Die Zeichen für eine Rettung am Harlachinger Tor stehen schlecht: Noch schillert der gelb leuchtende Altbau an der Südwestecke des Tiroler Platzes, der vor 63 Jahren erbaut wurde und Jahrzehntelang vor allem bei den Harlachingern und Giesingern sehr beliebte Café Deml beheimatete.
Eine Grünwalder Immobilienfirma will dort anstelle des heutigen Anwesens ein großes neues Wohnhaus samt Büro- und Ladenflächen etablieren (wir berichteten).
Bereits im Frühjahr dieses Jahres hatte die städtische Lokalbaukommission einen »überwiegend positiven Vorbescheid« erlassen, wie das Planungsreferat auf Anfrage mitteilte. Der Abriss scheint kaum aufzuhalten. Dennoch ist der Widerstand im Stadtteil offenbar nach wie vor ungebrochen. Nachdem bereits im Juni eine »Demo« vor dem Gebäude stattgefunden hatte und Initiatoren jüngst rund 700 Flugblätter pro Erhalt im Umfeld verteilt hatten, machten in der jüngsten Sitzung des örtlichen Bezirksausschusses (BA) Untergiesing-Harlaching erneut Bürger ihrem Ärger über die Abrisspläne Luft. In Angst um ihre liebgewonnenen Siedlungsstrukturen waren sie im BA zahlreich erschienen.
Weiterer Artikel zum Thema
Sehr gut besuchte Bürgerversammlung Untergiesing-Harlaching Artikel vom 20.11.2013: Kampf ums Stadtteilbild im Fokus
Harlaching · Ungewisse Zukunft Artikel vom 10.04.2013: Abriss von Traditionsgebäude?
»Hier wird am Harlachinger Tor ein Ensemble zerstört, das integraler Bestandteil der Gartenstadtstruktur ist«, machte Anwohner und Wortführer Jürgen Zähle deutlich. Der BA schloss sich dieser Einschätzung an. Allerdings betonten mehrere BA-Mitglieder, der Abriss sei nach dem erteilten Vorbescheid wohl nur noch Formsache. Die Bürger wollen sich dennoch nicht geschlagen geben. Mit Wurfblattaktionen und intensiver Aufklärung in der Umgebung wollen Zähle und Co. die Harlachinger noch einmal mobilisieren. Schließlich, das weiß man im BA und das hat sich auch unter den Bürgern längst herumgesprochen, ist die Gartenstadtstruktur in Harlaching und anderen Münchner Stadtteilen nicht nur an Einzelpunkten gefährdet, werden die strukturellen Eingriffe immer heftiger, wird Baurecht angesichts einer liberalen Bauordnung immer extensiver ausgeübt. Durch Groß-Neubaumaßnahmen anstelle vertrauter und gewachsener Strukturen ist längst ein architektonischer Wandel im Großen eingeleitet worden. Längst hat sich eine eigens gegründete Initiative Gartenstadt Harlaching manifestiert, die sich nicht nur mit den baulichen Verwerfungen im eigenen Viertel befasst, sondern auch mit ähnlichen Kooperationen in München intensiv zusammenarbeitet. Die »Demo beim Deml« hatte die Initiative seinerzeit organisiert. Doch trotz massiv geplanter Baumfällungen auf dem Gelände und einer laut Initiativ-Vorsitzendem Johannes Stöckel »überdimensionierten Neubauplanung« deckt sich die Einschätzung des Erhaltungskämpfers mit der des BA: »Nach dem erteilten Vorbescheid wird wohl nichts mehr zu machen sein«, zeigte sich Stöckel in der BA-Sitzung pessimistisch.
Pessimismus
mit viel Ärger
»Mit einer Pseudo-Veranstaltung wie dem Harlachinger Beach« werde vom Deml Abschied genommen, anstelle wirklicher Konzepte zu dessen Erhalt«, wetterte Neubaugegner Zähle mit Blick auf die noch einen Monat laufende Party-Location (wir berichteten) auf dem alten Deml-Gelände. »Profan, nur auf Profit gerichtet«, seien die »geschmacklosen Neubaupläne eine echte Frechheit«, so Zähle. BA-Mitglieder stimmten in diesen Chor wortreich wie deutlich mit ein. »Das Deml-Haus ist ein Denkmal für alle Harlachinger«, mahnte SPD-Mann Helmut Krumbholz. Seine Parteikollegin und SPD-Fraktionssprecherin Christa Knappik ging noch einen deutlichen Schritt weiter: »Hunderte Bürger haben mittlerweile für einen Deml-Haus-Erhalt unterschrieben«, rechnete sie hoch. Der BA könne da auch einiges tun: »Das Gebäude müsste in die Denkmalschutzliste aufgenommen oder wenigstens unter Ensembleschutz gestellt werden«, sah Knappik durchaus noch Rettungs-chancen. »Mit der Nachverdichtung nach dem Strickmuster Deml wird ein ganzes, gewachsenes Stadtviertel Zug um Zug kaputtgemacht«, konstatierte die parteifreie, für die Grünen im BA agierende Vize-Vorsitzende Melly Kieweg. »Dem Wohnungsdruck wird leider alles untergeordnet dafür auch jeglicher Nachverdichtung der Weg bereitet«, schimpfte auch CSU-Fraktionssprecher Andreas Babor. »Im Ergebnis werden immer mehr kleine, traditionsreiche Häuser durch riesige, schmucklose Baukästen ersetzt«, lautete das Fazit des Christsozialen.
Entschlossener
Blick nach vorn
Der BA will sich jedenfalls ebenso wenig geschlagen geben wie die Anwohner selbst. Bei der Stadt will man deshalb gleich auf mehreren Handlungsebenen aktiv werden: So soll geprüft werden, ob mit einem eigenen Bebauungsplan für das Deml-Areal die Vorgaben an den Investor enger geknüpft werden könnten. Zudem will sich das Gremium dafür einsetzen, Denkmal- oder Ensembleschutz für das Areal zu generieren.
Allerdings: Eine derartige Ausweisung hatte die Stadt nach einer ersten Prüfung bereits abgelehnt. Die Menschen im Stadtteil und ihre örtlichen Politik-Vertreter wollen aber den Kampf ums Harlachinger Tor noch nicht so schnell aufgeben.
Harald Hettich