Es knirscht gewaltig im Münchner Rathaus. Grund sind die Äußerungen des zweiten Bürgermeisters Josef Schmid. Er hatte am 11. August verlauten lassen, München sei an der Grenze seiner Aufnahmekapazität für Flüchtlinge angekommen. »Das ist auch ein klarer Hilferuf in Richtung Landes- und vor allem Bundesregierung.«
Damit hat er sich den Unmut des großen Koalitionspartners im Stadtrat, der SPD, zugezogen. Die Sozialdemokraten bestritten die Tragweite der Notsituation und stellten fest, die Stadt sei durchaus in der Lage, die ankommenden Flüchtlinge versorgen zu können.
Inzwischen hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl die Debatte als »Sommertheater« enttarnt und gefordert, die CSU müsse damit aufhören, dieses sensible Thema für eigene Zwecke zu nutzen. Reissl, der selbst innerhalb seiner Partei heftige Kritik für seine am 10. August gemachte Aussage »Nicht jeder ist hier willkommen« hat einstecken müssen, kritisierte die CSU mit den Worten: »Bürgermeister Schmid und seine Kollegen stiften mit ihren Aussagen nichts als Unruhe und Unfrieden.«
Vor allem in der SPD hat der zweite Bürgermeister für Unruhe gesorgt. In der Mitteilung vom 11. August nämlich ließ Schmid wissen, er sei »froh darüber, dass Teile der SPD München das mittlerweile auch so sehen. Da hat offensichtlich ein Lernprozess eingesetzt«. Mit »das« meinte Schmid Forderungen der CSU wie die Ausweitung der Sichere-Drittstaaten-Regelung auf Albanien, Montenegro und Kosovo, ein Überdenken des Verteilschlüssels auf Europa-, Bundes- und Landesebene und ein Überdenken des Asylbewerberleistungsgesetzes hinsichtlich der Umwandlung von Geld- in Sachleistungen.
Die SPD hat ihr Arsenal an Argumenten aufgerüstet und in Richtung der CSU abgefeuert. Das Platzproblem in der Stadt, das Schmid als begrenzte Aufnahmekapazität umschreibt, könnten nach Ansicht der SPD-Fraktion einige CSU-Politiker selbst lösen. So habe der bayerische Heimatminister Markus Söder (CSU) in einem Schreiben an Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Maßnahmenpaket der Staatsregierung angekündigt, um Engpässe bei der Unterbringung von Flüchtlingen besser bewältigen zu können.
Die SPD-Fraktion hat jetzt eine Anfrage im Stadtrat eingebracht, um zu erfahren, ob dieses Maßnahmenpaket in München bereits erste Auswirkungen gezeigt habe. Viel wichtiger aber ist die zweite Frage: »Wurden bereits staatliche Liegenschaften für die Unterbringung von Asylbewerbern vom Freistaat zur Verfügung gestellt?«
Im Grunde eine rhetorische Frage der SPD-Fraktion, die gleichzeitig mit der Anfrage mitteilt: »Nach Informationen der Rathaus-SPD gab es vonseiten des Freistaats bislang kein einziges Areal in der gesamten Stadt, das der Freistaat aktiv angeboten hat, um eine Flüchtlingsunterkunft zu ermöglichen.«
Die Veröffentlichungen, in denen CSU- und SPD-Politiker lieber übereinander anstatt miteinander reden, umfassen noch weitere gegenseitige Vorhaltungen. Und so trifft die Einordnung dieser Debatte, die Alexander Reissl schon vergleichbar früh vorgenommen hat, immer mehr zu. Die Debatte selbst dagegen irritiert und verunsichert die Münchner und kostet Kraft, die anderswo besser eingesetzt werden könnte als darin, dem politischen Gegner vors Schienbein zu treten. Von Carsten Clever-Rott