Baum um Baum hat er im Visier: Der bis zu vier Zentimeter große Asiatische Laubholzbockkäfer, einer der gefährlichsten Holzschädlinge weltweit, setzt seinen Marsch aus Feldkirchen kommend fort.
Der Asiatische Laubholzbockkäfer
Der Asiatische Laubholzbockkäfer Themenseite zum meldepflichtigen, im Münchner Umland aufgetauchten, asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis, abgekürzt: ALB)
Entlang der Passauer Autobahn mussten auf einem drei Kilometer langen Abschnitt bereits viele Bäume und Sträucher abgesägt, zwei Wäldchen am Feldkirchener Ortsrand gerodet werden. Jetzt ist das Insekt auch ins Gemeindegebiet Haar eingedrungen. Im Ortsteil Ottendichl und in der Salmdorfer Gärtnersiedlung entdeckten Fachleute überwiegend im oberen Drittel befallene Bäume. Fünf Dutzend sind zwischenzeitlich gefällt, gehäckselt und gesondert in geschlossenen Behältern abtransportiert und dann entsorgt worden. Der faule Käfer, der nur wenige Hundert Meter fliegen kann, ist gefräßig, knabbert sich wohl schon seit Jahren langsam Stück für Stück durch. Der Beleg dafür: Es wurden hier Ausbohrlöcher entdeckt, die sich bereits wieder verschließen. Und Untersuchungen in Feldkirchen haben ergeben, dass der Käfer bereits vor etwa zehn Jahren dort gewirkt hat. 2004 war der »unsichtbare Feind« erstmals in Europa, in Braunau am Inn, aufgetaucht.
Die zum zweiten Mal vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg (AELF) jetzt deutlich ausgeweitete Quarantänezone samt Riemer See, Abschnitte des Parks und der Messestadt reicht in Haar von Norden her bis an die S-Bahnlinie heran, umfasst Teile des Isar-Amper-Klinikums Haar I und II. »Auch der Wertstoffhof, wo bislang Material aus Gärten und Grünanlagen hingebracht werden konnte, liegt nun innerhalb der Quarantänezone«, wie Umweltreferent Michael von Ferrari im Gemeinderat erläuterte. Die Fachleute im Rathaus verhandeln deswegen derzeit mit einem Unternehmen, bei dem das gesamte Ast- und Stammmaterial, das nun in Privatgärten anfällt, abgegeben werden kann, gehäckselt und in einer Biomasseanlage verbrannt wird.
Mit dieser Maßnahme soll laut von Ferrari versucht werden, die Ausbreitung einzudämmen und Übergriffe auf Wälder zu vermeiden. Das dürfte aber kaum zu verhindern sein, denn selbst die Baumkletterer, die Fachleute, die die Stämme penibel untersuchen, entdecken gerade mal zwei Drittel der befallenen Bäume. Schon im Oktober 2012, als in Feldkirchen, in einem Garten am Fasanweg, der gefräßige Exot entdeckt worden war vermutlich mit Verpackungsholz in Containern voller Kisten aus China oder Korea zum Güterumschlagbahnhof eingeschleppt , hatte der Umweltreferent erklärt: »Der Käfer ist gefährlich, er befällt nicht nur geschwächte, sondern auch gesunde Bäume.« Ein Förster hatte zudem vor den Dimensionen des Befalls gewarnt, vor Gefahren nicht nur für den Landkreis München, sondern für ganz Bayern. Fakt ist heute: Der Befall im Münchner Osten ist der schlimmste in ganz Europa, die Zeitbombe tickt.
Fatal zum einen ist, dass nicht nur befallene Bäume gefällt werden müssen. In 80 Prozent aller Fälle sind die typischen Hauptwirtsbäume in der näheren Umgebung querbeet Laubbäume wie Birke, Weide, Pappel, Ahorn und Rosskastanie auch betroffen. Eichen und Walnussbäume hingegen blieben bislang weitgehend verschont. Fatal zum zweiten ist, dass Experten wegen des 24-monatigen Entwicklungszyklus des Insekts heuer vermehrten Käferflug erwarten, die Gefahr großflächiger Ausbreitung also wächst.
Wie wird eigentlich ein Baum infiziert? Das Käfer-Weibchen nistet sich in jungen wie alten Laubbäumen ein, gräbt für die Eiablage bis zu einem Zentimeter tiefe Gruben. Nach zwei Wochen schlüpfen die Larven, die sich dann in den Stamm bohren, darin den Saftstrom unterbrechen, wodurch der Baum langsam aber sicher abstirbt. Eine Rettung ist nicht mehr möglich.
Welche Symptome deuten auf einen Befall hin?
Rindenverletzungen mit eventuellem Saftfluss, grobe Bohrspäne am Stammfuß oder in den Astgabeln, große ovale Larvengänge im Holz sowie runde Ausbohrlöcher mit rund zehn Millimeter Durchmesser. Es kann aber auch sein, dass man von außen rein gar nichts erkennt, der Stamm von den Maden aber bereits ganz ausgehöhlt ist.
Wie erkennt man den Schädling?
Ein »erwachsener« Käfer ist 2,5 bis vier Zentimeter groß, hat lange, schwarz-weiß gestreifte Fühler, die schwarzen Flügeldecken weisen unregelmäßige weiße Flecken auf.
Kann man den Schädling bekämpfen?
Einsammeln ist die einzige Möglichkeit ein hoffnungsloses Unterfangen. Der Käfer ist resistent gegen Pestizide, gegen jegliche chemische Keule. Es bleibt einzig das Fällen und die Vernichtung der befallenen und umliegenden Wirtsbäume. Zudem hat laut Experten der Käfer hierzulande wie auch in Asien keine natürlichen Feinde. Das bezweifelte im Haarer Ortsparlament Hans Stießberger: »Dann gäbe es in ganz China keinen Laubbaum mehr.«
Die Folgen für jene Haarer, in deren Gärten Bäume abgeholzt werden mussten oder noch müssen und die Bäume in der Quarantänezone haben, sind weitreichend. Letztere sind verpflichtet, die Stämme regelmäßig nach dem Schädling abzusuchen von April bis Oktober alle vier Wochen. In der Wintermonaten März November bis März reicht eine einmalige Begutachtung.
400, 500 oder mehr Euro kostet je nach Größe das Fällen eines Baums, ohne Entsorgungsaufwendungen. Damit die Betroffenen »sie sind für den Befall ihrer Bäume ja nicht verantwortlich und sie hatten auch keine Chance, diesen zu verhindern«, so Bürgermeister Helmut Dworzak zum Verlust nicht zusätzlich auf den Kosten sitzen bleiben und auch um Verzögerungen bei der Schädlingsbekämpfung zu vermeiden, haben die Lokalpolitiker beschlossen, in Vorleistung zu gehen. Ausgenommen davon sind laut Vorlage aus dem Rathaus Fällungen von Bäumen, »die sich auf reinen Gewerbe- bzw. Firmenflächen oder auf land- und forstwirtschaftlichen Arealen befinden.« Das Kommunalparlament bewilligte einstimmig einen »Topf«, einen außerplanmäßigen Ausgabeposten über 50.000 Euro.
Parallel zu diesem Entscheid beantragte die Verwaltung nach Feldkirchener Muster bei Ministerpräsident Horst Seehofer und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner für die Fäll- und Entsorgungskosten einen Zuschuss bzw. einen Unterstützungsfonds bis dato »ohne konkrete Zusage«, so Dworzak. Zudem läuft über die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ein »Förderbeitrag bei der Europäischen Union, die derartige Bekämpfungsmaßnahmen« unterstützt. ikb