»Das Asylsystem stößt organisatorisch, personell und finanziell an die Grenzen der Belastbarkeit.« Das hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Montag bei der Kabinettssitzung in St. Quirin gesagt und betont, es gelte jetzt, »massiv entgegenzusteuern«.
Seehofer kritisiert einen »massenhaften Asylmissbrauch« von Menschen vom Westbalkan. Sie kommen nach Deutschland, suchen Asyl und stellen entsprechend Anträge. Deren Anteil liege bei 40 Prozent. »Die Anerkennungsquote ist null«, zitiert die Frankfurter Rundschau vom 18. Juli den Ministerpräsidenten. Der Grund dafür ist die Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer, die gegen große Widerstände im Bundesrat durchgebracht wurde. Asylrecht genießen in Deutschland nur politisch Verfolgte oder von Krieg und Gewalt bedrohte Menschen. Armut ist kein Asylgrund. Daher kann bei den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen das beschleunigte Verfahren zur Anwendung kommen, das eine Abschiebung innerhalb von vier Wochen ermöglicht. Bis hierhin kann der Münchner Caritasdirektor Prälat Hans Lindenberger dem Ministerpräsidenten folgen. Auch die Aussage Seehofers, wonach die CSU die Debatte in sachlichem Ton führen wolle und keine Parolen verbreiten dürfe, kann Lindenberger befürworten. Laut FR sagte Seehofer: »Wir wollen die rechten Verführer nicht noch stärken.«
Beschlüsse und Forderungen der CSU
Bayern fordert von der EU Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik
Bedauerlicherweise funktioniert das nicht, wenn man von »massenhaftem Asylmissbrauch« und »rigorosen Maßnahmen« spricht. Eine solche Wortwahl ist Wasser auf die Mühlen der Zuwanderungsgegner.
Die jüngsten Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte in Zossen, Tröglitz und Reichertshofen sind keineswegs durch solche Aussagen motiviert. Zur Deeskalation tragen die Worte allerdings auch nicht bei. Dabei ist die Gesellschaft gespalten, in Deutschland und in Europa.
Während die Bundesregierung innerhalb der EU die Aufnahme von 12.000 weiteren Geflüchteten zusagt, lehnen mehrere osteuropäische EU-Staaten ein weiteres Engagement in dieser Richtung ab. Die Bundesregierung konnte die Zusage aufgrund des Rückhalts eines großen Teils der Bevölkerung machen. Zwar gibt es viele Deutsche, die eine weitere Zuwanderung ablehnen, doch ebenso gibt es viele, die durch ihren Einsatz den Geflüchteten helfen.
25.000 Menschen seien allein 2014 in Bayern angekommen, berichtet Caritasdirektor Lindenberger. »Und die Zahlen steigen«, sagt er voraus. Dieser Zustrom muss bewältigt werden, und zwar einerseits bürokratisch, noch wichtiger aber: gesellschaftlich. »Ich bin sehr froh darüber und auch stolz darauf, dass es nicht zuletzt Christen, christlich motivierte Initiativen und Helferkreise, Pfarrgemeinden und Verbände sind, die sich für Flüchtlinge engagieren.« Die Caritas habe ihre Angebote in der Asylberatung seit Ende 2013 kontinuierlich ausgebaut von 22 auf zunächst 33 Vollzeitstellen. Jetzt sind es bereits 65, Lindenberger erwartet einen Anstieg auf 90.
Die Asylberater seien Ansprechpartner für derzeit 9.000 Geflüchtete. Sie leisten einen Teil zur Integration und damit »zum sozialen Frieden«, wie Lindenberger betont. Dieser soziale Frieden ist massiv gefährdet durch die ablehnende Haltung vieler Menschen gegenüber der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften in ihren Gemeinden.
Das geht so weit, dass in sozialen Netzwerken gezielt Unwahrheiten gestreut werden. Dahinter steckt Angst. Nicht Angst vor Ausländern, sondern Angst vor dem Ungewissen. Weil die Politik den Menschen diese Angst nicht nehmen kann und hier auch vielleicht zu wenige Anstrengungen unternimmt, verbarrikadieren sich ganze Dorfgemeinschaften und verweigern ihre Hilfe.
Den Asylbewerbern helfen neben Sprach- auch Kulturdolmetscher der Caritas dabei, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Es gebe oft überzogene Erwartungen, berichtet Adelheid Utters-Adam, Leiterin der Pressestelle des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. Auch muss jedem klar sein, dass kleinere Verstöße gegen das Gesetz vorkämen. So etwas schürt natürlich die Angst, erregt Aufsehen und verschärft das Misstrauen in der Bevölkerung.
Dennoch hat man es deshalb nicht gleich mit einer Masse notorischer Gesetzesbrecher zu tun. »Die meisten Menschen, die jetzt hierherkommen, sind aus Kriegsgebieten geflüchtet«, erklärt Adelheid Utters-Adam. Allen voran aus dem Bürgerkriegsland Syrien, ebenso aus Irak und Afghanistan und seit etwa zwei Jahren verstärkt aus Eritrea, einem Land, in dem die Menschenrechtssituation als besorgniserregend beschrieben wird.
Diese Menschen seien zu großen Teilen traumatisiert, von Krieg, Gewalt und der Flucht selbst. Unter vielen Forderungen, die die bayerische Staatsregierung an den Bund und die EU stellt, befindet sich auch die, wonach die Außen- und Entwicklungshilfepolitik der EU auf eine Beseitigung der Hauptfluchtursachen in den Herkunftsländern ausgerichtet werden solle. Wer in der Heimat ein menschenwürdiges Leben führen kann, der wird nicht flüchten. Was soll derjenige tun, der flüchtet und dann immer noch kein menschenwürdiges Leben führen kann? Wir haben es in der Hand.