Veröffentlicht am 27.08.2013 00:00

Schwabinger Bombe: Wie sieht es ein Jahr danach aus?


Von red
»Wie auf einem Kriegsschauplatz« hat es laut Gabriele Bohlen (kl. Foto) vor einem Jahr nach der Bombenexplosion an der Feilitzschstraße ausgesehen	 – noch heute kämpfen die Anwohner mit Nachwirkungen.	 (Fotos: scy)
»Wie auf einem Kriegsschauplatz« hat es laut Gabriele Bohlen (kl. Foto) vor einem Jahr nach der Bombenexplosion an der Feilitzschstraße ausgesehen – noch heute kämpfen die Anwohner mit Nachwirkungen. (Fotos: scy)
»Wie auf einem Kriegsschauplatz« hat es laut Gabriele Bohlen (kl. Foto) vor einem Jahr nach der Bombenexplosion an der Feilitzschstraße ausgesehen – noch heute kämpfen die Anwohner mit Nachwirkungen. (Fotos: scy)
»Wie auf einem Kriegsschauplatz« hat es laut Gabriele Bohlen (kl. Foto) vor einem Jahr nach der Bombenexplosion an der Feilitzschstraße ausgesehen – noch heute kämpfen die Anwohner mit Nachwirkungen. (Fotos: scy)
»Wie auf einem Kriegsschauplatz« hat es laut Gabriele Bohlen (kl. Foto) vor einem Jahr nach der Bombenexplosion an der Feilitzschstraße ausgesehen – noch heute kämpfen die Anwohner mit Nachwirkungen. (Fotos: scy)

Keine Frage, diese Frau, und man sieht es ihr an, lässt sich so schnell nicht unterkriegen. »Doch das vergangene Jahr hat mich enorm viel an Kraft gekostet«, sagt Gabriele Bohlen und lächelt trotzdem. Dass es in ihrem Modegeschäft an der Feilitzschstraße einmal so aussah »wie auf einem Kriegsschauplatz«, ist heute nicht mehr vorstellbar.

Themenseite zur Fliegerbombe in Schwabing

Schwabing · Bombe aus dem 2. Weltkrieg Themenseite zum Fund, der Sprengung und den Konsequenzen des Blindgängers inmitten dem Viertel Schwabing

Die Sprengung der 250 Kilogramm schweren Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg vor genau einem Jahr hat auch hier eine große Verwüstung hinterlassen – Bohlens Kultladen liegt direkt gegenüber vom Explosionsort. Dort, wo heute wieder Designerklamotten hängen, lagen überall Glasscherben, an den Wänden Rußflecken. »Und dann dieser Gestank, es war furchtbar«, erzählt die Geschäftsfrau.

Doch der Schrecken sei noch nicht vorbei, wie sie sagt: »Heute noch haben wir mit den finanziellen Folgen zu kämpfen.« Und damit ist sie nicht allein. Hans Rickert, Wirt der Kneipe »Zum neuen Hut«, stand ebenfalls vor einem regelrechten Scherbenhaufen: Gläser, Flaschen, Fenster, alles war zu Bruch gegangen. Die Schäden in Höhe von 30.000 Euro beglich die Versicherung nur zum Teil, wie er sagt: In der Regel erfolgen die Zahlungen auf Kulanzbasis, da der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Kriegsfolgeschäden in seinen Musterverträgen ausschließt. Klagen Betroffener kamen etwa auch Stadtrat Richard Quaas zu Ohren, der deshalb vor wenigen Tagen ein Schreiben an Oberbürgermeister Christian Ude formulierte: »Jetzt, nach einem Jahr, ist von Geschädigten zu hören, dass sie sich immer noch mit Versicherungen und Behörden herumschlagen müssen, um wenigstens einen teilweisen Ersatz beziehungsweise eine Beihilfe zu den erlittenen Schäden zu erhalten.« Dabei sei unter dem »frischen Eindruck der Verwüstungen« den Geschädigten unbürokratische Hilfe bei der Beseitigung der Schäden von den Behörden zugesichert worden.

Falsche Versprechungen?

Gabriele Bohlen hatte es sich anders erhofft. »Zunächst wurde uns Glauben gemacht, dass wir im Hinblick auf die Schadensregulierung nicht im Stich gelassen werden, doch letztlich kümmerte sich niemand um uns«, berichtet die Geschäftsinhaberin. Neben den Sachschäden habe sie Umsatzeinbußen und Kundenabwanderungen gehabt, da sie ihren Laden drei Wochen lang schließen musste – die ­Lüftungsanlage war unter anderem kontaminiert. Zudem sei sie auch bei Lieferanten in Misskredit geraten, weil sie die georderte Ware zu Saisonbeginn nicht habe abnehmen können. Doch nicht jeder Geschädigte dürfte Grund zur Klage haben. Zumindest nicht mehr.

Knapp 54.000 Euro Hilfsgelder

Bis Mai 2013 gingen laut Sozialreferat insgesamt 39 Anträge auf Hilfeleistungen ein, die unter Federführung des Sozialreferats und unter ­Beteiligung des Kreisverwaltungsreferats und der Stadtkämmerei geprüft wurden. Davon konnten 32 Anträge als Härtefälle grundsätzlich anerkannt werden. In 26 Fällen wurden Hilfeleistungen in einer Höhe von insgesamt rund 53.500 Euro ausgezahlt.

Die bisherigen Auszahlungen betreffen überwiegend Schäden an Wohnungen und Umsatzausfälle sowie Sachschäden bei Gewerbetreibenden. »Weitere Personen und Unternehmen wurden durch ihre Versicherung entschädigt und haben sich nicht an die Landeshauptstadt München gewandt«, erklärt Frank Boos, Pressesprecher des Sozialreferats.

Doch weder das eine noch das andere gilt für Gabriele Bohlen. Ihre Versicherung habe, wie sie sagt, nur einen Teil der Kosten übernommen. Und mit der Stadt München, insbesondere mit OB Ude habe sie mehrmals versucht, Kontakt aufzunehmen. Vergeblich. »Bereits im Vorzimmer wurde ich abgewimmelt. Ich bin sehr enttäuscht darüber, wie man mit uns umgeht«, sagt sie und kündigt gleichzeitig an: »Ich bleibe weiter am Ball und hoffe immer noch auf ein Entgegenkommen von unserem OB.« Christian Ude stellte am Tag nach der Sprengung vor einem Jahr Hilfe in Aussicht und bekräftigte, dass »die Leute nicht auf ihren Schäden sitzen bleiben würden«. Er schränkte allerdings ein, dass die Haftungsfragen noch geklärt werden müssten. Schon bald wurde öffentlich bekannt, dass eine Haftungsverpflichtung der öffentlichen Hand nicht bestehe, denn Behörden und das beauftragte Unternehmen hätten laut Ude »pflichtgemäß gehandelt und konnten einen drohenden größeren Schaden abwehren«.

Zwei Wochen später hatte die Stadtverwaltung dann einen Kriterienkatalog für Entschädigungszahlungen an betroffene Anwohner und Hausbesitzer festgelegt. Demnach konnte finanzielle Hilfe angefordert werden, wenn die entstandenen Schäden nicht versicherbar waren und wenn Versicherungen nicht auf Kulanzbasis zahlten. Insbesondere soziale Härtefälle wurden besonders berücksichtigt. Doch grundsätzlich: Ein Anspruch auf vollständigen Ausgleich besteht laut Stadtverwaltung nicht.

Klare Regelung muss her

Die Krux an der Sache ist laut Rechtsanwalt Daniel Pflüger, dass vieles gesetzlich nicht oder nur unzureichend geregelt ist. »Es wäre wünschenswert, wenn allgemein in gesetzlicher Form geregelt würde, dass der Freistaat für im Zusammenhang mit Kampfmitteln entstehenden Kosten und auch unverschuldet verursachten Schäden aufkommen muss.« Derzeit sei aber nicht ersichtlich, dass eine solche Regelung geplant wäre.

Sylvie-Sophie Schindler

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