Die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) schuf überraschend schnell Klarheit in einer wirtschaftspolitischen Frage, die Vereine, Fans und Investoren stark bewegt. Eine Mehrheit der 36 Klubs der Ersten und Zweiten Bundesliga stimmte für die Beibehaltung der 50+1-Regelung im Deutschen Fußball. Lobbyisten kämpfen seit Jahren mit großem Aufwand für ihre Abschaffung oder mindestens eine Reform. Ihnen gilt die Klausel als Hemmnis im nationalen und internationalen Wettbewerb.
Beobachter waren zunächst davon ausgegangen, die Klubvertreter würden sich auf ihrer jüngsten Tagung über die weitere Vorgehensweise in der Frage lediglich beraten wollen. Stattdessen stellte der Zweitligist FC St. Pauli einen Antrag mit dem Titel »Prozess zur Verbesserung der Rechtssicherheit sowie weitere Überlegungen hinsichtlich geänderter Rahmenbedingungen unter Beibehaltung der 50+1-Regel« zur Abstimmung, der mehrheitlich angenommen wurde. Die Regelung besagt, dass Investoren in Deutschland nur die stimmberechtigte Mehrheit an einem Klub erwerben können, wenn sie diesen mehr als 20 Jahre lang »ununterbrochen« und »erheblich« gefördert haben. Das ist bislang bei den Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg sowie bei der TSG Hoffenheim der Fall.
Zehntausende Fans in zahlreichen Stadien hatten zuletzt über Monate gegen die diskutierte mögliche Abschaffung der Beschränkung protestiert. Vertreter der Faninitiative »50+1 bleibt« überreichten DFL-Präsident Reinhard Rauball kurz vor der Versammlung eine von mehr als 3.000 Fanklubs und Fanverbänden in Deutschland unterzeichnete Petition für den Erhalt. Auch 98 Fanvereinigungen des Investorenklubs TSV 1860 München befinden sich darunter. »Das ist ein tolles Zeichen und ein guter Tag für alle, die es gut mit dem Fußball meinen«, erklärte St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig nach der Abstimmung: Das Signal sei wichtig. »Allerdings dürfen wir jetzt nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müssen größere Rechtssicherheit bekommen.«
Empört über den Ausgang der Abstimmung zeigte sich Karl-Heinz Rummenigge. Gegenüber dem »Kicker« sagte der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, er vermisse »Visionen« und habe sich »geistig ein Stück von der DFL verabschiedet«. Der frühere Vorsitzende der European Club Association (2008 bis 2017), einer Interessenvertretung der europäischen Spitzenklubs, hatte sich einen anderen Verlauf der DFL-Versammlung gewünscht. Seiner Ansicht nach solle jeder Verein selbst entscheiden dürfen, ob er Investoren das Sagen einräumt oder nicht.
Die unerwartete Offensive des FC St. Pauli wurde von Rummenigge heftig kritisiert: »Es befremdet mich, dass ein Zweitligist, der meines Wissens nach noch nie in einem internationalen Wettbewerb mitgespielt hat, auf einmal nicht nur eine so prominente, sondern auch dominierende Rolle einnimmt.« Mit Sarkasmus reagierte Rettig auf die öffentliche Missbilligung. »Rummenigge war ein erstklassiger Stürmer«, lautete die kurze Stellungnahme des früheren DFL-Geschäftsführers (2013 bis 2015) via Twitter.
Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer machte während seiner Zeit als Geschäftsführer beim TSV 1860 München (2010 bis 2013) Erfahrungen mit dem dortigen Investor Hasan Ismaik. In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung schildert er: »Ich habe gesehen, was passiert, wenn unterschiedliche Kulturen und falsche Erwartungshaltungen aufeinander treffen. Und wenn der sportliche Misserfolg die persönliche Reputation aus Sicht des Investors gefährdet, kann es ständige Strategiewechsel geben.« Seine Lehre daraus sei, dass man sich als Verein nicht in völlige Abhängigkeit begeben dürfe. Der TSV 1860 habe für seine Ungeduld am Ende »in jeder Hinsicht teuer bezahlt«.
(as)