Im Münchner Osten gibt es viele soziale Brennpunkte. Angreifen statt Wegschauen ist daher das Motto der sozialen Einrichtungen im Münchner Osten.
Jahresrückblicke der Münchner Wochenanzeiger
Themenseite Jahresrückblicke : Jahresrückblicke für alle Bewohner der Stadtviertel im Verteilungsbereich der Münchner Wochenanzeiger
Gleich zu Beginn des Jahres ging man im Münchner Osten tatkräftig ans Werk. Drei neue Stadtteilläden in Berg am Laim, Ramersdorf und Giesing öffneten ihre Pforten. Im Rahmen des Bund-Länder-Programms »Soziale Stadt« sollen Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf auf Vordermann gebracht werden. Ziel der Einrichtungen ist es, die Bewohner zu aktivieren, eigene Vorschläge und Verbesserungen zu machen. Und das mit Erfolg: Der Stadtteilladen »kpp4« am Karl-Preis-Platz führte dieses Jahr bereits eine Bürgerbefragung zum Thema »Wie kann der Karl-Preis-Platz« schöner werden durch.
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Gegen die schöne, weiße Winterpracht hatte die DLRG aus Haidhausen dieses Jahr zu kämpfen. Bis tief in die Nacht befreiten die ehrenamtlichen Helfer im Landkreis Freyung-Grafenau die Dächer einer Schule von den Schneemassen. Denn die Haidhauser »Baywatcher« haben auch im Winter viel zu tun. Eisrettung am Fasaneriesee gehört genauso zu ihren Aufgaben, wie die Ausbildung von Nachwuchs-Rettern.
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Retten gehört normalerweise zum Alltag der Feuerwehrleute in Ramersdorf. Doch im Februar hatten sie eine Aufgabe, wo jede Rettung zu spät kam. Mit ihrem Vogelgrippe-Sonderwagen düsten die Feuerwehrleute durch ganz München und sammelten tote Vögel ein. Mit Schutzanzug, Atemmaske, Schutzbrille und zwei Paar Handschuhen näherten sich die Feuerwehrleute den toten Vögeln, steckten sie in spezielle Behälter und brachten sie zur Landesuntersuchungsanstalt nach Unterschleißheim.
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Die »Kreppe« ist aus dem Stadtbild Haidhausens gar nicht mehr wegzudenken. 30 Jahre gibt es die zentrale Anlaufstelle für Jugendsozialarbeit schon. Dieses Jahr feiert man einen runden Geburtstag und eröffnete das neu gestaltete Schülercafé, das durch das Engagement der Jugendlichen entstand.
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Engagiert zeigte sich auch das Haidhauser Institut Amyna, das zusammen mit zwei weiteren Frauenorganisationen auf der Wiesn einen Security Point für Mädchen und Frauen organisierte. Dort bekamen verunsicherte Besucherinnen professionelle Unterstützung bei allen großen und kleinen Problemen, die ein Volksfest so mit sich bringt.
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Mitgebracht hatten die Initiatoren der Kinder- und Jugendfarm in Ramersdorf anfangs vor allem jede Menge Enthusiasmus. Den brauchten sie auch, denn bis zur Eröffnung vergingen ganze sieben Jahre. Doch diesen Herbst war es dann soweit die Jugendfarm öffnete ihre Pforten.
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Die Türen vom Clearinghaus in der Orleansstraße 17 stehen auch immer offen. Seit einem Jahr gibt es das Haus zur Abklärung der Wohnperspektive schon. Ende diesen Jahres zog man eine erste Bilanz. Die meisten Wohnungslosen hätten innerhalb von einem halben Jahr vermittelt werden können. Konflikte mit den Nachbarn hätte es kaum gegeben und die meisten Clearinghaus-Bewohner seien sehr kooperativ gewesen. In Moosach eröffnete dieses Jahr ein weiteres Haus. Auch in Trudering ist in naher Zukunft eine Einrichtung geplant.
Das vergangene Jahr war geprägt durch Initiativen der Bezirksausschüsse für mehr Lebensqualiät im Stadtteil. Um die Erhaltung der Vielfältigkeit der urbanen Lebensformen ging es ebenso wie um den belastenden Schleichverkehr in der Balanstraße.
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Es war ein langer und zäher Kampf, doch die Isar-Kaskaden bleiben fünfstufig. Die Planungen der Stadt, den reißenden Flussabschnitt durch den Bau von zwei Stufen zu entschärfen, verursachte im Bezirksausschuss einen Proteststurm. Unterschriftenlisten wurden erstellt, Eilanträge gestellt und schließlich löste sich alles in Wohlgefallen auf. Der Isarabschnitt an der Maximiliansbrücke wird zwar saniert, aber die fünf Stufen bleiben erhalten. So können die Haidhauser auch in Zukunft gemütlich an der Isar sitzen, ohne dass Verkehrslärm die Idylle stört. Denn der wird ja wirksam »überrauscht«.
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Dass in Haidhausen die Autos durch die Balanstraße düsen, findet der Bezirksausschuss Au/Haidhausen (BA 5) weniger berauschend. Daher machte man sich dieses Jahr für eine »Abhängung« des Straßenzugs stark. Noch ist keine Entscheidung gefallen. Aber der BA hat noch mehr vor: Linksabbiegen von der Rosenheimer in die Metzstraße sollte in Zukunft möglich sein.
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Gegen eine mögliche Zukunft mit Dauerbaustellen machten die Haidhauser mobil. Obwohl die Einwendungsfrist schon abgelaufen war, organisierte die »Bürgerinitiative S-Bahn-Tunnel Haidhausen« eine große Demonstration, um den Bau eines zweiten S-Bahn-Tunnels doch noch zu verhindern. Zwar ist man sich einig darüber, dass eine Lösung für den überlasteten
S-Bahn-Verkehr dringend notwendig ist, doch um das »Wie« muss weiterhin gerungen werden.
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Bei der geplanten Bebauung entlang der Orleansstraße und am Haidenauplatz war man sich hingegen sofort einig. Die von einem Planungsbüro ausgewählten Entwürfte begeisterten den Bezirksausschuss: »Die Baufelder sind gut proportioniert und bilden eine klare Stadtkante an der Bahn.« Auch für die Bebauung am Haidenauplatz fand man nur lobende Wort: »Der geplante Fußgängerüberweg über die Berg-am-Laim Straße war schon lange fällig.«
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Im Herbst ging die Angst um die Hinterhofkultur um. Grund diesmal: Der geplante Abriss mit anschließendem Neubau an der Lothringerstraße 6. Im Hinterhof befinden sich seit Jahrzehnten Künstlerateliers, die im Zuge des Neubaus abgerissen werden sollen. Doch Ersatz für diese Räumlichkeiten gibt es nicht, so dass sowohl Mieter des Wohnhauses als auch Künstler gegen die Pläne protestierten. Unterstützt wurden sie vom Bezirksausschuss, der um die urbane Vielfältigkeit im Viertel bangt.
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Zu dieser Vielfältigkeit gehören nach Meinung des Bezirksausschusses vor allem auch Kinder. Und um den kleinen Haidhausern gerade im Sommer einen erfrischenden Ort zum Toben zu bieten, hat sich der BA dafür eingesetzt, dass verschiedene Brunnen im Stadtteil wieder sprudeln.
Vor allem der Brunnen am Hypopark ist seit diesem Sommer ein beliebter Treffpunkt für kleine und große Wasserratten.
Kulturell ist in Haidhausen immer was geboten so auch dieses Jahr. Egal ob Streitereien um das Kultfabrikgelände oder Uneinigkeit bei der Ausrichtung der 1000-Jahr-Feier in Ramersdorf, ganz reibungslos lief nicht alles ab.
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Alter Streit, neuer Tenor: Im April entbrannte einmal wieder eine heftige Diskussion um das Kultfabrikgelände. Der Bezirksausschuss Berg am Laim (BA 14) stimmte in seiner Sitzung klar gegen eine Verlängerung der Verträge bis ins Jahr 2010. Einhellige Meinung: »Jetzt reichts«. Doch bereits im Juli wendete sich das Blatt und der BA 14 ließ sich auf eine Verlängerung bis 2010 ein, sofern gewisse Auflagen erfüllt würden. Laute Techno-Tempel müssen weg, außerdem dürfen keine neuen Diskotheken eröffnen. Der Münchner Osten behält also vorerst seine Partymeile.
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Gefeiert hat auch Wolfgang Koeppen gern. Dem bedeutenden Nachkriegsautor (1906-1996) wurde in Gedenken an seinen zehnten Todestag im März eine Ausstellung am Gasteig gewidmet. Der ideale Veranstaltungsort, schließlich wohnte der Autor nur einen Katzensprung entfernt in der Widenmayerstraße 45. Zu seinen größten Erfolgen zählen die Romane »Tauben im Gras« und Der Tod in Rom«.
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Für Ramersdorf stand das Jahr 2006 ganz im Zeichen der 1000-Jahr-Feier. Schließlich musste die bewegte und traditionsreiche Vergangenheit des Stadtteils gebührend gefeiert werden. Alles begann mit der Ansiedlung der Richter-Familie Rumolt im neunten Jahrhundert, gefolgt über das Bauerndorf mit 15 Häusern im Jahr 1832 bis hin zum von Einfallstraßen und Autobahnzubringern zerpflügten städtischem Wohn- und Industrieviertel mit 34.000 Bewohnern. Doch eine Feier zu organisieren kann verdammt schwer sein. Das mussten die diversen Vereine, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Festakt zu planen, leidvoll erfahren. Streitereien im Bezirksausschuss, Rücktritte und der Beinahe-Ausfall des ganzen Festes die Folge. Doch dann raufte man sich zusammen und feierte von 6. bis 8. Oktober ein rauschendes Fest.
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Es war ein langer Weg vom Wettbewerb für die Kunst am Bau bis zum Abschluss der Geschichtswerkstatt Auer Mühlbach. Doch im Herbst diesen Jahres lagen die Ergebnisse der 2002 ins Leben gerufenen neuen Form der Bürgerbeteiligung vor und wurden in einem Heft zusammengefasst.
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Im August kam der Film »Wer früher stirbt ist länger tot« in die Kinos. Eine der Hauptdarstellerinnen, Jule Ronstedt, wohnt seit zehn Jahren in Haidhausen und lobt den Film als »erfrischend anders und total untypisch für den deutschen Film«. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte sich beeilen, denn selten gibt es einen Kinofilm, der »so komisch und zugleich berührend« ist.
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Einen runden Geburtstag feierte dieses Jahr das Theater in der Au. 50 Jahre gibt es das Traditionshaus jetzt schon. Viel hat sich gewandelt: Immer mal wieder der Name naturgemäß Mitglieder, gezwungenermaßen Spielorte und vor allem auch das Repertoire war und ist dem Zeitgeist und dem Geschmack der Zuschauer unterworfen. Doch dem Stadtteil ist das Theater über ein halbes Jahrhundert treu geblieben. Doch eine Sorge plagt die Theaterfreunde: der Nachwuchs an männlichen Schauspielern fehlt. Doch vielleicht wird die Aussicht die Liebe fürs Leben zu finden, den einen oder anderen Nachwuchsschauspieler auf die Bühne locken. Schließlich haben sich beim »Theater in der Au« schon so manche kennen und lieben gelernt.
An der Maximiliansbrücke ist die Isar noch ein reißender Wildfluss: Damit dieser Zustand erhalten bleibt, fordert ganz München ein Fünf-Stufen-Modell, das nach langem Bangen auch verwirklicht wird.