegungen, warum die einen Areale so und andere Areale anders bebaut werden. Diskutiert wurde auch über Möglichkeiten und Grenzen von Architektur. Besonders brannte den Kindern die Frage auf den Lippen: Warum dauert es eigentlich immer so lange, bis etwas fertig gebaut ist?
Schließlich waren die Nachwuchs-Architekten selbst an der Reihe. Auf acht große Holzplatten malten sie ihre Visionen, Wünsche und Träume. Die großformatigen Entwürfe eines kindgerechten Quartiers konnten im Juli 2010 entlang des Bauzauns, der vier Wochen lang als öffentliche Galerie genutzt wurde, besichtigt werden. »Die Kinder fanden es toll, dass ihre Ideen von den Erwachsenen wahrgenommen wurden«, erzählt Haas. Ein Kind beispielsweise habe sich gefreut, dass sogar fremde Leute vor den Bildern gestanden und sie richtig lange angeschaut hätten. Auch ein Grund zum Freuen: das Preisgeld in Höhe von 300 Euro. Die Hälfte ging an die Klassenkasse, die andere wird in neue Kinderprojekte investiert. Wer weiß, vielleicht klappt es ja mit einem nächsten Preis denn die Ackermannbogen-Kinder jubeln nicht zum ersten Mal über eine gute Platzierung. »Wir freuen uns, dass wir mit Bautraum am Bauzaun bereits zum zweiten Mal einen Preis beim Münchner Schulwettbewerb gewonnen haben«, sagt Heidrun Eberle. 2010 gab es einen ersten Preis für das Medienprojekt »Du und Dein Viertel«. Das zeigt laut Eberle, dass man »mit geeigneten Methoden Kinder und Jugendliche für städtebauliche Themen begeistern kann«.
Sylvie-Sophie Schindler