Veröffentlicht am 26.10.2015 00:00

Bundesinnenminister in Erding: Fragen bleiben offen


Von red

Die Flüchtlingshilfe in Erding organisiert sich anscheinend hauptsächlich über das soziale Netzwerk Facebook. Tagesaktuell wird hier kommuniziert, was gerade gebraucht wird. »Derzeit bitte keine Spielsachen oder Kuscheltiere«, heißt es da, oder auch, dass Wintersachen gefragt sind.

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Asylbewerber in München und im Landkreis

Die Helfer selbst müssen sich aber auch organisieren und fragen über Facebook nach so antiquierten Kommunikationsmitteln wie Faxgeräte – prompt mit Erfolg: »Ich hätt’ eins da!«, postete ein User. Dass auch so simple Dinge wie Büroausstattung auf diesem Weg organisiert werden, wirft ein grelles Licht auf die Lage der Flüchtlingshelfer, die wie viele andere am Limit sind. Die Nerven liegen blank.

Der Aufbau eines »Warteraums Asyl« auf dem Gelände des Fliegerhorstes in Erding lief alles andere als reibungslos. Der Winter kommt, Zelte sind für die (vorübergehende) Unterbringung der Flüchtlinge völlig ungeeignet. Die Bunker aber, in denen die Kampfjets einmal standen, sind beheizbar, lassen sich mit einer Wand nach vorn abtrennen und sogar einigermaßen gemütlich gestalten.

Die Helfer vom Technischen Hilfswerk und vom Roten Kreuz haben es im Rahmen dessen, was möglich ist, geschafft. Und jetzt können sie also kommen, die Flüchtlinge. In den ersten Tagen seit 19. Oktober waren es jeweils nur wenige Hundert, die hier versorgt und auf die Weiterfahrt in einer dauerhafte Unterkunft vorbereitet wurden. Dass es überraschend schleppend anläuft, gibt den vor Ort verantwortlichen Mitarbeitern des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration

eine Atempause. 5.000 Menschen können hier gleichzeitig versorgt, registriert und dann weiterverteilt werden. Sie zu fotografieren ist verboten. Aber 5.000 Menschen, das ist eine Hausnummer und das ganze ist ja keine »Transitzone«, auch wenn entsprechende Gerüchte schon kursieren.

Das war aber die kleinste Irritation, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem Besuch am Samstag, 24. Oktober, ausräumen musste. Zu den Kern-Kritikpunkten bis hin dazu, dass das alles an der bayerischen Landesbauordnung vorbei realisiert worden sei, konnte er nichts sagen. Vielleicht wollte er auch nicht, denn er war eigentlich wegen was ganz anderem da.

Aber vor allem Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) ist sauer. Er berichtete von Strichlisten, die geführt werden: »80 raus und zehn wieder rein. Wo die anderen 70 bleiben weiß kein Mensch.«

Damit aber nicht genug. Seit über einem Jahr trägt der Kreischef mit wachsender Vehemenz sein Anliegen vor, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von Rechts wegen nicht weiter verteilt werden dürfen und somit im Kreis Erding bleiben. Und mit ihnen die mit deren Versorgung verbundenen Kosten. Der Minister reagierte mit deutlicher Ungeduld auf die Kritik. Das hat er gar nicht hören wollen und schon gar nicht aus Unionskreisen.

Aber der Landrat legte schon nach. Was mit den Krankenhauskosten sei, wenn solche anfallen? »Die sind nicht krankenversichert? Wer zahlt? Ich erkläre das meinen Bürgern nicht, dass der Kreis das dann aus dem allgemeinen Haushalt ausgleichen muss.«

Wieder keine Antwort. Einzig die Floskel, dass man darüber reden müsse. »Dann wird sich schon eine Lösung finden.« Es bleibt also bei der »Wir-schaffen-das«-Ideologie der Kanzlerin, aber die Kommunalpolitiker vor Ort haben die Befürchtung, dass das auf ihre Kosten »geschafft« werden soll.

Der Minister wollte diese ganzen kritischen Fragen nicht hören, wollte die Freiwilligen loben, mit ihnen sprechen und das tunlichst ohne die Medienvertreter, die überdies eine neue Bedeutung des Wortes »Warteraum« erlebten: Der Minister war es nämlich, der auf sich hatte warten lassen. Auch auf Antworten zu ihren Fragen mussten die Anwesenden warten. Vergeblich. kw

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