Rund drei Jahrzehnte hat das Hertie-Hochhaus an der Leopoldstraße zu den umstrittensten Gebäuden Münchens gehört. In diesem Jahr hätte der schwarze Glaspalast sein 50. Jubiläum feiern können.
Die Belegschaft der traditionsreichen Kaufhaus-Filiale, die 1992 abgerissen wurde, trifft sich indes noch regelmäßig zum Stammtisch, um sich an die ereignisreichen Zeiten zu erinnern. Denn der monströse Wolkenkratzer war Teil der Schwabinger Kultur, in dem sich die Prominenz des Viertels zum Einkaufen traf.
Als das Hertie-Hochhaus 1964 unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel unweit der Münchner Freiheit erbaut wurde, hagelte es Proteste. Bei den Anwohnern löste der massive, rund 50 Meter hohe Quader einen Eklat aus, Blätter wie »Die Zeit« titelten: »Das Viertel wird kaputt gemacht.« Noch beim Abriss des elfstöckigen Hauses, der 1992 unter anderem wegen des Ablaufs des Erbbaurechts stattfand, war von einer städtebaulichen Reparatur die Rede.
Bei den Münchnern hatte sich das Gebäude aber inzwischen etabliert und zu einem der Wahrzeichen Schwabings entwickelt. »Als das Haus gebaut wurde, haben alle geschimpft und als es dann verschwand, haben alle geweint«, sagt Wolfgang Neumann, der von 1964 bis 1992 leitender Einkäufer der Lebensmittelabteilung in der Filiale war. Das Kaufhaus sei Treffpunkt für zahlreiche Künstler und Schauspieler gewesen, die damals im Viertel gewohnt hätten: »Bei uns sah man zum Beispiel Iris Berben, Uschi Glas, Gert Fröbe, Marianne Sägebrecht und Ruth Maria Kubitschek.« Und der Schimanski-Darsteller Götz George habe in seiner Abteilung regelmäßig Getränke gekauft, Nastassja Kinski sei häufig in der Abteilung für Damenunterwäsche zu Gast gewesen. »Sie kam immer mit ihrer Mutter, die damals in Berlin lebte«, erzählt Inge Zellerer, ehemalige Einkäuferin für Dessous und Miederwaren.
Kaufhäuser hätten zu dieser Zeit ein anderes Image als heutzutage gehabt, erklärt Neumann: »Das war damals noch sehr exklusiv.« Die Hertie-Filiale in Schwabing habe zu den besonders erfolgreichen Häusern gehört. Man habe sogar höhere Umsätze erwirtschaftet als das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Berlin, berichtet Zellerer. Inzwischen ist ein Großteil der Belegschaft bereits in Rente. Aus den Augen verloren haben sich die ehemaligen Mitarbeiter des Kaufhauses aber nicht. Zweimal im Jahr treffen sie sich zum Stammtisch in München, der kürzlich wieder in Großhadern stattfand. Mit dabei sind Manager und Geschäftsführer, Einkäufer und Abteilungsleiter, die für das Ereignis zum Teil weite Strecken zurücklegen. Manche seien sogar aus Frankfurt oder Lörrach angereist, sagt Neumann: »Es war eine wunderbare Zeit, die uns bis heute verbindet.« Julia Stark