Veröffentlicht am 20.09.2012 00:00

München · 16 Tage Wiesn-Gaudi


Von red

Samstags, 22. September, um Punkt zwölf zapft Oberbürgermeister Christian Ude das erste Fassl im Schottenhamel-Zelt an und gibt damit die Zapfhähne frei in den 14 Tempeln der Bierseligen.

Der erste von mehr als sieben Millionen vertrunkenen Litern Bier wird herauslaufen, um die sechs Millionen Gäste werden an 16 Wiesntagen erwartet. Mehr als Hundert Ochsen lassen ihr Leben für das Fest, zu ihnen gesellt sich eine halbe Million Hendl. München ist im Ausnahmezustand.

Das Oktoberfest bringt der Stadt eine knappe Milliarde Euro an Wirtschaftswert, das ist die Summe aus den Umsätzen auf dem Fest, in den Hotels, in Taxis, in Wirtschaften, durch die Kauflust der Gäste. Trotzdem gibt sich die Stadt bemüht, das Fest nicht über Maß auszuschlachten. Das große Credo ist: Tradition.

D' Seitn zua Wiesn

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Der neue Wiesn-Chef, der Leiter des Münchner Stadtreferats für Wirtschaft, Dieter Reiter, bekennt klar: „Das Oktoberfest soll ein Fest für jedermann sein, eine Mischung aus Bierzelten und Fahrgeschäften bieten, der traditionelle Bezug soll erhalten bleiben.“

Ein noch recht junges Brauchtum möchte die Stadt allerdings unbedingt zurückdrängen. Die Kultur des „Vorglühens“. „Das ist eine Unsitte“, sagt Wolfgang Nickl, Sprecher des Wirtschaftsreferats. Es gehört mittlerweile zum frühmorgendlichen Bild, dass Gruppen von Besuchern mit Bierkästen aufs Fest kommen, und vor den Zelten ein feuchtfröhliches Lager aufschlagen. „Das ist zu einem massiven Sicherheitsproblem geworden“, so Nickl, denn die frühen Morgenstunden seien für die Anlieferung reserviert. Wenn schwere Transportfahrzeuge auf die Wiesn dürfen, herrsche nicht ohne Grund Betretungsverbot. „Dazu kommt ein sprunghafter Anstieg von Schnittverletzungen, da waten Frauen in Ballerina-Schuhen oder junge Männer in Flip-Flops förmlich durch ein Meer von Glasscherben.“ So sieht sich die Stadt gezwungen, die Freiheit auf der Wiesn in diesem Jahr um eine neue Beschränkung einzuengen. Auf dem Oktoberfest herrscht von nun an Glasflaschenverbot. Für die Durchsetzung ist das Ordnungspersonal der Stadt zuständig, die Polizei will helfend zur Seite stehen, so Polizeisprecher Werner Kraus: „Wir begrüßen das Verbot, denn damit vermeiden wir auch ein häufiges Mittel zum Schlagen und Werfen.“ Die Polizei will schließlich im Einzelfall entscheiden, wie mit Bierflaschlern umgegangen wird. „Je nach Zeit und Situation kann das bis zu einer Anzeige und einem Bußgeld führen.“ Einen Schritt in Richtung Plastikkrug als Wiesnneuheit will Kraus dagegen nicht sehen.

Eine tatsächliche Wiesn-Neuheit freut dagegen eine große Münchner Brauerei. Als letztes der drei großen Bierhallen der Paulaner-Gruppe hat das Hacker-Festzelt eine eigene Ringleitung zur Bierversorgung der Schänken bekommen. „260 Meter Rohre verlaufen da unter der Erde und bleiben da auch übers Jahr, das ist eine richtige Pipeline“, sagt Birgit Zacher, Sprecherin bei Paulaner, mit hörbarer Freude. Einen hohen sechsstelligen Betrag habe der Bau gekostet, der vor allem in einer Sache eine große Erleichterung bringen soll: „Die Zeitfenster, in der auf der Wiesn angeliefert werden darf, werden immer enger. Jetzt müssen wir mit dem Bier nur noch an eine einzige, zentrale Stelle am Zelt fahren.“ Nur der Weiterbau einer Rohrleitung bis zur Brauerei am Nockherberg wird für immer ein Traum bleiben. „Das wäre dann doch ein bisschen weit“, so Zacher mit einem Lachen.

Ziemlich nah, mitten in der Stadt sind dagegen in diesem Jahr – wie alle vier Jahre - wieder die Landwirte. Traumhafte Zustände, findet Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband: „Der Verbraucher hat die Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er kann sich auf dem Zentralen Landwirtschaftsfest (ZLF) informieren, wie es denn eigentlich um die Herkunft seiner Lebensmittel bestellt ist, und gleich noch die Wiesn besuchen.“ Das ZLF feiert 125-jähriges Bestehen – und die Bauern beharren darauf, auch weiterhin zeit- und ortsgleich mit dem Oktoberfest stattzufinden. „Die Wiesn hat ihren Ursprung als Landwirtschaftsfest“, so Peters. Diese Tradition setze der Bauernverband fort, „wir knapsen alle paar Jahre ein paar Hektar ab, das ist schon verkraftbar“.

Verkraften müssen die Fans der Oiden Wiesn dafür in diesem Jahr, dass sie leer ausgehen. Die Fläche beansprucht der Bauernverband für sein Fest. „Wir bieten aber viele der Inhalte wie Viehausstellung, Schauen und Pferderennen, die wir auch bei der Jubiläumswiesn vor zwei Jahren organisiert haben.“

Auch sonst bleibt Vieles beim Alten auf der Wiesn – jede Menge Remmidemmi, wilde Fahrgeschäfte, absurde Mode und echtes Brauchtum. Am Sonntag, 23. September, lassen sich wieder jede Menge Trachtengruppen beim Umzug durch die Stadt und anschließend in den Zelten bewundern. Die Münchner können 16 Tage lang staunen über Bierleichen, internationales Flair, den unvergleichlichen Geruch über der Stadt – und allen Prognosen nach auch über einen königlich-sonnigen Herbst.

Damit auch Sie jeden Tag ihr Stückchen Wiesn nach Hause bekommen, ziehen wir für Sie mit der Kamera los und stellen Ihnen täglich einen besonderen Wiesntypen vor – einen Menschen, der die Wiesn ausmacht – und kitzeln ihm seine ganz besondere Sicht auf die Wiesn heraus. Die Videos können Sie ab Montag auf unserer Internetseite finden. Schauen S' vorbei! Von Florian Falterer

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