Bohrende Fragen, eine Menge Probleme aber gleichzeitig ganz viele Vorschläge, Ideen und Pläne. Auch der Münchner Norden kommt an den großen Herausforderungen, vor denen die gesamte Gesellschaft steht, nicht vorbei. Lösungen sind jedoch noch nicht in Sicht. Politischer Schwerpunkt zu Jahresbeginn war schließlich ein brandheißes Thema, das selbst jetzt noch im Argen liegt: Bildung.
Jahresrückblicke der Münchner Wochenanzeiger
Themenseite Jahresrückblicke : Jahresrückblicke für alle Bewohner der Stadtviertel im Verteilungsbereich der Münchner Wochenanzeiger
Fernab von PISA und G8 stand zunächst jedoch die Erwachsenenbildung auf der Kippe. So sah sich die MVHS schon im Januar durch Einsparungspläne der CSU im Rahmen der Haushaltskonsolidierung in ihrer Existenz gefährdet. Schützenhilfe kam zunächst noch von der Landkreis-Vhs, wenig später zogen Landesverband und Landtagsopposition nach. Immer größer wurde die Lobby der Sparkritiker, bis die Landesregierung ihre Budgetkürzung schließlich verwarf.
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Nur ein bisschen abgerückt von der ursprünglichen Idee war Vernor Muñoz Villalobos, seines Zeichens UN-Sonderberichterstatter. Er war im Rahmen einer Deutschlandreise überraschend in Milbertshofen zu Gast. Bewaffnet mit einer Generaleinladung und einem Haufen beklemmender Fragen (»Denken Sie, dass eher Kinder reicher Eltern aufs Gymnasium gehen?«) besuchte er zunächst die Grundschule an der Hanselmannstraße um dann seinen Plan zu ändern. Muñoz zog nur wenige Meter weiter in die Hauptschule an der Schleißheimer Straße. Verschlossene Türen, Lehrkräfte in Erklärungsnot, Einblicke in die Förderarbeit der Praxisklasse und entwaffnende Bekenntnisse der Schulleitung (»Wir leisten hier Basisarbeit!«) bestimmten das Bild. Zum Abschluss seiner Bildungsreise stellte Muñoz eine erschreckende Diagnose: Die Chance auf gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle Schichten sei in Deutschland nicht mehr gewährleistet.
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Es gab freilich auch gute Nachrichten. Am meisten durfte sich im Sommer die CSU freuen. Nicht nur, weil WM und Papstbesuch halfen peinliche Ausrutscher des Umweltministeriums vergessen zu machen, die bei Vogelgrippe und Braunbär-Abschuss noch kräftig am Image zehrten. In Sachen Umweltpolitik gelang ein schöner Coup für den Münchner Norden: Die Fröttmaninger Heide ist vom Bundesverteidigungsministerium zum Verkauf freigegeben und soll bereits im Januar an den Heideflächenverein gehen. Damit steht der Erschließung als Naherholungsgebiet nichts mehr im Wege.
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So wies aussieht steht nicht einmal ein Kunstpark-Nord im Weg. Geschweige denn in Sichtweite. Das Projekt ist vom Tisch.
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Ein Projekt ganz anderer Tragweite steht dagegen erst noch bevor. Das wohl rissigste Fabelwesen des Münchner Nordens, der Tatzelwurm, soll in den nächsten Jahren generalsaniert werden. In einem logistischen und baulichen Kraftakt, wie ihn die Autobahn A9 so auch noch nicht erlebt hat, soll die fast 40 Jahre alte, schwer baufällige Brücke komplett ab und wieder aufgebaut werden. Das hat weitreichende Konsequenzen vor allem für die Freimanner Straßen. Dort wird mit einer Mehrbelastung von bis zu 8-fachem Verkehrsaufkommen gerechnet.
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Ein anderer Staupunkt des Münchner Nordens bleibt weiterhin in seiner Form bestehen und das ist gut so. Am S-Bahnhof Fasanerie wollte die Deutsche Bahn von der Voll- auf eine Halb-Beschrankung umstellen. »Ein Unding«, meinte der BA 24 (Feldmoching-Hasenbergl) und stemmte sich erfolgreich geschlossen gegen die sicherheitsgefährdende Einsparungsmaßnahme.
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In Geschlossenheit übte sich auch der BA 11 (Milbertshofen-Am Hart). Zähneknirschend aber einstimmig beschlossen sie ein gemeinschaftliches Konzept für die Umgestaltung des Keferloher Platzes.
Alles sauber geregelt, möchte man meinen. In Milbertshofen steht das Kulturhaus, in Freimann die Mohr-Villa nur im Hasenbergl, da wo Kultur keine eigene Hausnummer hat, ists mit den Veranstaltungen so eine Sache. Da gibt es keinen Durchschnitt, da fehlt das Mittelmaß, da heißt es Top oder Flop. Knallhart. Ein durchwachsenes Jahr.
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Tiptop kommt er seit heuer daher, der neu geschaffene Veranstaltungskalender für das Hasenbergl. Förmlich als Stadtteilführer für die Westentasche konzipiert ist er der Versuch, das ganze Hasenbergl als einzigen Veranstaltungsort in Pastellfarben anzupreisen.
Zugleich ist das Heftchen jedoch auch ein mutiger Schritt: »Schaut her, es tut sich was!«, lautete die unmissverständliche Botschaft. Schließlich ist die Broschüre die erste Errungenschaft des neu formierten AK Kultur im Rahmen der selbstverwalteten Stadtteilarbeit.
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Die anderen Arbeitskreise im Hasenbergl haben im Laufe des Jahres nachgezogen. Hartz IV-Messe, Gewerbeverein und gemeinsame Image-Kampagnen machen neugierig auf das weitere Schaffen der ehrenamtlichen Gruppen auch wenn nicht alles gleich von Erfolg gekrönt ist.
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Vom Erfolg schier überrumpelt wurde heuer die Mohr-Villa. Die Vernissage der Fußballausstellung »FFF Freimann, Fröttmaning, Fußball« kurz vor Anpfiff der Fußball-WM verbreitete schon echte Stadion-Atmosphäre: Im Umkreis von einigen Kilometern gabs keinen Parkplatz mehr, geschäftiges Fachsimpeln auf den Gängen, ungläubiges Staunen im Publikum, Schlange stehen vor jeder Kurve die Vernissage brachte die Mohr-Villa fast zum Bersten.
War aber auch eine Klasse für sich, diese Ausstellung. Riesige Beton-Fußbälle zum Nassmachen (erster Preis beim Kunstwettbewerb), tiefschürfende Gesellschaftskritische Texte über Fußball und Liebe (Sonderpreis), mit Bundesliga-Parolen beschmierte Anzüge (der Hamburger Aktionskünstler Dennis Pahl zog alle Blicke auf sich) und Kunstfilme in denen Schatten gegen Schatten antreten ohne es zu ahnen setzte die Mohr-Villa mit »FFF« einen Vorboten zu dem Sportereignis vor der Haustür, dass die gesamte Euphorie und Faszination der nachfolgenden Wochen in Wort und Bild bereits vor dem ersten Tor vorwegnahm.
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Weggenommen worden wäre den Milbertshofenern beinahe ein echter Schatz. Die Grabsteine der Keferloher, mindestens 500 Jahre alt, waren in den Wirren der Nachkriegszeit bereits auf den Laster Richtung London geladen, als ein Deutscher Heimatpfleger sich für den Verbleib der Grabsteine stark machte. Diese und ähnliche Anekdoten hatte Anton Peter vom Förderverein Alter St. Georg auf Lager, als er die Grabplatten nach zweijähriger Restauration wieder in ihrer Heimat, der Alten St. Georgskirche, ausstellen konnte. Gerade rechtzeitig, denn für die bevorstehenden Jubiläumsfeiern wird das Kirchlein noch fein rausgeputzt.
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Das war fein ausgedacht: Eine Miss Hasenbergl-Wahl ganz im Stile einer Game-Show. Mit viel Witz und dem gewissen Party-Faktor. Letzten Endes geriet die Wahl zur Farce. Nicht nur dass eine Feldmochingerin den Titel einheimste und die halb angetretene Faschingsgesellschaft Hasenbergl düpiert daneben stand zu langatmig, wenig unterhaltsam und vor einer handvoll Zuschauern geriet die Miss-Wahl gleichsam zum Symbol für ein Problem: Das Bürgerfest ist lange nicht das, was es sein soll. Wie eine Veranstaltung aussehen muss, damit sie auch möglichst viele erreicht und im kulturellen Miteinander verbindet, ist noch nicht geklärt. Eines scheint sicher: Die Zeichen stehen auf Ehrgeiz der AK Kultur bastelt schon wieder am nächsten Veranstaltungskalender.
Eigentlich ist dieses Jahr aus sportlicher Sicht mit zwei Buchstaben schnell erzählt: WM. König Fußball bestimmte jedoch nicht nur auf der Weltbühne das Geschehen. Selbst im kleinsten Rahmen gab es große Emotionen zu sehen. Und sogar Politiker, Prominente und Lokalredakteure übten sich heuer in großen Gesten, packenden Zweikämpfen und erlösenden Treffern auf dem Rasen.
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5:2 und die Katze fischte noch die unmöglichsten Dinger raus. Jürgen Stutz von der Faschingsgesellschaft Hasenbergl zeigte beim großen Benefiz-Fußballspiel der Münchener Nord-Rundschau zusammen mit dem BA 24 (Feldmoching-Hasenbergl) seine zweifellos beste (wahrscheinlich auch einzige) Saisonleistung im Tor der lokalpolitischen All-Stars-Auswahl. Am Ende behielt jedoch die Medienauswahl auf der Bezirkssportanlage im Hasenbergl klar die Oberhand. 350 Euro spielten die Akteure für den Verein »Helfende Hände« ein. Eine Neuauflage des Fußballspiels im nächsten Sommer ist nicht ausgeschlossen.
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Während alle noch im Fußballhimmel den drittplatzierten bejubelten macht einer aus dem Münchner Norden den Traum wahr: Deutschland ist Weltmeister. Im Hockey. Christopher Zeller schoss die Deutsche Nationalmannschaft in der 54. Minute mit seinem Treffer zum 4:3 gegen Finalgegner Australien zum zweiten Titel in Folge.
Sein Heimatverein, der MSC, dagegen jubelte nicht lange. Schließlich schoss sich Zeller, der als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde, auch direkt ins Blickfeld der internationalen Hockey-Szene. Anfang 2006 führte Zeller den MSC noch zum Deutschen Meistertitel in der Halle jetzt spielt und studiert der Ausnahmestürmer in den Niederlanden ausgerechnet in den Niederlanden.
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Der SC Freimann spielt wieder in der A-Klasse. Das hatte keiner gedacht doch die Sportfreunde Harteck schnappten den Freimannern auf den letzten Metern den Aufstiegsplatz vor der Nase weg und spielen jetzt selbst wieder gegen den Abstieg. Für den Trainer war das zu viel: Nach einer madigen Hinrunde warf Erwin Ficzko die Brocken hin.
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Der Aufstieg gelang heuer auch der jungen Truppe des TSV Milbertshofen. Die »Jungen Wilden«, wie sie sich selbst nennen, spielen heuer in der Bezirksliga Nord und machen derzeit auf Platz 8 mit 23 Punkten eine gute Figur im Mittelfeld.
Am Spielfeldrand immer mit dabei ist Teammaskottchen »Larry«. Obwohl reinrassiger Schäfer-Rüde hat er doch eine Gemeinsamkeit mit WM-Wuschel »Goleo«: Trikot ja, Hose nein.
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Eine gute Figur machten in diesem Sommer auch über 20 Radl-Narrische auf ihren original Bonanza-Fahrrädern. Zum zweiten Mal gingen die Münchner Wochenanzeiger mit einem eigenen Radl-Team in Kooperation mit dem Getränke-Hersteller TriTop im Rahmen der Deutschland-Tour an den Start. Diesmal stand ein schneller Rundkurs auf dem Programm und wieder durften die Rennradler ihre Sportgeräte nach der Wettfahrt mit nach Hause nehmen.
Alle erreichten unbeschadet ihr Ziel. Manche radelten sogar bis in die vorderen Ränge und das völlig ohne Doping. Von so viel Sportsgeist könnten sich Jan Ullrich & Co. ruhig mal eine Scheibe abschneiden, wenn sie jetzt ihre Amateur-Karriere starten.
Viele Köpfe, ein Ziel: Die Fröttmaninger Heide soll nach Willen von Staatssekretär O. Bernhard (li.) und den Bürgermeistern und Abgeordneten aus dem Münchner Norden zum Naherholungsgebiet Nordpark werden. Das Grundstück wird Anfang 2007 an den Heideflächenverein verkauft.