Diesen Sonntag, 15. September, findet nicht nur die Wahl zum Landtag und Bezirkstag statt, sondern auch eine Volksabstimmung über fünf Änderungen der Bayerischen Verfassung denn dafür braucht es die Zustimmung der Mehrheit der 9,5 Millionen wahlberechtigten Bürger.
Zuletzt wurde die Bayerische Verfassung vor zehn Jahren geändert. Auch die beiden damaligen Volksentscheide fanden zusammen mit der Landtagswahl und den Bezirkswahlen statt.
Trotzdem ist bei vielen gerade die Überraschung groß: »Ich kenne einige Bürger, die überrascht waren, dass sie auch darüber abstimmen dürfen«, sagt Susanne Socher, Sprecherin von »Mehr Demokratie«, die sich 1995 mit einem Volksbegehren erfolgreich für die Einführung von Bürgerentscheid- und -begehren in Bayern gekämpft haben und politisch neutral sind. Man hätte die Bürger besser informieren können, meint Socher, denn Information und Transparenz seien wichtig für Diskussionen im Vorfeld. Manche Orte wie die Stadt München haben die Gesetzestexte bereits mit dem Wahlschein mitgeschickt, andere wie im Landkreis nicht. »Natürlich kann sich jeder Bürger informieren«, meint Socher, »aber die Verwaltung ist auch gefordert, das hätte man schon bürgerfreundlicher gestalten können, etwa durch die Auflistung von Pro und Contra.
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Das sind die fünf neuen Staatsziele, die künftig Verfassungsrang erhalten sollen:
Die »Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen« soll als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden, und zwar für ganz Bayern, ob Stadt oder Land. Stimmt die Mehrheit der Wähler mit »Ja«, muss der Staat dafür Sorge tragen, dass die Menschen in allen Landesteilen auch die gleichen Chancen für ihre Lebensentwicklung haben: beim Wohnen, bei Bildung, Freizeit oder berufliche Entwicklung. Einen Rechtsanspruch gibt es darauf aber nicht. »Die Förderung des ländlichen Raumes könnte ohne aufwändige und folgenlose Verfassungsänderungen - etwa durch ein sinnvolles LEP (Landesentwicklungsprogramm) erfolgen«, sagt die Vize-Landtagspräsidentin und rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Christine Stahl. Die Grünen haben als einzige Landtagspartei bei der Abstimmung im Juni 2013 alle Verfassungsänderungen abgelehnt. »Es handelt sich um konsequenzlose Programmsätze«, so Stahl, »und nicht um einklagbare Rechtsansprüche. Statt weitere Staatszielbestimmungen in die Verfassung aufzunehmen, wären konkrete Maßnahmen erforderlich«.
Auch bei der »Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl« , die als weiteres Staatsziel neu in die Verfassung aufgenommen werden soll, gilt kein Rechtsanspruch auf eine konkrete, »insbesondere finanzielle Förderung«, so das Gesetz.
Mit der Verfassungsänderung zu den »Angelegenheiten der Europäischen Union« soll die Rolle des Bayerischen Landtags gestärkt werden (etwa ausdrückliche Verankerung von Informationspflichten der Staatsregierung oder Möglichkeit der Bindung der Staatsregierung durch Gesetz, wenn durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union Landeskompetenzen betroffen sind). »Damit wird die Stellung des Bayerischen Landtags im Fall der Übertragung von Landeskompetenzen auf die Europäische Union gegenüber der Bayerischen Staatsregierung entscheidend gestärkt und dabei gleichzeitig der Bevölkerung eine Mitsprachemöglichkeit durch Volksentscheid gegeben«, erklärt der Landtags-Vizepräsident und Rechtsanwalt Reinhold Bocklet (CSU). »Das stärkt die Demokratie im Freistaat im Rahmen der Europäischen Union«. Nach Ansicht von Stahl halten zahlreiche Experten das Gesetz für verfassungswidrig oder zumindest für folgenlos. »Zuständig ist die Bundespolitik, die hierfür das Grundgesetz ändern müsste«. Der von Reinhold Bocklet um ein Gutachten gebetene Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht an der LMU München, Prof. Dr. Rudolf Streinz, widerspricht dagegen dieser Auffassung.
Auch eine »Schuldenbremse« soll in der Bayerischen Verfassung verankert werden. Damit wird, wie schon im Grundgesetz festgelegt, ab 2020 verboten, neue Schulden aufzunehmen (keine Nettokreditaufnahme). Ausnahmen gelten, »um einer negativen konjunkturellen Entwicklung entgegenzuwirken« oder bei Naturkatastrophen und anderen außergewöhnlichen Notsituationen. Auch hier wäre »konkrete Politik notwendig, statt eines weiteren Placebos im Verfassungstext zumal hier bereits die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt«, so Christine Stahl.
Als fünften Punkt soll eine »angemessene Finanzausstattung der Gemeinden« in die Verfassung neu aufgenommen werden.
Ob die Bürger am Sonntag mehrheitlich für oder gegen die Verfassungsänderungen gestimmt haben, wird am Mittwoch, 18. September, bekanntgegeben, so die Bayerische Staatsregierung, da die Wahlämter erst das Ergebnis der Landtagswahl auszählen müssen. Die Gesetze zur Änderung der Verfassung sind angenommen, wenn sie jeweils mehr gültige Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erhalten. Es reicht jeweils die einfache Mehrheit der Stimmen, eine Mindestbeteiligung ist nicht vorgeschrieben. Von Michaela Schmid
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