Veröffentlicht am 31.08.2013 00:00

Margarete Bause im Gespräch


Von red

Wie grün wird Bayern werden und was tut die Partei dafür? Margarete Bause, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern, spricht über Wahlziele, mit denen sie die Bürger in Bayern überzeugen möchte.

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Münchner Samstagsblatt: Viele verbinden die Grünen mit Umweltpolitik und Energiewende. Aber Sie können es sich nicht leisten, andere Themen unbesetzt zu lassen, zum Beispiel Bildungspolitik. Wie sieht hier das grüne Konzept aus?

Margarete Bause: Bildung ist für mich eine Herzensangelegenheit und der gleiche Zugang für alle zur Bildung ist eine Gerechtigkeitsfrage. Jedes Kind hat das Recht auf bestmögliche Förderung, egal wo seine Eltern herkommen, wie viel Geld sie verdienen oder welche Ausbildung sie haben. Wir wollen deshalb, das dreigliedrige Schulsystem öffnen für Gemeinschaftsschulen, in denen Kinder auch nach der vierten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Denn durch den Übertritt in der vierten Klasse fallen häufig diejenigen Kinder durch das Raster, die von zuhause aus nicht die Unterstützung haben- wo die Eltern z.B. keine Nachhilfe zahlen können. Und gerade Kinder mit Migrationshintergrund oder solche, die finanziell nicht so gut gestellt sind, haben bislang eben nicht die gleichen Chancen wie die anderen. Oftmals müssen dann schon Kinder mit zehn Jahren die Erfahrung machen, dass sie nicht dazu gehören oder es nicht geschafft haben. Zweiter Punkt ist, dass wir sehr viel mehr gute Ganztagsangebote brauchen, so dass die Kinder in der Schule die individuelle Förderung bekommen, die ihnen zusteht. Eine gute Ganztagsschule heißt für mich, dass Angebote wie Musikinstrumentenunterricht oder sportliche Aktivitäten in der Schule stattfinden und so auch Kinder sie wahrnehmen können, die dazu bislang nicht die Möglichkeit hatten.

Ganztägig gefordert sind die Schüler auch im achtjährigen Gymnasium, allerdings anders. Wie bewerten Sie das?

Bause: Das achtjährige Gymnasium ist seit seiner Einführung ein elender Murks. Jahr für Jahr wird es angeblich wieder optimiert vom Kultusministerium, aber die Klagen haben nicht abgenommen. Fakt ist, dass gerade im Gymnasium zu viele Fächer mit zu viel Druck zu häufig abgeprüft werden. Das Gymnasium braucht daher eine grundlegende Reform. Es ist nicht nötig, dass zum Beispiel 16 Fächer in der zehnten Klasse nebeneinander unterrichtet werden. Das hat überhaupt nichts mit nachhaltigem Lernen zu tun. Das Wort »Bulimie-Lernen« macht schon die Runde: Man frisst sich den Stoff rein, um ihn in der Prüfung von sich zu geben, um dann wieder zu vergessen und das Nächste zu lernen. Was die Kinder wirklich brauchen, ist lernen zu Lernen: Sich neue Sachverhalte schnell aneignen, Dinge bewerten können, problemlösendes Denken. Diese Fähigkeiten sollten sehr viel mehr vermittelt werden. Oder auch selbstständiges Arbeiten, und Arbeiten im Team. Das ist im heutigen Gymnasium viel zu wenig ausgeprägt. Den Wunsch nach Wahlfreiheit zwischen G8 und G 9 werte ich als Hilferuf, als Ausdruck, dass der Druck zu groß ist. Aber das Problem des Gymnasiums liegt nicht darin, ob es acht oder neun Jahre dauert, sondern, dass es was den Lernstoff und die Methodik angeht, nicht auf der Höhe der Zeit ist.

Wie funktioniert Ihr Modell des Gymnasiums, wenn Sie den Klassenverband nach dem vierten Schuljahr behalten wollen?

Bause: Wir möchten das Gymnasium ja nicht abschaffen. Wir möchten, dass die Eltern und Schüler die Freiheit haben, nach der vierten Klasse auf das Gymnasium zu gehen. Wir möchten auch, dass andere, die das zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, dann nicht gleich aufgeteilt werden in Realschule und Hauptschule, sondern das Angebot einer Gemeinschaftsschule nutzen können, wo man dann bis zum mittleren Schulabschluss bleiben kann und dann auf die gymnasiale Oberstufe wechseln kann.

Bildungspolitik greift aber noch früher ein, nämlich bei der Kinderbetreuung. Welches Konzept verfolgen die Grünen hier?

Bause: Vorschulische Bildung ist ganz wichtig für Chancengerechtigkeit, weil viele Grundlagen schon ganz früh gelegt werden. Und deswegen sind wir vehemente Anhänger einer guten frühkindlichen Bildung. Wir möchten, dass da der Qualitätsaspekt mehr in den Mittelpunkt rückt. Gerade auch weil jetzt ja der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kinderkrippenplatz gilt und momentan vor allem auf Quantität geachtet wird. Wir brauchen kleinere Gruppen, mehr Erzieherinnen und Erzieher und wir müssen diesen Beruf auch attraktiver gestalten. Das ist ein unglaublich anspruchsvoller und wichtiger Beruf mit einer langen Ausbildungszeit und dafür ist er deutlich zu schlecht bezahlt. Wenn wir sagen, frühkindliche Bildung ist sehr wichtig, dann müssen wir uns auch überlegen, wie wir das Personal adäquat entlohnen. Das Betreuungsgeld halte ich vor allem deshalb für falsch, weil wir dieses Geld dringend brauchen für eine Qualitätsverbesserung und auch einen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.

Bildungspolitik ist ein Schwerpunkt der Grünen, der andere ist Umwelt- und Energiepolitik. Um die Energiewende ist es leise geworden. Ist das Thema in der Politik noch präsent?

Bause: Die Energiewende ist eine Generationenaufgabe und eine riesige Chance. Wir Grüne stehen dafür seit unserer Gründung und wir haben wichtige Weichen gestellt. Schwarz-Gelb hat die Energiewende lange behindert, sie haben den Ausstieg aus der Atomenergie rückgängig gemacht und dann brauchte es erst Fukushima, bis sie gesagt haben, jetzt machen wir auch die Energiewende. Aber in der Tat, je mehr die Bilder von Fukushima verblassen, desto mehr haben die alten Lobbyisten bei Schwarz-Gelb das Sagen. Das merkt man deutlich. Bis heute gibt es keinen nachvollziehbaren und verlässlichen Plan für die Energiewende und keine Planbarkeit für die Unternehmen und Investoren. Das ist das größte Problem, denn die gesetzlichen Grundlagen ändern sich laufend und die Verunsicherung nimmt zu. Da werden Millionen in den Sand gesetzt, weil sich hopplahopp die Bedingungen ändern und Planungen aufgegeben werden müssen. Seehofer leitet gerade die Kehrtwende bei der Energiewende ein: Zum Einen will er, dass die Abstandsflächen der Windräder das Zehnfache der Höhe der Windräder betragen soll – also zwei Kilometer, was bedeutet, dass man in Bayern faktisch keine Windräder mehr aufstellen kann. Gleichzeitig will er die konventionellen Kraftwerke wieder mehr unterstützen und eine Leistungserhöhung im Atomkraftwerk Gundremmingen. Er hebelt also die Windenergie aus und will mehr Atomstrom. Das zeigt, dass Herr Seehofer nicht begriffen hat, was Energiewende bedeutet, oder dass Lobbyisten der großen Energiekonzerne sich bei ihm durchgesetzt haben.

Problematisch wird es auch dann, wenn alle sagen, wir brauchen die Energiewende und Windkraftanlagen sind toll, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Muss bei den Bürgern auch ein Schalter umgelegt werden? Oder ist die Kritik an der Immissionsbelastung gerechtfertigt?

Bause: Das ist alles Schnee von gestern. Die Windräder der neuen Generation sind mittlerweile sehr leise und auch der sogenannte Diskoeffekt ist technisch gelöst. Ich erleb’ es vor Ort so, dass die allermeisten Menschen der Windenergie sehr positiv gegenüberstehen – nach einer aktuellen Umfrage befürworten 80 Prozent der Menschen in Bayern die Windräder. Sie möchten allerdings frühzeitig in die Planungen miteinbezogen werden und wollen wissen, wo was geplant wird und wie es aussieht. Ich erleb’s auch so von Planern, dass es ihnen ein großes Anliegen ist, die Anlagen im Konsens mit der Bevölkerung zu entwickeln und man auch zu Kompromissen bereit ist. Wenn die Leute aber das Gefühl haben, es gibt Geheimniskrämerei und da ist einer, der nur sein Geschäft machen will und wir werden gar nicht mehr gefragt, dann gibt es Probleme. Deshalb wollen wir eine transparente Ausweisung der Vorranggebiete und eine frühzeitige Veröffentlichung der Planungen.

In Deutschland wird seit Jahrzehnten Atommüll produziert. Der muss langfristig gelagert werden. Würden Sie in einer Regierungsverantwortung auch sagen, wir suchen in Bayern Standorte für Lagerstätten?

Bause: Die gesamte Gesellschaft hat die Hypothek des Atommülls. Wir Grüne waren zwar von Anfang an gegen Atomkraftwerke aber auch wir müssen uns dem Problem stellen: wohin mit dem Müll? Wir haben alle die Verantwortung, so mit dem giftigen Abfall umzugehen, dass wir alles Menschenmögliche für die Sicherheit der zukünftigen Generationen tun. Ich fand es sehr souverän, wie (der baden-württembergische Ministerpräsident) Winfried Kretschmann sich verhalten hat. Er hat erklärt, dass man selbstverständlich auch in Baden-Württemberg untersuchen kann ob die Bedingungen für ein Endlager vorhanden sind. Wenn wir eine unvoreingenommene Suche einleiten nach einem Standort, der die geologischen Voraussetzungen und die größtmögliche Sicherheit hat, dann darf man nicht von Vornherein sagen: hier nicht, da nicht und bei uns schon gleich gar nicht – so wie wir das von der CSU immer wieder hören. Das ist heuchlerisch. Denn politisch trägt gerade die CSU mit ihrer jahrzehntelangen Atompolitik die Verantwortung für den strahlenden Müll.

Am 15. September ist Landtagswahl. Welches Ergebnis erwarten Sie für die Grünen?

Bei der letzten Umfrage lagen wir bei 15 Prozent. Das wäre gigantisch! Bei der Landtagswahl 2008 hatten wir knapp zehn Prozent. Und ich schätze, zwölf bis 15 Prozent, das ist realistisch. Aber wir wissen auch, dass sich die Wähler kurz vor der Wahl entscheiden und irgendein Ereignis die Stimmung noch einmal verändern kann. Deshalb kämpfen wir um jede Stimme bis zur Schließung der Wahllokale.

Von Carsten Clever-Rott

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