Vor 45 Jahren sagte der damalige Münchner Polizeipräsident Manfred Schreiber zu Ankie Spitzer, sie, als Israelis, hätten den Terror nach München gebracht.
In Gedenken an die Opfer des Olympia-Attentats 1972 Themenseite zur Entwicklung der Gedenkstätte im Olympiapark München
Das saß, hatte die junge Mutter doch kurz zuvor ihren erst 27-jährigen Ehemann André, Fechter in der israelischen Olympiamannschaft, verloren. Er war, wie elf weitere Menschen, dem antisemitisch motivierten Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft zum Opfer gefallen. Für die Sicherheit der Sportler hätte Schreiber als Ordnungsbeauftragter der Olympischen Spiele 1972 sorgen sollen, auch Erfahrungen im Umgang mit Geiselnahmen hatte dieser bereits ein Jahr zuvor bei einem Banküberfall in der Prinzregentenstraße gesammelt. Die arrogante Haltung des ehemaligen Polizeipräsidenten schockiert bis heute.
Nun, fast ein halbes Jahrhundert später, herrscht unter den politisch Verantwortlichen ein anderer Geist. Während eines Israelbesuchs kündigte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer an, einen Erinnerungsort zu Ehren der Opfer des Olympia-Attentats zu errichten. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Bei einem Gedenkakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Israels Staatspräsident Reuven Rivlin wurde der Erinnerungsort im Olympiapark nun vergangenen Mittwoch den Hinterbliebenen und der Öffentlichkeit übergeben.
Ankie Spitzer ist sichtlich berührt: »Heute sehen sie mich zum ersten Mal lächelnd in München«, sagte sie der bei der Eröffnungsfeier versammelten Presse. Sie dankte nicht nur Kultusminister Ludwig Spaenle dafür, dass er sich für die Errichtung des Erinnerungsortes trotz aller Widerstände unermüdlich stark gemacht habe und für sie und die anderen Familien der Angehörigen während dieser Zeit immer da war. Sie lud auch die Anwohner dazu ein, ihren Kindern hier, vor Ort, zu zeigen, was bei ihnen direkt um die Ecke vor 45 Jahren geschehen ist.
Düsteres Kapitel der Stadtgeschichte
Denn der Erinnerungsort am Kolehmainenweg im Olympiapark ist ein selbstkritischer Gedenkort. Er verweist auf eines der traurigsten Kapitel des olympischen Dorfs, das gleich am Anfang seiner Geschichte steht. Er will den Menschen, die dem Terrorakt zum Opfer fielen, wieder ein Gesicht geben. Sie und ihre Biografien stehen im Mittelpunkt.
»Viel zu lange sind die Opfer in der öffentlichen Wahrnehmung hinter den Tätern verblasst«, gab Bundespräsident Steinmeier bei der Eröffnungsfeier zu. Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter erklärte, dass der brutale Anschlag auf die Mannschaft Israels in München nun noch deutlicher erinnert werde, als das bisher geschah. »Der Erinnerungsort wird dafür sorgen, dass dieses Attentat im kollektiven Gedächtnis bleibt. Er soll zeigen: Die Opfer sind nicht vergessen. Er soll die Erinnerung wach halten und ein Zeichen setzen, ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit.«
Mit dem Erinnern tat man sich in der Vergangenheit schwer: Wenige Monate nach der Tat wurde zwar eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer vor dem Haus an der Connollystraße, in dem die Sportler als Geiseln genommen wurden, angebracht. 1995 folgte ein weiterer Gedenkstein in Form eines Quaders des Bildhauers Fritz Koenig am Fuße einer Verstrebung des Zeltdachs des Olympiastadions. Beide steinernen Zeugnisse des Gedenkens führen nur die Namen der Ermordeten auf. Mehr erfährt man hier nicht. Für geschichtliche Laien, die ihnen im öffentlichen Raum begegnen, sind sie schwer bis kaum verständlich.
Ziel der nun geschaffenen Erinnerungsstätte ist, informativer zu sein; damit man versteht, was Terror konkret und im Einzelfall für die betroffenen Familien bedeutet. Und von ihm soll eine Botschaft für die ganze Welt ausgehen: Wir stehen vereint gegen derartig grausame Taten. Ministerpräsident Horst Seehofer betonte daher bei der Eröffnung, dass Erinnern immer mit Verantwortung einher gehe: mit der Verpflichtung und dem Auftrag, sich gemeinsam stark zu machen für die Freundschaft unter den Völkern, gegen Hass und Terror. »Das sind wir vor allem den Opfern vom September 1972 schuldig«, lautete sein Appell für mehr Mitmenschlichkeit. »Das Massaker von München war ein Einschnitt in unsere Stadt, in unser Land, für uns alle«, so Seehofer. Schließlich waren die ermordeten Sportler nicht nur Söhne des Staates Israel, sie waren Kinder der olympischen Familie.
Der Erinnerungsort, der der Toten würdig gedenken soll, kommt spät. Der jungen Bundesrepublik war 1972 die Sicherheit der Sportler während der Olympischen Sommerspiele anvertraut. Sie zu gewährleisten, gelang ihr nicht. Fast die Hälfte der israelischen Mannschaft kehrte in Särgen in die Heimat zurück. So die Kurzfassung einer Tragödie, die viele, mitunter erschreckende Facetten hat. Wer sich selbst ein Bild von den Geschehnissen damals im olympischen Dorf und in Fürstenfeldbruck machen will, findet nun einen Ausgangspunkt hierfür gleich um die Ecke, im Olympiapark. Katja Brenner