Veröffentlicht am 08.03.2012 00:00

München · Der älteste Liebesbrief ist gefunden


Von red

Der Liebesbrief an sich hat's nicht leicht. In Zeiten von E-Mail und SMS schickt man sich gegenseitig mal schnell 'ne Kurznachricht und drückt so – auf seine Weise auch romantisch – seine Zuneigung aus. Aber mal ehrlich: Was ist das schon im Vergleich zu einem phantasievoll ausgestalteten Liebesbrief?

Wir haben nach Münchens ältestem Liebesbrief gesucht. Das älteste Exemplar, das uns erreicht hat, ist über 200 Jahre alt. Bestimmt kein Rekord, aber so ein Schmuckstück hat nun auch nicht jeder zuhause herumliegen. Hans Zeitelhack ist der Besitzer dieses Zeitdokuments. Verfasst hat es am 2. Februar 1806 Johann Georg Denteler. Empfängerin war Anna Maria Sandner. Hier seine Zeile in der Transkription:

Ich will Dich all mein Lebenlang,

mein Schatz von Herzen lieben.

Und so sollst Du auch seyn gesinnt,

einander nie betrüben.

Wenn Ungemach und Kreutz uns drükt,

Anfechtung Kummer uns besiegt,

trau ich Gott der hilfts tragen.

Bis mir der Tod das Leben raubt

will ich bis an den letzten Hauch,

Dir ewig treu verbleiben.

Ach Gott laß mein Verlangen mich,

doch sehen dass Sein Herz auch sich,

auf ewig zu mir neige.

Ewig soll mich diese Gabe

wenn ichs habe.

Gott mich dringen

Ruhm und Preiß vor Dich zu bringen.

Anno 1806 den 2ten Febr.

Wer solche Zeilen erhält, der fließt doch einfach nur noch dahin. Ob es dieser Brief war, der die glückliche Empfängerin bewogen hat „ja” zu sagen, lässt sich nicht mehr klären. Aber bekannt ist: Sie hat „ja” gesagt, sodass aus dem Liebespaar später ein Ehepaar wurde.

Die Anzahl und das Alter mancher Liebesbriefe, die uns – natürlich als Kopie – zugeschickt wurden, hat uns überrascht. Sicher haben viele ihre intimsten Zeilen für sich behalten, doch einige Briefe sind weniger als vierzig Jahre alt und wurden von den Verfassern oder Empfängern selbst eingeschickt. Und die Erkenntnis aus der Lektüre aller Briefe: Zu allen Zeiten haben die Menschen ihre innersten Gefühle mit tiefgreifenden Worten offenbart. Das Ergebnis sind Werke, die mancher zur Entstehungszeit vielleicht kitschig gefunden haben mag. Tatsächlich kann jeder auf jeden noch so einfachen Liebesbrief sehr stolz sein, denn nach Jahren ist der oberflächliche Kitsch verflogen und zum Vorschein kommt die Erinnerung an eine schöne Zeit im Leben: das Verliebtsein. Wenn es auch nicht die eigene Erinnerung ist, so hat man bei den älteren Liebesbriefen doch Bilder vor Augen. Treueschwüre von Soldaten, die im zweiten Weltkrieg an der Front gekämpft haben. Die Menschen, die diese Zeit erlebt haben, werden immer weniger. Doch der Gedanke an die Liebste in der Heimat hat viele durchhalten lassen. Sicher gab es viele traurige Schicksale. Aber zu wissen, dass die Treueschwüre eingehalten und später zum Familienglück geführt, stärkt den Glauben daran, dass diese Welt doch nicht so bedrückend ist, wie sie manchmal erscheint.

So schrieb Josef Duschls Vater an seinem zehnten Hochzeitstag seiner Frau einen Liebesbrief. Der Brief entstand 1944 in Russland. Aus ihm geht hervor, dass das Paar bereits fünf Jahre lang getrennt war, also das bis dahin halbe Eheleben. Heute unvorstellbar, damals kein seltenes Schicksal.

Weniger tragisch war die Situation von Karli, der 1920 einen Brief für Antonie Reindl verfasste. Seine Verzweiflung war herauszulesen. Anscheinend war die Verbindung zwischen den Beiden nicht die engste. Doch wie es aussieht, hat Karli in seinem Brief die richtigen Worte gefunden, denn auch hier folgte ein langes gemeinsames Leben.

Die Zahl der Liebesbriefe, die noch älter sind als der von Karli, ist nicht mehr allzu groß. Aus dem 19. Jahrhundert ist nicht mehr viel übrig, sodass der Beitrag von Hans Zeitelhack bei unserer Suche vom Alter her nicht übertroffen wurde. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind das Ergebnis großer Gefühle, die zu Papier gebracht wurden. Keine großen Schriftsteller haben sie verfasst, sondern ganz normale Menschen, wie man sie jeden Tag auf der Straße, beim Einkaufen, im Treppenhaus und in der U-Bahn sieht. Hätten wir nach dem schönsten und romantischsten Liebesbrief gesucht, es hätten alle gewinnen müssen.

So war's der älteste und der Preis, auf den sich der Gewinner Hans Zeitelhack freuen darf, ist ein mehrtägiger Aufenthalt in einem Hotel in Österreich. Und das wird sicher auch ganz romantisch.

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