»Was ich gern lese? Ach, das ist schwierig«, sagt die 29-jährige Susanne Zacharias, Leiterin der Bücherbusse der Stadtbibliothek München. Sie wirkt auf den ersten Blick sehr selbstsicher und hat ein sympathisches Lächeln.
12-teiligen Reihe: Wir hinterfragen Geschichten
»Wir hinterfragen Geschichten« Schülerinnen und Schüler mit faszinierenden Geschichten
Sie ist etwa durchschnittlich groß für eine Frau und man erkennt gleich, dass sie weiß, was sie will. Sie ist seit zwei Jahren verheiratet und noch kinderlos. Ihre Leidenschaft für Bücher habe sie, seit sie lesen kann. Vier Jahre hat sie Bibliotheks- und Informationswissenschaft in Leipzig studiert. Das sei Grundvoraussetzung für ihren Beruf, wenn man keinen Ausbildungsberuf machen möchte. Davor arbeitete sie in einer Bibliothek in ihrer Heimatstadt Berlin.
Ihr Arbeitstag beginnt um 7 Uhr am Gasteig. Dort stehen in einer Tiefgarage die Busse der Stadtbibliothek. In München gibt es insgesamt vier Kinderbusse, die in einem zweiwöchigen Takt immer die gleichen 80 Grundschulen besuchen. »Die meisten Bücherbusse in Deutschland hat München«, stellt Frau Zacharias fest. Vier Mitarbeiter befinden sich ständig in einem Bücherbus, inklusive Fahrer.
Das Prinzip des Bücherbusses gibt es schon seit 1928, wobei es zuerst keine Busse waren, die die Bücher zu den Bürgern fuhren, sondern Straßenbahnen.
Hier werden Kinder zu Lesern
Die Fahrt geht los, vorbei am Deutschen Museum, zu einer Grundschule nach Obermenzing. Unterwegs gerät der Bus in einen Verkehrsstau und so muss Frau Zacharias der Schule die kleine Verspätung mitteilen.
Von innen sieht der Bus seiner Zielgruppe angepasst aus. Es hängen selbstgebastelte Vögel und Kürbisse von der Decke herab. Außerdem sind die Fenster lustig bemalt. Ein Buch oder eine DVD für über Zwölfjährige findet man hier wohl eher selten. Wii-Spiele, CD-ROMs und DVDs werden auch zahlreich angeboten, um »viele Medien anbieten zu können«, so die Leiterin des Busses. Es befinden sich etwa 5000 Medien in einem Bus. Insgesamt, mit den verliehenen Medien und den auf Lager liegenden, sind es etwa 25.000 Medieneinheiten je Bücherbus.
Die Heizung wird angemacht, doch es riecht mehr nach verbranntem Plastik, als es wärmer wird. »Wir sind sehr robust. Das müssen wir auch sein. Im Winter ist es hier zu kalt und im Sommer zu warm«, sagt Frau Zacharias lächelnd.
Der Bus hält, trotz des Staus, pünktlich um 8 Uhr vor der Grundschule und die gemütliche Stimmung verschwindet sofort, als die ersten Schüler, eine zweite Klasse, stürmisch in den Bus hineindrängen. Jetzt heißt es schnell, aber dennoch exakt zu arbeiten. Der Bus bietet gerade ausreichend Platz, um eine mittelgroße Grundschulklasse unterzubringen. Die Kinder kennen das Schema schon gut und geben ihre geliehenen Bücher ab, um sich neue ausleihen zu können. Allerdings vergessen einige der Kinder ihren Büchereiausweis und so weist Frau Zacharias sie darauf hin, ihn das nächste Mal mitzubringen. Ob das allerdings funktioniert, ist fraglich.
Die Klasse verlässt den Bus mit neuen Büchern und den Mitarbeitern bleibt nicht viel Zeit, um die abgegebenen Medien in den Regalen des Busses einzuräumen. Sieht ein Medium zu abgenutzt aus, wird es aussortiert. Die Bustür geht erneut auf und eine dritte Klasse strömt herein. Das gleiche Schema. Ein Kind hat die ausgeliehenen Bücher erneut nicht zum vereinbarten Termin mitgebracht und muss nun 15 Cent Gebühr zahlen für alle weiteren zwei Wochen, die es die ausgeliehen Bücher verspätet zurückgibt. Die Kinder verlassen den Bus wieder und den Mitarbeitern bleibt erneut nicht viel Zeit, um die vierte Klasse zu empfangen. Gleiches Schema wie zuvor, bevor das Durcheinander erneut beginnt, denn es werden alle Klassen einer Schule bedient.
Für die Viertklässler ist das Ausleihen ein altbekanntes Spiel und es geht deutlich unkomplizierter. Nach 75 Minuten ist die erste Schule versorgt und nach einer kurzen Kaffeepause geht es weiter zur nächsten Schule. Drei Schulen sollten pro Vormittag versorgt werden und am Nachmittag ein Kindergarten.
Sprachbarrieren überwinden
Auf die Frage, ob es Schüler gibt, die schlecht oder gar kein Deutsch sprechen könnten, antwortet Frau Zacharias, es gebe natürlich auch Kinder, die erst seit kurzem in Deutschland leben und bei denen eine Kommunikation sehr schwierig wäre, aber das Ziel sei es, dass die Kinder lesen lernen und »später Leser bleiben«.
Wenn auch der Kindergarten mit Büchern versorgt ist, geht es zurück in den Gasteig und die Unterlagen und die Route für den nächsten Tag werden vorbereitet, bevor es, nach
einem langen Tag, in den Feierabend geht.