Veröffentlicht am 27.12.2006 00:00

Münchner Zentrum · Das war 2006


Von red
Die Innenstadt wird Stück für Stück zur  (Foto: Ende 2007 greift das Parkraummanagement in der Maxvorstadt, sowie in Ludwigs- und Isarvorstadt.)
Die Innenstadt wird Stück für Stück zur (Foto: Ende 2007 greift das Parkraummanagement in der Maxvorstadt, sowie in Ludwigs- und Isarvorstadt.)
Die Innenstadt wird Stück für Stück zur (Foto: Ende 2007 greift das Parkraummanagement in der Maxvorstadt, sowie in Ludwigs- und Isarvorstadt.)
Die Innenstadt wird Stück für Stück zur (Foto: Ende 2007 greift das Parkraummanagement in der Maxvorstadt, sowie in Ludwigs- und Isarvorstadt.)
Die Innenstadt wird Stück für Stück zur (Foto: Ende 2007 greift das Parkraummanagement in der Maxvorstadt, sowie in Ludwigs- und Isarvorstadt.)

Der Münchner, insbesondere der Münchner Innenstadtbewohner, ist grundsätzlich friedliebend: Gibt er sich doch gerne der Kultur im Museumsviertel hin, flaniert er doch gerne durch den Englischen Garten, und speist er doch gerne in einem ruhigen innerstädtischen Biergarten. Leben und leben lassen, lautet die Devise. Doch Vorsicht: Manchmal hört der Spaß trotzdem auf.

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Für einige hört dieser sogar genau da auf, wo er für andere anfängt: Viel Lärm gab es nämlich um den Club Zerwirk in der Ledererstraße. Im wahrsten Sinne des Wortes. Im Herbst 2005 konnten sich Münchens Nachtschwärmer noch darüber freuen, dass die Innenstadt mit einem weiteren Club bestückt wurde. Ein Dreivierteljahr später hingegen wurde der Saft schon wieder abgedreht: am 9. Juli, dem Tag des WM-Finales, wurde zumindest im Kellerclub das letzte Mal (laut) Musik aufgelegt. »Es gab zu viel Gegenwind von der Lokalbaukommission, dem Bezirksausschuss, den Nachbarn«, so Betreiber Michael Kern. Weiter offen sind das Veganer-Restaurant und der Konzertsaal im ersten Stock.

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Unterschriftenlisten, eine Mahnwache und ein Brief an OB Christian Ude: Max Zeidler, Ruth Feindel und eine Handvoll Bewohner aus dem Glockenbachviertel wollten im Frühjahr in letzter Minute verhindern, dass der Gärtnerplatz umgestaltet wird. »München verliert an Flair«, argumentierten sie. Einerseits vergebens: Der Platz wurde im April mit einem 30 Zentimeter hohen Metallzaun umfasst, die Rondellfläche durch Bäume und Kieswege unterteilt. Andererseits finden viele Anwohner den Platz jetzt schöner – und als großstädtischer Aufenthaltsort wird er immer noch genutzt.

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Seit mehr als zwei Jahren nimmt der Münchner Stadtrat Anstoß an den so genannten »Stolpersteinen«: Bundesweit werden diese kopfsteinpflastergroßen Würfel in Bürgersteige eingelassen und sollen so an die Opfer der Nazis erinnern. Die Initiative »Stolpersteine München« wünscht sich auch in der bayerischen Landeshauptstadt solche Stolpersteine. Beispielsweise vor Häusern an der Maximilianstraße, der Königin- und Theresienstraße: Hier wohnten jüdische Familien, bis sie ab 1938 verschleppt wurden. Der Chef des Bezirksausschusses Maxvorstadt, Klaus Bäumler (CSU), sprach sich für das »Stolperstein«-Projekt aus. Der Stadtrat sowie Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden, votierten 2006 endgültig dagegen: die Steine führten zu einer »Banalisierung der Geschichte« und zu einem »Herumtrampeln« auf der Erinnerung.

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Die Stadt hat 24 neue Krippenplätze am Lehel vertrödelt: An der Tattenbachstraße hätte eine Baufirma in ihrem geplanten Wohnungsbauprojekt eine Kinderkrippe integriert. Weil allerdings das Sozialreferat skeptisch auf das Angebot reagiert hatte (»woanders ist mehr Bedarf«), wurde die Krippe nicht eingeplant. Ein Skandal, denn die Wartelisten der städtischen Krippen im Viertel sind lang. Ein Beispiel: in der Robert-Koch-Straße warten 900 Kinder auf einen Platz.

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Lange wurde über Standort und Finanzierung diskutiert. 2006 ging’s bei den Planungen zum NS-Dokumentationszentrum endlich um Details. Zum Beispiel um die Frage, ob die Überreste des so genannten »nördlichen Ehrentempels«, den die Nazis 1923 gebaut hatten, auf dem Gelände an der Brienner Straße 45 ganz abgerissen werden oder ob sie nicht als mahnende Überbleibsel erhalten bleiben sollen. Inzwischen wird wohl abgerissen, aus Historikersicht besteht kein Bedarf. Ganz klar ist inzwischen auch die Finanzierung des NS-Zentrums: Im Oktober hat der Stadtrat beschlossen, die Kosten bis zu 30 Millionen Euro in einer Drittelfinanzierung mit Bund und Freistaat zu teilen. Was darüber hinaus geht, bezahlt sie ebenfalls. Allerdings steht noch eine endgültige Zusage des Bundes über dessen Zehn-Millionen-Anteil aus.

Kunst kommt von Kürzen. Heißt es. Allerdings nicht in Münchens Zentrum: Hier wird zwar nicht immer die junge Kultur gefördert, die altbewährte aber wird konserviert, neu lackiert – und wieder auf ihren Platz gestellt. Im Falle des Lenbachhauses ist das der Stadt 52 Millionen Euro wert, wie sie im Oktober beschlossen hat: So viel kostet die Renovierung der Künstlervilla in der Maxvorstadt.

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Von 2009 bis 2011 bekommen die alten blauen Reiter einen frischen neuen Anstrich verpasst – zumindest ihr Aufbewahrungsort. Der Stadtrat beschloss eine Kosmetik-Kur für das Lenbachhaus, die der britische Star-Architekt Sir Norman Foster verantworten wird, der bereits den Berliner Reichstag unter die Haube gebracht hat. Noch-Kultur-Referentin Lydia Hartl betont, dass es sich trotz des renommierten Kosmetikers bei der Restaurierung nicht um eine »Luxus-Lösung« handelt, es werde im Gegenteil nur »maßvoll saniert«.

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Andere Kultur hingegen hat in diesem Jahr nicht mal die Chance bekommen, sich zu entfalten: So hatte der Freistaat etwa das Festival »Music Kick« im Museumsviertel verboten. Zur WM-Zeit hätten im Park vor der Alten Pinakothek täglich Konzerte stattgefunden – mit Künstlern wie den »Fantastischen Vier« beispielsweise. Weil aber Klaus Bäumler, Chef des Bezirksausschusses Maxvorstadt (CSU), Sorge hatte, dass »Music Kick« keine einmalige Sache bleiben würde, sondern neben dem Königsplatz zur zweiten Bühne für »lärmende Großveranstaltungen« geraten könnte, erteilte der Freistaat eine rote Karte.

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Wieder anderswo wird das Museumsviertel verstärkt: An der Sammlung Brandhorst wurde im Jahr 2006 fleißig gebaut. Allerdings müssen sich Kulturfreunde gedulden, bis sie dort die Werke von Andy Warhol, Cy Twombly und anderen bewundern können: erst im Jahr 2008 wird die Sammlung eröffnet. Im selben Jahr wird voraussichtlich auch der Bau des Ägyptischen Museums an der Gabelsberger Straße fertig sein, mit den Vorarbeiten wurde heuer begonnen.

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Und was heißt hier überhaupt, der Königsplatz sei eine Bühne für »lärmende Großveranstaltungen«? Wie die Jahre zuvor erhielten einige Top-Stars, die hier auftreten wollten, einen Platz-Verweis. Etwa Elton John, Sting und Santana. Die Begründung der Stadt: Diese Stars könnten auch größere Hallen füllen. Das Problem aber für deren Konzertagentur war: »Als uns die Stadt die Absage erteilte, waren diese größeren Hallen längst ausgebucht – einzig für Santana konnte noch die Olympiahalle reserviert werden«, so Birgit Roth-Wiehler vom Veranstaltungsbüro PGM. Andere Großveranstaltungen hingegen wie das »Oben Ohne«-Festival des Kreisjugendring München-Stadt sowie das Solo-Konzert von »Pink-Floyd«-Gitarrist David Gilmore konnten stattfinden.

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Wem gehört die Stadt eigentlich? Das fragten die Kammerspiele Ende April: Im Rahmen des zweiten Teils des viel gelobten Kunstprojekts »Bunnyhill«, das einst das Hasenbergl unter die Lupe nahm, wurde das Zentrum beleuchtet. Im Stück »A – Angst essen Zentrum auf« etwa, bei der Installation eines Hafens am Stachus – und so fort.

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Theater gab’s auch um die Strandbar auf der Corneliusbrücke: Gestritten wurde darüber, ob die Sand-Sause der Veranstalter »Urbanauten« Kunst sei – oder nur dem Kommerz diene. Letztendlich aber war’s egal – der Strand gefiel den Münchnern und konnte viele Wochen liegen bleiben. Allein die Sonne versagte dem Strandvergnügen ab August ihre Unterstützung.

Parksuchverkehr, Staus, Straßensperren: So schnell die Bewohner des Münchner Zentrums mit dem Radl oder öffentlichen Verkehrsmitteln vorankommen – so zäh geht es mit dem Auto dahin. Und auch Parkplätze müssen hier – historisch bedingt - mit der Lupe gesucht werden: Als vor 150 Jahren die Maxvorstadt errichtet wurde, hat noch niemand Parkplätze eingeplant; die Straßen haben sich seitdem natürlich auch nicht verbreitert. Ein Gutes aber hat die Verkehrssituation: Wo der motorisierte Verkehr nur langsam fließt, passieren auch keine schweren Unfälle.

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In den ersten neun Monaten von 2006 gab es hier weder einen tödlichen Verkehrsunfall, noch einen Schulwegunfall, wie Polizeihauptkommissar Max Kreilinger von der Polizeiinspektion 12 bilanziert. Ordnungsgemäß läuft es auf den Straßen im Münchner Zentrum dennoch nicht ab: Häufig werde Unfallflucht angezeigt, so Kreilinger. »Die meisten Flüchtigen sind die so genannten Parkplatz-Rempler.« Überhaupt bestimme auch und gerade in den Maxvorstädter Straßen das Parken den Takt: denn oft werden Autos in zweiter Reihe, vor Feuerwehr-Einfahrten oder auf Gehwegen abgestellt. »Wir mussten in den ersten neun Monaten diesen Jahres 1.400 Autos abschleppen.«

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Eine Maßnahme zur Verbesserung der Situation wurde im Frühjahr 2006 beschlossen: Sowohl große Teile der Maxvorstadt, als auch Teile der Ludwigs- und Isarvorstadt werden in Parklizenz-Zonen umgewandelt. Voraussichtlich ab Ende kommenden Jahres bekommen Anwohner für 30 Euro im Jahr Dauer-Parkscheine, für Auswärtige wird das Auto-Abstellen hingegen teuer. Die erhoffte Wirkung: Pendler nutzen fortan die Park & Ride-Angebote, Anwohner finden leichter einen Stellplatz. Bis das Parkraum-Management allerdings eingeführt wird, dürfte sich die Situation gerade in der Maxvorstadt noch verschlimmern, denn bereits ab Januar 2007 werden weite Teile des benachbarten Viertels Schwabing-West zur Wapperlzone. Autofahrer, die dort kostenlos parken wollten, werden vermutlich versuchen, auf die Maxvorstadt auszuweichen.

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Auch die Planungen für die viel diskutierte Anwohner-Tiefgarage am Josephsplatz nahmen im vergangenen Jahr Konturen an; diverse Bau-Alternativen wurden diskutiert. Der Stadtrat bestätigte in seiner Juli-Sitzung die Dringlichkeit des Projekts, das für gut 200 Stellplätze sorgen wird. Der konkrete Baubeginn allerdings ist weiter ungewiss.

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In der Innenstadt hingegen hat sich die Parksituation verbessert: Seit Mai weist ein Parkleitsystem den direkten Weg in eine der 7.400 Parklücken der Parkgaragen im Münchner Zentrum. Baureferats-Sprecher Jürgen Marek spricht von einer »segensreichen Wirkung dieses Instrumentariums«, der Parksuchverkehr habe seither deutlich abgenommen – ja sogar die Luft habe sich in der Innenstadt verbessert!

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Nichts geht mehr – hieß es dagegen bei Großveranstaltungen im Viertel: Die Leopoldstraße etwa verwandelte sich zur WM-Zeit diverse Male in eine autofreie Party-Meile, 60.000 Münchner feierten dort die Triumphe der deutschen Mannschaft. An deren Spieltagen war die Straße meist von 16 bis 5 Uhr in der Früh für den Verkehr gesperrt. Zum Streetlife-Festival an einem Wochenende im Juli sowie im September wurde zusätzlich die Ludwigsstraße dicht gemacht, und während des Papstbesuchs war Benedikt XVI. nebst seinen Sicherheitsleuten der einzige, der in der Innenstadt mobil sein durfte.

Nadine Nöhmaier

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