Um 6 Uhr in der Früh beginnt für Julie der Tag. Es sind Winterferien und sie könnte ausschlafen, doch die 16-Jährige ist Skilehrerin bei einer Skischule in der Nähe von München und das heißt für sie vier Tage lang »viel Stress, aber noch mehr Spaß.«
12-teiligen Reihe: Wir hinterfragen Geschichten
»Wir hinterfragen Geschichten« Schülerinnen und Schüler mit faszinierenden Geschichten
Um 6 Uhr in der Früh beginnt für Julie der Tag. Es sind Winterferien und sie könnte ausschlafen, doch die 16-Jährige ist Skilehrerin bei einer Skischule in der Nähe von München und das heißt für sie vier Tage lang »viel Stress, aber noch mehr Spaß.« Der Bus fährt um 6.45 Uhr ab und von da an hat sie alle Hände voll zu tun. »Sobald sich alle Kinder von ihren Eltern verabschiedet haben und im Bus sitzen, geht es los. Man muss gute Laune verbreiten und die Kinder zum Ski fahren motivieren«, erzählt die Elftklässlerin. »Das ist eines der schwierigsten Dinge, Kinder zu motivieren, die von ihren Eltern zum Ski fahren geschickt werden, aber eigentlich gar keine Lust darauf oder Angst davor haben.«
Auf der Piste mit dem Anfängerkurs
Während der knapp zweistündigen Busfahrt werden auch die Skikurse für die nächsten vier Tage eingeteilt. Julie bekommt einen Anfängerkurs, mit Kindern zwischen sechs und zehn Jahren. Außerdem wird ihr noch ein Hospitant zugeteilt, ein Skilehrer, der gerade in der Ausbildung ist. Hospitantin war die braunhaarige Halbfranzösin letztes Jahr, daher kennt sie sich schon aus, was organisatorische Dinge angeht, aber auch verschiedene Übungen hat sie in dieser Zeit gelernt.
Kurz bevor der Bus das Skigebiet St. Johann erreicht hat, bricht das Chaos aus. Kinder stehen auf und wollen ihre Skianzüge anziehen, die Skilehrer und Hospitanten müssen vor allem den vielen kleinen Kindern dabei helfen. Am Lift angekommen werden die Skipässe verteilt und dann trennen sich die einzelnen Gruppen. Bevor Julie jedoch mit ihrer achtköpfigen Truppe zum Übungshang geht, wärmen sie sich mit kleinen Fangspielen auf.
Zur Skischule und somit auch zur Ausbildung zur Skilehrerin ist die Gymnasiastin durch einen Nachbarn gekommen, der der Leiter der Skischule ist. »Ich habe mich dafür entschieden, weil mir Ski fahren unglaublich Spaß macht und ich das an andere weitergeben möchte.« Ein Job an einer Supermarktkasse, wie viele ihrer Freunde ihn machen, käme für Julie nicht in Frage. »Ich arbeite gerne an der frischen Luft und mit Kindern.« Von der Skischule wird ihr der Skipass und die Anreise bezahlt, dazu bekommt sie 50 Euro pro Tag.
Am Hang angekommen benutzen die Anfänger noch keinen Lift, »da die meisten zum ersten Mal auf Ski stehen, müssen sie sich erst einmal daran gewöhnen, etwas unter den Füßen zu haben. Deswegen wird am ersten Tag geübt mit den Ski parallel den Anfängerhügel hochzusteigen und dann im Pflug herunter zu fahren«, erklärt die zierliche, aber selbstbewusste Skilehrerin. Manche Skischüler stellen sich sehr geschickt dabei an, sodass Julie, im gelb-schwarzen Skilehreranzug, mit ihnen zum Teil selbst ausgedachte Übungen fahren kann.
Die anderen Kinder, die nicht so viel Lust haben, werden schnell quengelig, setzen sich auf die Piste und wollen nicht mehr aufstehen, müssen aufs Klo oder haben Hunger. »Diese Kinder ziehen die ganze Aufmerksamkeit auf sich, und dann werden auch die ungeduldig, die Lust auf Ski fahren haben und die auf die anderen nicht warten wollen, teilweise weinen vier Kinder gleichzeitig«, sagt Julie und erklärt der sechsjährigen Roxy zum dritten Mal geduldig, dass es erst in einer halben Stunde Mittagessen gibt.
Aber auch in der einstündigen Mittagspause gibt es für Julie und die anderen 40 Skilehrer und Hospitanten kaum Zeit zum Verschnaufen, denn die 150 Kinder wollen beschäftigt werden. »Wenn man eins hier lernt, dann ist es Geduld«, meint die junge Skilehrerin lachend und fügt hinzu: »Ich kann jetzt besser mit Stresssituationen umgehen, denn wenn man da auf der Piste steht vor acht schreienden Kindern, denen allen was anderes nicht passt, dann ist das Stress pur.« Auch Verantwortung zu übernehmen für die zum Teil noch sehr kleinen Kinder und den Umgang mit ihnen, lernt man auf diese Weise.
Nach der Mittagspause wird wieder die Piste hochgestiegen und in großen Bögen herunter gefahren. Dabei kann es schon mal passieren, dass alle in einander fahren, weil das mit dem Bremsen noch nicht so gut klappt und am Ende die ganze Gruppe lachend oder weinend, auf der Piste liegt. »Das Schönste an einem Anfängerkurs ist, dass man sofort sieht, wenn die Kinder etwas gelernt haben«, sagt die 16-Jährige nicht ohne Stolz.
Mit der Gruppe vom Weg abgekommen
Letztes Jahr hatte sie einen Fortgeschrittenen-Kurs, »da war es schön, weil man wirklich zum Ski fahren gekommen ist«, meint Julie und dann erinnert sie sich schmunzelnd: »Einmal habe ich mich mit der ganzen Gruppe verfahren und wir sind dann zwei Stunden zu spät zum Mittagessen gekommen, das war damals für mich eine Katastrophe, aber Ärger habe ich zum Glück nicht bekommen.«
Um 15 Uhr treffen sich alle Skigruppen wieder am Bus und nachdem alle Ski verstaut sind und die Kinder schon im Bus warten ist um kurz nach halb vier Abfahrt. Jetzt heißt es für Julie noch einmal zwei Stunden Kinder beschäftigen und sich mit den anderen Skilehrern, von denen die meisten nicht über 20 sind, über den Tag auszutauschen.
Um halb sieben ist Julie wieder zu Hause mit vielen Eindrücken und Erfahrungen. »Jetzt will ich nur noch ins Bett, aber ich freue mich schon auf morgen und die nächsten Tage«, sagt sie erschöpft.