Die zweite S-Bahn-Stammstrecke München war Thema beim Stammtisch der Eisenbahnfreunde Vaterstetten am vergangenen Mittwoch.
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Dazu hatte der Verein Jürgen Pauli von DB Netz sowie Bernd Honerkamp von DB S-Bahn München eingeladen, die die Planungen und Auswirkungen der Stammstrecke auf die Gemeinde Vaterstetten erläuterten. Die Frage, ob Vaterstetten vielleicht doch noch Haltepunkt für die Express-S-Bahn wird, konnten sie allerdings nicht beantworten. Das entscheidet die Regierung von Oberbayern, sagte Pauli. Im März 2011 hatte der Vaterstettener Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt. Bis jetzt sind auf der Strecke der S3 nach Ebersberg nur Haltestellen in Trudering und Grafing geplant, eventuell noch Zorneding. Maximal zwei Stopps werden noch festgelegt, sonst wäre es keine Express-Bahn mehr.
Es steht aber noch nichts fest, betonte Pauli. Honerkamp warnte: Die Gemeinden sollten nicht in Konkurrenzkampf treten, sondern der Landkreis sollte aufgrund der Fahrgastzahlen entscheiden, welche Haltestelle Sinn macht. Neue Untersuchungsergebnisse werde es schon bald geben. Der MVV führt jetzt im Frühjahr eine Zählung durch und das Ergebnis fließt zusammen mit dem anderer Zählungen bei Infraplan zusammen, die derzeit eine Prognose für das Jahr 2025 erstellen. Man müsse sich damit abfinden, dass es bei dem ganzen Projekt Gewinner und Verlierer gebe, so der Experte. Vaterstetten gehört auch ohne Express zu den Gewinnern, denn die normale S-Bahn fährt dann im 15- statt 20-Minuten-Takt. Der Express-Zug käme alle 30 Minuten noch hinzu. Auf anderen Strecken gebe es hingegen Taktverschlechterungen.
Ebersberg profitiere ebenfalls von der Taktverdichtung, aber logistisch gesehen könnte das zu Problemen führen, sagte Klaus Hugo, zweiter Vorsitzender der Eisenbahnfreunde Vaterstetten. Da der Abschnitt zwischen Grafing Bahnhof und Ebersberg nur eingleisig ist, müssen Züge mit der Ein- oder Ausfahrt oft warten, bis der vorherige Zug weg ist. Das gebe schon jetzt Verspätungen bei der S-Bahn. Das Projekt Zweite Stammstrecke zielt darauf ab, 30 Prozent mehr Fahrgäste befördern zu können, was nur bei einem 15-Minuten-Takt gelingen würde. Derzeit bemüht sich das Mobilitätsforum Ebersberg um einen zweigleisigen Ausbau, berichtete Honerkamp.
Expertenbesuch als Geburtstagsgeschenk
Dass die Experten, die normalerweise bei politischen Großveranstaltungen auftreten, vor gerade einmal neun Zuhörern im Nebenraum des Gasthauses Landlust sprachen, könnte man als Geburtstagsgeschenk für die Eisenbahnfreunde bezeichnen. Denn die feierten kürzlich das einjährige Bestehen ihres Vereins. Am 18. März 2011 war er von Ernst Stegmeier und anderen Eisenbahn-Fans gegründet worden, entstanden aus einer Modellbaugruppe, die Stegmeier im Juni 2009 ins Leben gerufen hatte. Die Bastler hatten sich zunächst im Mehrgenerationenhaus getroffen, waren aber dann in Stegmeiers Keller ausgewandert, um das lästige Auf- und Abbauen zu vermeiden. Mittlerweile hat der Verein 26 Mitglieder, darunter 16 Jugendliche. Bis zu zehn von ihnen sind in Stegmeiers Keller in zwei Gruppen abwechselnd jede Woche damit beschäftigt, Module an einer so genannten Spur-N-Anlage zu basteln. N steht für eine genormte Baugröße der Modelleisenbahnen.
Doch in dem Verein soll nicht nur der Modellbau im Vordergrund stehen. Wir möchten auch den Bezug zur Realität herstellen, so Klaus Hugo, ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG (DB). Der Vortrag zur Stammstrecke München war nur eine von vielen geplanten Veranstaltungen und Aktivitäten, die dieses Ziel untermauern. Ein großes Projekt ist derzeit am Laufen: An der Baldhamer Straße, auf dem Grund des Reitsbergerhofes nördlich des Radweges, befindet sich eine Gedenkstätte in Form von zwei Metern Gleis und einer Informationstafel für die holländischen Zwangsarbeiter, die 1944 und 1945 unter menschenunwürdigen Umständen eine Eisenbahnstrecke von Zorneding nach Feldkirchen und weiter nach Daglfing bauen mussten, damit der bombengefährdete Ostbahnhof umfahren werden konnte. Die Strecke wurde fertig, ist aber nie mehr in Betrieb gegangen. Die Gedenkstätte ist so unscheinbar, dass sie kaum wahrgenommen wird. Wir möchten einen Blickfang daraus machen, so Hugo. Geplant ist, auf einem Gleis im Anschluss an das vorhandene einen ähnlichen Eisenbahnwaggon aufzustellen wie der, in dem die Holländer halb verhungert gehaust haben.
Waggon kommt aus Groß-Gerau
Er wurde bereits gefunden und steht im hessischen Groß-Gerau zur Abholung bereit. In den nächsten vier Wochen bekommen wir die zusätzlichen Gleise, dann kann der Waggon aufgestellt werden, erklärt Hugo. Um den Ort zugänglich zu machen, wird ein zehn Meter langer befestigter Weg geschaffen. Die Gemeinde Vaterstetten hat das Projekt bereits genehmigt. Weitere Infos dazu gibt es unter www.eisenbahnfreunde-vaterstetten.de . Von Sybille Föll