»Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen«, meinte vor 100 Jahren der begeisterte Wiesngeher Karl Valentin, der schon mal zu Hause das Gas anließ, während er sich mit seiner Partnerin Liesl Karlstadt lustvoll über die Wiesn stritt.
Münchner Oktoberfest 2014
Oktoberfest 2014 und Oide Wiesn: Termine, Bierpreise und Artikel zur Münchner Wiesn
Und in der Tat gibt es in München wohl kein Thema wie das Oktoberfest, über das jemals mehr gesprochen, geschrieben und gereimt wurde: Das größte Volksfest der Welt, sechs Millionen Besucher, zehn Euro pro Mass und natürlich Gerhard Polts Attacke auf den Geistesmensch. Eigentlich sind wir alle mehr oder weniger Wiesnexperten! Wer kennt zum Beispiel nicht das Springpferdekarussell »Evergreen« der Schaustellerfamilie Ernst? Wohl noch niemand! Das Karussell ist nämlich eines der vielen Neuheiten auf der Wiesn und besonders der Oidn Wiesn, die Oberbürgermeister Dieter Reiter und Wiesn-Chef Josef Schmid am Donnerstag vorstellten. Die Schaustellerfamilie Ernst fand in Vechta eine alte Karussell-Ruine und restaurierte sie in vielen Arbeitsstunden. Das größtenteils aus originalen Teilen um 1900 erbaute historische Fahrgeschäft wurde im Laufe seiner Existenz in Details bereits umgebaut oder ergänzt, so nachweislich in den 1950er Jahren. Alle Pferde stammen aus der berühmten Caroussell-Pferde- und Kunstfiguren-Fabrik Friedrich Heyn, die von 1870 bis 1959 in Neustadt an der Orla bestand.
Auf der Oidn Wiesn lassen sich viele weitere Neuigkeiten entdecken: Eine Schießbude mit mechanischen Scheiben von 1900, ein Dampf betriebenes Märchen-Hängekarussell und Big Bamboo, dem hawaianischen Südseezauber für die ganze Familie. Mit der Oidn Wiesn wurde anlässlich des 200-jährigen Jubiläums 2010 erstmals am Südende der Theresienwiese ein sogenanntes Historisches Oktoberfest auf dem Areal des zentralen Landwirtschaftsfestes gestaltet. Mit Pferderennen, einem Herz-Kasperl-Zelt, historischen Ausstellungen und wirklicher Volksmusik mauserte sich die Oide Wiesn zum Publikumsmagnet und wird nun jährlich veranstaltet. Der Eintritt kostet 3 Euro, Kinder bis 14 Jahre sind frei.
Auch beim wichtigsten Inhalt der Wiesn, dem Bier, gibt es eine Änderung. Genauer mit einem Bierzelt. Der Skandal umwitterte Wiesnwirt Josef Krätz, einer Modekrankheit der Münchner High Society erlegen, verlor wegen Steuerhinterziehung seine Wiesn-Konzession. Deshalb gibt es in diesem Jahr kein Hippodrom mehr auf der Wiesn, sondern einen Marstall. Die Gestaltung der rund 3.500 Sitzplätze fassenden Festhalle »Marstall« von Sabine und Siegfried Able orientiert sich an den prächtigen Festzelten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Oktoberfest standen. Das Thema »Pferd« ist allgegenwärtig. Über dem Eingang thront eine vom Dresdner Figurenbauer Peter Ardelt gestaltete Quadriga. Das Innere schmücken viele nostalgische Prachtpferde. Das Herzstück des Festzelts ist die Musikbühne, welche einem Karussell ähnelt. Dort gibt es ab 12 Uhr bayerische Volksmusik und ab 18.30 Live-Stimmungsmusik mit den Bands »Münchner Zwietracht« und »Die Oberbayern«.
Apropos Bayern. Ist »Paradeisl« die bairische Verniedlichung von Paradies und ist »Pfoad« Mundart für Pferd? Wer es genau wissen und seine Bairischkentnisse testen will, kann sich im Museumzelt auf der Oidn Wiesn einem Sprachtest unterziehen. Neu ist auch der Beginn des Oktoberfests. Nach dem ewigen Anzapfer Christian Ude ist heute zum ersten Mal Dieter Reiter am Schlegel. Ist er aufgeregt? »Ich hab ein wenig geübt und i kann alle beruhigen, des Fassl werd scho aufgehen.« Na, dann: Auf eine friedliche Wiesn! Von Marcus Ullrich