Veröffentlicht am 27.12.2015 00:00

Flüchtlinge trainieren Laufen und eine andere Frauenrolle


Von red
Elisabeth Pfeifer leitete die Lauf-Gruppe für Flüchtlinge. Nächstes Jahr zieht es sie in die USA.	 (Foto: TSV Feldkirchen)
Elisabeth Pfeifer leitete die Lauf-Gruppe für Flüchtlinge. Nächstes Jahr zieht es sie in die USA. (Foto: TSV Feldkirchen)
Elisabeth Pfeifer leitete die Lauf-Gruppe für Flüchtlinge. Nächstes Jahr zieht es sie in die USA. (Foto: TSV Feldkirchen)
Elisabeth Pfeifer leitete die Lauf-Gruppe für Flüchtlinge. Nächstes Jahr zieht es sie in die USA. (Foto: TSV Feldkirchen)
Elisabeth Pfeifer leitete die Lauf-Gruppe für Flüchtlinge. Nächstes Jahr zieht es sie in die USA. (Foto: TSV Feldkirchen)

Seit Herbst diesen Jahres hat das Flüchtlings-Camp« vor der Feuerwehr in Vaterstetten – das »Verdi-Camp« – seine eigene Laufgruppe. Initiatorin und Trainerin ist Lissy Pfeifer, selbst ambitionierte Hobbyläuferin und langjährige Laufgruppenleiterin beim TSV Feldkirchen.

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Asylbewerber in München und im Landkreis

»In den 90-er Jahren habe ich bereits bei der Betreuung bosnischer Flüchtlinge / Kosovaren geholfen, Flüchtlingsarbeit ist mir also bekannt«, erklärt die leidenschaftliche Hobby-Läuferin. »Als dann Arno Weil (Der Koordinator des Flüchtlingscamps, Anm. der Red.) einen Aufruf startete wer möchte mit den Flüchtlingen der Verdistraße Sport machen, war es für mich nur natürlich, das nächste Projekt zu starten, unter der Bedingung dass genügend regelmäßige Teilnehmer sind.« Und dieses mal hat es geklappt. Dafür sorgte auch die anfängliche Motivationsarbeit von Herrn Weil, der die Jungs »heiß gemacht« hat: »Da kommt eine Frau – die macht euch fertig!«

Beim ersten Training nahmen 24 der insgesamt 54 jungen Männer aus dem Camp das Angebot wahr – ausgestattet mit vom TSV Grasbrunn gespendeten Fußballtrikots. Von den eritreischen Renngazellen bis zum Raucher, der nach 500 Metern eine Pause einlegen musste, war jeder motiviert dabei. Nach kurzer Aufwärmrunde standen Liegestützen, fordernde Sprungkraftübungen und Hügelsprints am Abenteuerspielplatz des Freizeitgeländes auf dem Programm – anschließend gab es noch je nach Ausdauer eine drei bis fünf-Kilometer lange Laufrunde und abschließende Dehnübungen, die für viel Gelächter sorgten. Vor dem Training sei sie »schon etwas nervös« gewesen gesteht Pfeifer: »Auch wenn der Kern der Gruppe Eritreer sind, werden die mitlaufenden Syrer oder Schwarzafrikaner immer gerne mitgenommen. Die Jungs sind motiviert und zuverlässig, respektvoll.« Jedoch mangelt es bei Teilnahme an örtlichen Vereinsaktivitäten auf Dauer an Verbindlichkeit seitens der Flüchtlinge, ergänzt Pfeifer.

Spezielle Angebote »nur für Flüchtlinge« seien daher sicher keine wünschenswerte Dauerlösung im Hinblick auf die Integration. »Meiner Meinung nach aber für die Übergangszeit, bis eine Integration in den hier üblichen Alltag erfolgt sind, sinnvoll. Die anfangs nötige Extra-Betreuung, nicht nur in Sachen Sport, zahlt sich meiner Meinung nach langfristig sehr aus.«

Ein erster (Lauf)-Schritt zu einer anderen Sichtweise auf die Rolle von Frauen in unserer Gesellschaft scheint zumindest für die 24 Flüchtlinge im Verdi-Camp gemacht. »Gleichzeitig setzen wir ein Signal gegen Untätigkeit und Lethargie im Flüchtlingsalltag (der Trainingszeitpunkt wurde ganz bewusst auf den Vormittag gelegt), wir holen die Männer aus ihrer Isolation, und bringen ihnen nebenbei noch ein paar Worte Deutsch bei« erklärt der Lager-Koordinator Arno Weil. »Viele der Flüchtlinge sind traumatisiert - sportliche Herausforderungen wie diese lenken Sie zum einen von Ihren fürchterlichen Erlebnissen ab und stärken auf der anderen Seite erneut Ihr Selbstbewusstsein.« Und auch Elisabeth Pfeifer und ihre Mittrainer haben durch ihr Engagement ein »anderen Blick« auf die Flüchtlinge gewonnen: »Für mich ist es schön, dass die anonyme, für den einen oder anderen vielleicht bedrohliche Masse der »Flüchtlinge (schwarzen Männer) im Containerdorf« inzwischen viele Namen und Gesichter hat, auch die, die nicht mitlaufen, kennen mich und grüßen mich auch außerhalb des Camps«, freut sich Pfeiffer. Ihre Erfahrungen seien daher »sehr positiv«.

Seit Ende Oktober findet also ein regelmäßiges Lauftraining (sechs bis zehn Kilometer), aufgelockert durch laufspezifische Technik- und Kraftübungen, Bergsprints und andere Herausforderungen statt. Fest dabei im Trainerteam ist inzwischen auch eine dritte Betreutreuungskraft, Maxi Schwarzbauer.

Es hat sich eine kleinere, stabile Gruppe von fünf bis 15, vornehmlich eritreischen Läufern gebildet, die auch schon an einem Wettkampf teilgenommen haben. So unter anderem beim »Nikolaus-Crosslauf« in Pfaffenhofen. Das Training wird mindestens bis ins neue Jahr wöchentlich mit drei Trainern stattfinden, damit alle Teilnehmer unabhängig von ihren Vorkenntnissen betreut werden können. Als Abschluss ist die gemeinsame Teilnahme am Silvesterlauf in München geplant. Im nächsten Jahr sollen sich die sportlichen Aktivitäten allerdings nicht nur aufs Laufen beschränken: »Die Flüchtlinge haben Schulungen in Sachen Straßenverkehrsordnung von der Polizei Poing erhalten«, erklärt Weil. »Im nächsten Jahr wollen wir dann auch eine Radlgruppe etablieren«.

Mit diesen Maßnahmen sorgen Arno Weil und seine Frau durch quasi Vollzeit-Ehrenamt dafür, dass die sonst übliche Flüchtlingslethargie im Verdicamp weniger um sich greift. Die Lauf-Coaches Lissy Pfeifer, Milan Harnischfeger und Maxi Schwarzbauer würden sich über weitere Unterstützer für das Training (Dienstagvormittag) freuen. Außerdem werden für die Läufer gesucht: wintergeeignete, Laufkleidung (in kleinen bis mittleren Männergrößen- Handschuhe, Stirnbänder, Laufjacken, lange Laufhosen) Interessenten und auch Spender können sich

direkt wenden an Telefon

01 71/ 2 17 99 44. Von Stefan Dohl

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