Der TSV 1860 München steht nach seinem aufsehenerregenden Absturz in die Regionalliga Bayern vor einem Neubeginn unter dem Dach des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV). Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit BFV-Präsident Dr. Rainer Koch über Vergangenheit und Zukunft der Löwen.
Herr Dr. Koch, im Jahr 2011 fürchtete man bei der ausgegliederten Profi-Fußballgesellschaft des TSV 1860 München den finanziellen Zusammenbruch und den Sturz in den Amateurfußball. Als Rettung erschien den damaligen Klubverantwortlichen der Verkauf von Aktien an das in Dubai ansässige Unternehmen HAM International Limited des jordanischen Investors Hasan Ismaik. Für angeblich 18 Millionen Euro erwarb das Unternehmen 60 Prozent der Anteile. Im Lauf der Zeit kamen weitere Millionen in Form von Darlehen hinzu. Die vorgeschriebene Stimmenmehrheit hält der eingetragene Verein über eine GmbH als Komplementär der Profi-Fußballgesellschaft. Wäre der TSV 1860 München seinerzeit tatsächlich bei einem möglichen Neuanfang im Amateurfußball wie verschiedentlich kolportiert bis hinunter in die C-Klasse gefallen?
Das kann man nicht so einfach sagen, weil in so einer Situation immer mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Die Zweite Mannschaft des TSV 1860 hat damals ja in der Regionalliga Süd gespielt. Insofern hätten wir sicher geprüft, ob ein Neustart auf dieser Ebene, also in der 4. Liga, oder darunter in der Bayernliga möglich gewesen wäre.
Ich finde aber, wir sollten nach vorne schauen. Es geht bei den Löwen aktuell darum, wieder wirtschaftlich geordnete Verhältnisse und Prozesse herzustellen. Da sind die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht worden. Auch sportlich ist der Start in die Regionalliga Bayern geglückt. Das stimmt mich optimistisch.
Am Ende einer turbulenten Zeit voller Verwerfungen, in der der TSV 1860 München seinen Investor zuletzt mit teuren Transfers und einer Aufsehen erregenden Hire-and-Fire-Personalpolitik schalten und walten ließ, stand der sportliche Abstieg aus der Zweiten Liga. Weil der Investor zum Stichtag keine finanziellen Mittel mehr für den Spielbetrieb in der Dritten Liga zur Verfügung stellen konnte oder wollte, folgte der Gang in die Regionalliga Bayern. Ist die schwierige Liaison zwischen den Löwen und ihrem Investor ein abschreckendes Beispiel und deshalb schlagendes Argument für die 50+1-Regel im deutschen Fußball?
Ich habe hier eine klare Meinung, und zwar unabhängig vom TSV 1860 München. Ich stehe zur 50+1-Regel und bin absolut dafür, dass die zentralen Entscheidungen weiter durch die eingetragenen Vereine getroffen werden. Einen Spielbetrieb, in dem wir irgendwann Firmen-Meisterschaften austragen, finde ich nicht erstrebenswert. Trotzdem weiß ich: Moderner Fußball ist ohne Sponsoren und gerne auch ohne Investoren nicht möglich und auch nicht vorstellbar. Ich bin kein Fußball-Romantiker, der die Augen vor der Realität verschließt.
Die nur in Deutschland angewandte 50+1-Regelung soll verhindern, dass Investoren die Macht in den Klubs übernehmen. Faktisch besaß Hasan Ismaik jedoch bereits alle Gewalt beim TSV 1860 München, weil ein Großteil der für den Fortbestand der Profi-Fußballgesellschaft erforderlichen finanziellen Mittel in den vergangenen sechs Jahren von seinem Unternehmen als Darlehen zur Verfügung gestellt wurde. Ist bei dieser Form der offensichtlichen finanziellen Abhängigkeit die 50+1-Regel nicht ein reines Feigenblatt?
Dass ein Investor, der finanzielle Mittel in einen Verein einbringt, auch Mitsprache-Rechte haben will, ist nachvollziehbar und auch nicht verwerflich. Aber die zentralen Entscheidungen müssen durch die eingetragenen Vereine, die Mutter-Vereine, getroffen werden. Das ist auch beim TSV 1860 München der Fall. Kritisch hinterfragen sollte man allerdings, wenn immer neue Darlehen nur deshalb gegeben werden, um immer neue vom Investor vorgeschriebene Investitionen zu tätigen.
Nachdem Sechzigs Investor Hasan Ismaik jahrelang öffentlich versichert hatte, sich an die gültige 50+1-Regel im deutschen Fußball halten zu wollen, hat er nun Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Damit will er offenbar neben der de facto bereits bestehenden Beherrschung auch die formale Kontrolle über die Profi-Fußballgesellschaft des TSV 1860 München erlangen. Sein Fall könnte Rechtsgeschichte schreiben. Manche Sachverständige gehen von einer unerlaubten Investorenbeschränkung durch 50+1 und dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus.
Ich habe die Worte von Herrn Ismaik zur Kenntnis genommen, aber seine Beschwerde gegen 50+1 hat nichts mit dem BFV oder der Regionalliga Bayern zu tun. Mitglied im Bayerischen Fußball-Verband ist nicht die Kapitalgesellschaft, sondern der TSV 1860 München e.V. und dieser akzeptiert als solches unsere Regularien. Und das tut übrigens auch die KGaA. Sowohl Herr Power, damals noch für die Zweite Mannschaft, als auch Herr Fauser haben den Regionalliga-Zulassungsvertrag unterschrieben. Insofern müssten Sie Herrn Ismaik die Frage stellen, auf was er klagen und wen er verklagen will.
Nachdem der TSV 1860 München wegen seiner finanziellen Probleme zwangsweise abstieg, startet der Klub einen Neubeginn in der Regionalliga Bayern und kehrt in die Traditionsspielstätte Grünwalder Stadion zurück, wo er auch im Falle des Aufstiegs in die Dritte Liga antreten will. Nach der abgewendeten drohenden Insolvenz der Profi-Fußballtochter möchte man wieder für sportliche Schlagzeilen sorgen. Wie haben Sie den Umgang der Klubverantwortlichen mit der Situation in den vergangenen Wochen erlebt?
Wir hatten sehr engen Kontakt und stehen weiter im regelmäßigen Austausch. Mein Eindruck ist: Alle, allen voran Herr Reisinger und Herr Fauser, arbeiten mit großem Engagement an einer guten Zukunft für die Löwen. Und natürlich versuchen wir, dem TSV 1860 München in der schwierigen Situation zu helfen, genau wie wir es auch für unsere anderen 4600 Vereine in Bayern tun würden. Ich wünsche mir, dass man den handelnden Personen Vertrauen schenkt und sie in Ruhe arbeiten lässt.
Interview: Alfons Seeler
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