Veröffentlicht am 23.10.2012 00:00

Pliening · 1200er Lampenfieber


Von red
Manche proben schon den Festzug: Die Ottersberger Dorfgemeinschaft kann die Kostüme der 1000-Jahr-Feier des Ortsteils von 1980 wieder verwenden.	 (Foto: cs)
Manche proben schon den Festzug: Die Ottersberger Dorfgemeinschaft kann die Kostüme der 1000-Jahr-Feier des Ortsteils von 1980 wieder verwenden. (Foto: cs)
Manche proben schon den Festzug: Die Ottersberger Dorfgemeinschaft kann die Kostüme der 1000-Jahr-Feier des Ortsteils von 1980 wieder verwenden. (Foto: cs)
Manche proben schon den Festzug: Die Ottersberger Dorfgemeinschaft kann die Kostüme der 1000-Jahr-Feier des Ortsteils von 1980 wieder verwenden. (Foto: cs)
Manche proben schon den Festzug: Die Ottersberger Dorfgemeinschaft kann die Kostüme der 1000-Jahr-Feier des Ortsteils von 1980 wieder verwenden. (Foto: cs)

Eine kleine Gemeinde mit langer Geschichte feiert im kommenden Jahr 1200-jähriges Bestehen: Die Vorbereitungen für die Festwoche vom 13. bis 17. Juni laufen bereits auf Hochtouren. Jetzt steht das Programm fest.

Jubiläumsjahr 2013

Pliening · 1200 Jahre Gemeindegeschichte Themenseite zum großen Jubiläumsjahr 2013 in Pliening, erstmals urkundlich erwähnt im Jahre 813

Heimatchronist Willi Kneißl weiß es schon lange, dass im Jahr 2013 in Pliening ein großes Fest ins Haus steht. Er ist im Besitz eines längst vergriffenen Buches, in dem die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrten Schenkungsurkunden abgedruckt sind – kommentarlos und natürlich in lateinischer Sprache. Dort ist auch von einer Übergabe von Kirche und Gut Kirchpliening, heute Gelting, an das Freisinger Domkapitel die Rede. Bischof Hitto hat sich danach am 13. Januar 813 persönlich zu einem winterlichen Ritt aufgemacht, um das hölzerne Kirchlein zu weihen und die Schenkung von dem adligen Priester Chundhart entgegen zu nehmen. Vor drei Jahren hat Heimatforscher Kneißl Plienings Bürgermeister Georg Rittler auf dieses damals noch ferne Ereignis aufmerksam gemacht. Der wollte sich die Chance auf ein historisches Fest für seine Gemeinde natürlich nicht entgehen lassen.

Nach etlichen Gedankenspielen, wie man das Jahrhundertfest gebührend, aber nicht überzogen feiern könnte, haben sich Mitglieder der 40 Vereine aus Pliening und den Ortsteilen Gelting, Landsham und Ottersberg an die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten gemacht, die vor allem der historische Festzug mit sich bringt. Die Fäden für die Festwoche und den Festzug laufen – außer natürlich im Vorzimmer des Bürgermeisters – bei Martin Eberl und Franz Burghart zusammen. Dabei wartet auf Landwirt Eberl, nachdem er die wichtigsten Protagonisten für die Festwoche akquiriert hat, die größte Herausforderung erst kurz vor dem Fest. Dann nämlich, wenn am 13. Juni in kurzer Zeit das Festzelt aufgestellt, Tische und Bänke platziert und der Betrieb aufgenommen werden muss. »Dabei wollen wir bewusst die Vereine einbinden und nicht alles dem Festwirt überlassen«, sagt Eberl. Er hofft, dass ihn an diesem Donnerstagabend die Plieninger auch bei Sauwetter nicht im Stich lassen und nach dem Gottesdienst und dem Kirchenzug beim anschließenden bayerischen Abend mit Trachtler-Kindern das 1.500 Mann fassende Festzelt füllen. »Der erste Tag ist der schwierigste«, sagt Eberl. Keine Sorgen um die Stimmung macht er sich dagegen – nach der Discoparty des Burschenvereins am Freitag – für den Samstagabend, an dem vier Musikkapellen zu einem ungewöhnlichen Wettstreit antreten werden. Dabei sollen Blaskapellen aus der näheren Umgebung jeweils eine halbe Stunde aufspielen. Bewertet wird nicht der Wohlklang der Töne oder gar die Lautstärke der Instrumente – sondern der Stimmungspegel im Festzelt. Dieser wird sowohl durch Messinstrumente wie durch unabhängige Schiedsrichter bestimmt. Tieferer Sinn: Die jeweilige Fan-Gemeinde der eingeladenen Orchester soll zur tatkräftigen und stimmgewaltigen Unterstützung nach Pliening gelockt werden. Woher die Musiker kommen werden, will Organisator Franz Burghart, Vorstand der Musikkapelle Gelting, noch nicht verraten, weil die Einladungen erst vor kurzem verschickt worden sind und noch nicht alle Zusagen vorliegen. Um hundert Jahre zurück versetzt sollen sich die Besucher am Samstagnachmittag beim Schaudreschen mit einer historischen Dreschmaschine fühlen, das der Trachtenverein organisiert. Alte Traktoren und Fahrzeuge von Plieninger Bürgern sorgen dabei für das rechte Oldtimer-Feeling.

Erst recht an alte Zeiten erinnert der historische Festzug am Sonntag. Burghart, der auch Mitglied bei der Theaterbagasch ist, kommt schon jetzt gehörig ins Schwitzen und klagt über manche schlaflose Nacht, wenn er an die vielen Kostüme und Festwagen und all das Zubehör denkt, das für die bildhafte Darstellung von zwölf Jahrhunderten Ortsgeschichte nötig ist. Sicher: Er kann auf unzählige Zusagen per Handschlag bauen und hoffen, dass ihn die Vereine nicht im Stich lassen. Viele davon hätten sich allerdings bislang noch gar nicht gemeldet, klagt er. Andererseits: »Es macht auch großen Spaß, zuzuschauen, wie die Leute mit Feuer und Flamme mitmachen.«

Die Ottersberger proben schon

Zum Beispiel die Ottersberger Dorfgemeinschaft. Die holt einfach die Requisiten von ihrer 1000-Jahr-Feier im Jahr 1980 aus dem Fundus und stellt – zum Teil mit denselben Darstellern wie seinerzeit – das bäuerliche Leben am Ende des ersten Jahrtausends nach Christus dar. Das Ganze wurde vor wenigen Tagen schon einmal geprobt. Andere sind noch längst nicht soweit: Zum Beispiel mit der Darstellung des »Lusthauses« Gelting aus dem 15. Jahrhundert. Von diesem Jagdschloss aus haben unter anderem die Herrscher aus dem Haus Wittelsbach den Schwänen und Reihern in der wildreichen Umgebung nachgestellt. Trachtenverein und Jagdgenossenschaft wollen mit Hunden, Falken und entsprechenden Kostümen sowie einer Nachbildung des Gebäudes diese feudalen Zeiten wieder auferstehen lassen.

Die Anfänge des Schulwesens lassen die Grundschüler selbst Revue passieren, erarbeitet in einer Projektarbeit. Mitglieder des katholischen Frauenbundes sticheln gerade fleißig an bäuerlichen Gewändern nach Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert. Wieder auferstehen wird die Kavallerie aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 mit Hilfe der zahlreichen Pferdehöfe in der Umgebung, mit denen Burghart gerade verhandelt. Am Herzen liegt ihm auch die Bedeutung des Speichersees, der zu einem großen Teil auf Plieninger Flur liegt.

Rolle für den Speichersee gesucht

Sein Bau im Jahr 1929 hat nicht nur die Moorlandschaft grundlegend verändert, sondern auch viele Gastarbeiter unter anderem aus dem Bayerischen Wald nach Pliening gebracht – darunter Franz Burgharts Großvater. Ideen dazu werden noch gesucht. Ein uraltes Mäh-Gerät wird die Landwirtschaft vor dem zweiten Weltkrieg symbolisieren, Oldtimer-Fahrzeuge aus dem vorigen Jahrhundert werden an Mobilisierung, Kriegsende und Wirtschaftswunder erinnern. Burghart hofft, dass die Zusammenarbeit das Dorfleben und das Miteinander in der 5.000-Einwohner-Gemeinde stärkt und die Neubürger integriert.

Während die Vorbereitungen dem Elektromeister sicher noch manche schlaflose Nacht bescheren werden, kann sich der Ortschronist entspannt zurücklehnen. Die Festschrift von Willi Kneißl ist bereits in Druck. Der pensionierte Hauptschullehrer hat darin nicht nur die Geschichte der Schenkung vor 1200 Jahren detailliert geschildert, sondern auch manch andere historische Begebenheit erzählt, die er aber noch nicht verraten möchte. Sicher ist, dass das Büchlein bald erworben werden kann. Auch die etwa 70 ovalen Hoftafeln werden gerade angefertigt. Sie enthalten die alten Hofnamen sowie die Jahreszahl der ersten Erwähnung und – dafür habe er gekämpft – die damalige Grundherrschaft. Das waren Adlige, Kirchen oder das Freisinger Domkapitel, denen die Bauern Pacht schuldeten. Die Taferl sollen an den jeweiligen Anwesen angebracht werden. Darunter ist auch der Zehmerhof mit Hofladen neben der Kirche in Gelting – genau jenes Ensemble, dessen urkundliche Erwähnung vor 1200 Jahren heute den Anlass zum Feiern liefert.

Claudia Schmohl

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