Veröffentlicht am 06.10.2011 00:00

München/Milbertshofen · Trotz Handicap an die Spitze


Von red

Fabian Müller gefällt Rugby. Aktuell findet in Neuseeland die Weltmeisterschaft statt, hinter Fußball-WM und Olympischen Spielen das drittgrößte Sportereignis der Welt. Einige Spiele der muskelbepackten Sportler hat sich der Milbertshofener bereits angesehen.

Artikel zu den Spielen der Munich Rugbears

Munich Rugbears Themenseite zur Rollstuhl-Rugby Mannschaft aus München.

Er meint, der in Deutschland kaum beachtete Sport sei in diesem Jahr durch die WM „medienwirksamer als je zuvor. So viel habe ich noch nie von Rugby mitbekommen.“ Die Viertelfinalspiele der Rugby-WM wird Müller nicht verfolgen können. Die finden an diesem Wochenende statt. Und da muss der 27-Jährige selbst um einen Titel spielen – bei der Europameisterschaft im Rollstuhl-Rugby.

Müller ist der Senkrechtstarter bei den Munich Rugbears, dem Rollstuhl-Rugby-Team des TSV Milbertshofen. Seit Anfang des Jahres ist er Nationalspieler. Eigentlich sollte er sich bei der EM in der kleinen schweizerischen Ortschaft Notwill (im Kanton Luzern) ein Zimmer mit Kumpel und Teamkollege Max Haberkorn teilen. Doch der Rugbear, der an der sogenannten „Glasknochenkrankheit“ leidet, zog sich bei einem Sturz auf einer Rolltreppe einen Oberarmbruch sowie einen doppelten Bänderriss in der Schulter zu. „Das ist sehr schade. Es ist immer lustig mit Max. Aber ich habe auch einen guten Draht zu den anderen Nationalspielern“, sagt Müller.

Früher hatte der Münchner überhaupt keine Ahnung von Rugby. Vor vier Jahren, erzählt er, habe er während seines Auslandsstudiums im spanischen Huelva mit ein paar Freunden am Strand Rugby gespielt. „Wir haben eigentlich nur ein bisschen rumgeblödelt. Es hatte ja keiner eine Ahnung, wie der Sport richtig funktioniert.“ Wenige Tage später sollte sich das Leben des Fabian Müller dramatisch verändern. Seit einem Badeunfall sitzt er im Rollstuhl – und genau das brachte ihn zum Rugby. In der Reha in Murnau wurde Rollstuhl-Rugby angeboten. Müller wusste sofort: Das ist seine neue Sportart.

Der Nationalspieler misst stolze 2,05 Meter. In seiner Zeit als „Fußgänger“ spielte er Handball und Volleyball, allerdings nie auf höherem Niveau. „Jetzt“, sagt er, „will ich in einer Sportart alles ausreizen. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man merkt, man kann mit seinem Körper etwas anfangen, an Leistungsgrenzen gehen und immer mehr rausholen kann.“ Dreimal trainierte Müller zuletzt pro Woche mit der Mannschaft, bis zu acht weitere Einheiten absolvierte er in Sachen Fitness und Kraft. Nur durch den Sport, meint sein Teamkollege und Nachnamensvetter David Müller – beide Spieler der Munich Rugbears sind nicht verwandt – bleibe man als Rollstuhlfahrer fit, um einem Beruf nachgehen zu können.

Bei der EM in der Schweiz will Fabian Müller mit Deutschland den Titel holen. Wie schwer dieses Unterfangen wird, zeigte der Auftakt, als die Auswahl äußerst knapp mit 44:48 gegen Mitfavorit Polen unterlag. Das primäre Ziel aber ist der dritte Rang, über den man sich für die Paralympics im kommenden Jahr qualifizieren kann. Dort besitzt die Sportart, die ihren Ursprung in Kanada hat und die wenig gemein hat mit dem „normalen“ Rugby, einen hohen Stellenwert. Am Samstag in den Halbfinals der EM könnte sich Deutschland bereits für die Paralympics qualifizieren. Danach geht es für Fabian Müller wieder nach München, wo er sich dann auch die Halbfinals und das Finale der Rugby-WM der „Fußgänger“ ansehen kann.

Von Jan Lüdeke

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