Die Tegernseer Landstraße zwischen der Candidstraße im Süden und der St.-Bonifatiusstraße weiter nördlich ist nicht nur Giesings wichtigster Verkehrsstrang und pulsierende Meile öffentlichen Lebens, der Geschäftswelt und des Gewerbes Die Trasse ist auch ein verkehrliches Nadelöhr erster Güte.
Tegernseer Landstraße
Machbarkeitsstudie Tegernseer Landstraße Themenseite: Planung Tegernseer Landstraße
Über viele Jahre kamen Planungen der Stadt nicht recht voran, diese Zentrumsmeile verkehrlich zu verbessern und auch den potentiellen Quartiersmittelpunkt am Tegernseer Platz städtebaulich aufzuwerten. Ein Komplex an verkehrlichen Problemstellungen und Notwendigkeiten macht Planung hier schwierig. Dennoch: Offensichtlich geht jetzt ein neuer Schub durch die städtischen Planungsbüros. In der letzten Sitzung des örtlichen Bezirksausschusses Obergiesing-Fasangarten präsentierten Vertreter des städtischen Planungsreferates bereits dezidierte Planspiele. Die Reaktion im Stadtteilgremium war durchwachsen. Freude über eine geplante Aufwertung im Obergiesinger Herzland paarte sich mit der Kritik an den wohl unvermeidlichen Verlagerungen von Verkehrsströmen in die Umgebungsstraßen. Auch entlang der Icho- und Silberhornstraße mit der auf einer Art Insel liegenden Ichoschule soll es künftig noch verkehrsreicher werden. »Ein Unding«, schimpfte der Bezirksausschuss (BA) dem auch die Detailpläne zur Entschlackung des nahen Kreuzungsbauwerkes mit Giesinger Berg und Martin-Luther-Straße in der Detailausführung nicht gefallen wollte. Viel Stoff und womöglich Zoff für die Planer und die Stadtteilpolitiker kündigt sich an. Zudem sollen und müssen die Bürger in das Boot geholt werden: für Ende November ist deshalb eine Einwohnerversammlung geplant. Gesprächsstoff wird es genug geben.
2015 soll das Projekt starten
Geht alles klar in Sachen Planung, dann soll seitens des Münchner Stadtrates bereits im kommenden Frühjahr der Grundsatzbeschluss für das Projekt erfolgen. Im Frühjahr 2015 fiele dann der Startschuss für den Baubeginn. Doch das ehrgeizige Projekt droht zu einem schwierigen Spagat zu werden. Das wichtigste Detail ist dabei wohl der Blick auf den Tegernseer Platz. Geplant ist, dort endlich so etwas wie einen Stadtteilmittelpunkt zu schaffen, der nicht wie derzeit noch vor allem vom Verkehr geflutet wird. Christine Weis-Hiller vom Planungsreferat der Stadt konfrontierte den Bezirksausschuss mit einer »Vorzugslösung des Gutachters«. Diese sieht offenbar vor, den Platz zwar nicht gänzlich für den Verkehr zu sperren, wie dies andere Gutachten-Varianten der Machbarkeitsstudie ausgemalt
hatten. Dennoch soll sich Wesentliches ändern: Als verkehrsberuhigter Lieferbereich soll der Platz künftig möglichst nur noch für Geschäftsverkehr offen stehen, innerhalb dessen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 20 Stundenkilometer gedrosselt werden soll. Auch entlang der Tegernseer Landstraße sollen die KfZ-Lenker zwischen der St.-Bonifatius- und der Candidstraße auf nur noch zulässige 30 Stundenkilometern gebremst werden. Zielvorstellung der Planer: Vor allem der aus Süden von Grünwald her nach Giesing einfahrende Verkehrsstrom soll zur Entlastung der Zentrumsmeile vor allem über die Martin-Luther-Straße und den Giesinger Berg umgelenkt werden. Durch die künftig mangelnde Attraktivität einer stark geschwindigkeitsreduzierten Tegernseer Landstraße will man die Autolenker zum Umdenken animieren.
Denn auch auf eine Verengung der Fahrbahn müssen sich die Autofahrer wohl einstellen. Denn nördlich des Tegernseer Platzes soll im Abschnitt zur St.-Bonifatius-Straße jeweils leine Fahrspur wegfallen, um Raum für einen Fahrradweg zu schaffen. Südlich des Platzes sollen die Tramgleise entlang der Tegernseer Landstraße weiter nach Osten verlagert werden, um im Westbereich der Trasse eine Radwegeverbindung entwickeln zu können. Problem: Auch die Silberhornstraße könnte zum Schleichweg mutieren, um von Süden kommend den südlichen Strang der »TeLa« zu umfahren und anschließend wieder nach Obergiesing einzubiegen. Auch die Planer sehen dieses Problem offenbar. Einen prognostizierten Verkehrszuwachs von rund 4.000 Fahrzeugen täglich entlang der Silberhornstraße erwarten die Gutachter und Experten. Entlang der Ichostraße dürften es wohl kaum weniger sein.
Reichlich Kritik im Bezirksausschuss
Doch an diesem Umstand entzündete sich trotz kollektiver Freude über die »Entspannungs-Pläne« am Tegernseer Platz geballte Kritik im Bezirksausschuss. Nachvollziehbarer Grund: im heftig frequentierten Straßendreieck zwischen Icho- und Silberhornstraße liegt auch die Ichoschule samt Tagesstätte. Bereits heute brausen hier rund 6.500 Fahrzeuge pro Tag entlang und protestieren Eltern händeringend für Maßnahmen einer Entzerrung. In der gleichen Sitzung wurde etwa beschlossen, die Schutzgitter vor der Schule zur Abgrenzung gegen den Straßenraum zu verlängern. Diese Verlängerung dürfte bei Umsetzung der aktuellen Pläne wohl noch nötig werden. »Wenn jetzt auch noch ein solcher Verkehrszuwachs kommen soll, ist das nicht mehr nachvollziehbar«, wetterten BA-Fraktionäre wie Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne). »Das ganze Projekt funktioniert doch nur nach dem St.-Florians-Prinzip einer verkehrlichen Umverteilung«, argumentierte CSU-Mandatar Stefan Reinwald in die gleiche Richtung.
»Mehr Verkehr an der Ichostraße ist einfach nicht hinnehmbar im Gegenteil, es muss deutlich weniger werden«, meinte der BA-Kinderbeauftragte und SPD-Lokalpolitiker Klaus Neumann. Das derzeitige Konzept sei eine klare »Fehlplanung« auf Kosten der Schulkinder, so der Tenor im Bezirksausschuss. Bei der Stadt wird der eingangs geschilderte Spagat besonders an dieser Detailplanung deutlich. »Wir können den Verkehr nur umlenken, aber keinesfalls wegzaubern«, zeigte auch Planungsreferats-Vertreterin Weis-Hiller den begrenzten Aktionsradius auf. Während es an einer Stelle besser werde, werde ein anderer Knotenpunkt mehrbelastet. Es dürfte nicht nur eine spannende Einwohnerversammlung im November anstehen. Auch die Reaktion der Nachbarstadtteile könnte hefig ausfallen. Denn von der städtischerseits geplanten Umschwenkung des Verkehrs den Giesinger Berg hinab dürften in erheblichem Maße auch Untergiesing und die Au betroffen sein.
Harald Hettich