Veröffentlicht am 01.02.2017 00:00

Bahn will Feldmochinger Kurve ohne Planfeststellungsverfahren umsetzen


Von red
Das Gleis führt entlang der Berberitzenstraße.	 (Foto: ch)
Das Gleis führt entlang der Berberitzenstraße. (Foto: ch)
Das Gleis führt entlang der Berberitzenstraße. (Foto: ch)
Das Gleis führt entlang der Berberitzenstraße. (Foto: ch)
Das Gleis führt entlang der Berberitzenstraße. (Foto: ch)

Zu einer überraschenden Wende kam es nun bei der Feldmochinger Kurve. »Die Deutsche Bahn rückt von ihren bisherigen Zusagen ab und will die Feldmochinger Kurve nun doch ohne Planfeststellungsverfahren umsetzen. Damit zerschlagen sich die Hoffnungen auf ein transparentes Verfahren, in dem die Bürger ihre Forderungen nach Lärmschutz einbringen könnten«, teilte der Aktionskreis contra Bahnlärm München Nord e.V. (A.c.B.) mit.

»Aktionskreis contra Bahnlärm München Nord e.V.«

Aktionskreis contra Bahnlärm von München-Nord nach Feldmoching »Leise Gleise« zum Schutz vor dem Lärm von erhöhtem Zugverkehraufkommen

Die Nachricht wurde den Vorstandsmitgliedern des Aktionskreises, Stefanie Bartle und Richard Pentlehner, bei einem persönlichen Termin mit dem bayerischen Bahnchef Klaus-Dieter Josel mitgeteilt.

Verjährungsfrist gilt hier nicht

Zwischen Weihnachten und Neujahr sei man bei erneuter Prüfung der Aktenlage zu dem Ergebnis gekommen, dass die bereits 1992 erteilte Genehmigung weiterhin Bestand habe, auch wenn seither wesentlich mehr als die zehn Jahre vergangen seien, innerhalb derer eine planfestgestellte Maßnahme nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) umgesetzt werden muss. Laut Rechtsauffassung der Bahn gelten die Verjährungsfristen für diesen Fall nicht, weshalb die Lücke in der Feldmochinger Kurve geschlossen werden solle, sobald die Elektronischen Stellwerke in Milbertshofen und Freimann fertiggestellt sind.

»Die Bahn hat nie – weder gegenüber der Stadt München noch der Bürgerinitiative noch sonstigen Dritten – eine Zusage gegeben, dass ein Planfeststellungsverfahren für die Feldmochinger Kurve durchgeführt werden soll. Denn für die Feldmochinger Kurve liegt bereits seit April 1993 ein gültiger Planfeststellungsbeschluss vor. Wenn jemand anderer Rechtsauffassung ist, sollte er das begründen«, teile ein Bahnsprecher schließlich auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

»Das ist ein Schlag ins Kontor«, kommentierte Richard Pentlehner die von Josel überbrachte Entscheidung. Noch im November sei dem A.c.B. in einem Schreiben von der DB Umwelt Hoffnung auf ein Genehmigungsverfahren gemacht worden. Nun aber teilte der bayerische Bahnchef unmissverständlich mit, dass die Bahn entlang der Strecke keinerlei Lärmschutz umsetzen werde.

Die einzige Entlastung, die die Anwohner erwarten können, sei die in den nächsten Jahren geplante Umrüstung der Güterzüge auf leise Technologien, so die Mitteilung des Aktionskreises. Auch eine Deckelung der Zugzahlen auf die bisher genannten 48 Züge pro Tag werde man nicht zusagen.

Stefanie Bartle ist entsetzt: »Während der Umleitungsphase vergangenen Sommer mussten wir erleben, wie unerträglich es ist, wenn täglich bis zu 90 Güterzüge wenige Meter an unseren Häusern entfernt vorbeirauschen. Selbst bei 48 Zügen pro Tag sprechen wir von einer Verfünffachung im Vergleich zu den 1980er-Jahren und von mehr als doppelt so vielen Zügen im Vergleich zum Jahr 2011. Und das alles ohne Lärmschutz?« Besonders bedauerlich sei für die Anwohner, dass die erneute Prüfung der Rechtslage erst erfolgte, nachdem die Einspruchsfrist im Planfeststellungsverfahren für das Elektronische Stellwerk abgelaufen war.

Auch die Stadt München müsse sich vor den Kopf gestoßen fühlen, so der A.c.B.. Ihr war in einem Schreiben im April 2016 seitens der Bahn mitgeteilt worden, dass die Reaktivierung der Feldmochinger Kurve vom Verfahren für das Elektronische Stellwerk abgekoppelt würde, damit mögliche Verzögerungen beim Genehmigungsverfahren für die Kurve – also die zu erwartenden Proteste der Bürger gegen die Zunahme des Lärms – nicht die Umsetzung des Stellwerks gefährdeten, so die Mitteilung des Aktionskreises weiter. Bartle: »Im Juni hatte die Bahn dann in einem Gespräch den Vertretern der Stadtverwaltung zugesichert, dass es für die Nutzung der Feldmochinger Kurve ein eigenes Planfeststellungsverfahren geben würde. So verkündet es das Planungsreferat auf dem Portal der Stadt München.«

Für das Planungsreferat sei die Kehrtwende der Bahn umso ärgerlicher, als es vor wenigen Tagen mit mehr als eineinhalb Jahren Verspätung die vom Stadtrat geforderte Vorlage zu den Möglichkeiten des Lärmschutzes für die Anlieger bei der Reaktivierung der Feldmochinger Kurve präsentierte.

Darin heißt es: »Damit [mit dem Planfeststellungsverfahren, Anm. d. Red.] wird ein transparentes Verfahren für die Feldmochinger Kurve möglich, in dem im Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner auch die künftige Belastung dieses Gütergleises offengelegt und der Lärmschutz nach den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden muss.« Das Papier endet mit der Schlussforderung, dass die Frage nach Lärmschutzmaßnahmen erst im Zuge des Genehmigungsverfahrens gestellt werden könne, in das sich die Stadt München entsprechend einbringen werde. Kurz nach Erstellung ist diese Vorlage der Stadtverwaltung, deren Erstellung sich aufgrund »langwieriger Abstimmungen mit der Deutschen Bahn AG« so lange verzögert hatte, bereits hinfällig geworden.

Viele betroffene Häuser nach 1974 gebaut

Der A.c.B. und die von ihm vertretenen Anwohner hoffen auf tatkräftige Unterstützung durch die Politik. Bisher habe sich die Stadt München als nicht zuständig erklärt und für jeden Lärmschutz auf die Bahn als den Verursacher verwiesen. Auch auf das freiwillige Lärmsanierungsprogramm des Bundes können die Anlieger in naher Zukunft nicht hoffen, da jenes Gebiete mit Gebäuden begünstige, die vor 1974 erbaut wurden. Der überwiegende Teil der betroffenen Häuser sei jedoch jünger. »Ich verstehe nicht, dass die Stadt München massenhaft neue Wohngebiete ausweist entlang dieser bis vor wenigen Jahren kaum befahrenen Bahnstrecke ohne jeden Lärmschutz, sich dann aber für nicht zuständig erklärt, wenn die Zugzahlen massiv steigen«, kommentiert Bartle. »Wir sind alle hierher gezogen im Vertrauen, dass es sich um ein nahezu stillgelegtes Gleis handelt.«

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer, mit dessen Hilfe das Treffen zwischen dem A.c.B. und der Bahn zustande gekommen war, will sich auf jeden Fall in Berlin für die Lerchenauer und Feldmochinger Bürger einsetzen.

Wann könnte das Gleis reaktiviert werden?

»Es müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit auf der Feldmochinger Kurve zukünftig auch Güterzüge fahren können: Die vorhandene alte Stellwerkstechnik muss modernisiert werden«, so der Bahnsprecher weiter. Dazu hat die Bahn einen Planfeststellungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) eingereicht für ein neues Elektronisches Stellwerk (ESTW). Die Feldmochinger Kurve sei darin nicht enthalten. Abhängig vom Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses rechnet die Bahn mit einer Inbetriebnahme der neuen ESTW-Technik nicht vor Herbst 2021.

Der angrenzende Bahnübergang Wilhelmine-Reichard-Straße müsse eine neue Sicherungsanlage bekommen oder durch eine Straßenunterführung ersetzt werden. Auch dazu sei ein Planrechtsverfahren beim EBA notwendig.

»Sobald die Bahn sich für eine der beiden Varianten entschieden und die entsprechenden Genehmigungsplanungen erarbeitet hat, wird sie diese beim EBA einreichen. Unabhängig vom Ausgang des zweiten Verfahrens für den Bahnübergang wird die Feldmochinger Kurve nicht vor Inbetriebnahme der ESTW-Technik, und damit frühestens im Herbst 2021 in Betrieb genommen werden können.« Christine Henze

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