Die Szenerie erinnert an Bilder aus dem zweiten Weltkrieg: Riesige Schuttberge, zerstörte Gebäude, Trümmer. Doch spätestens, wenn die großen Bagger auftauchen, weiß man, hier geht alles mit rechten Dingen zu. Im Olympia-Reitstadion in Riem regiert nämlich seit Wochen die Zerstörungswut.
So fressen sich die Abrissbagger wie urtümliche Dinosaurier unaufhörlich durch den Anzeigen- und Richterturm am Eingang zum Stadion, um diesen Stück für Stück abzutragen. »Dies sind allerdings nur die Vorarbeiten für die komplette Sprengung der Haupttribüne, die für die zweite Januar-Hälfte auf dem Programm steht«, erklärt die Betriebsleiterin der Olympia-Reitanlagen, Gabriele Falter.
Diese Tribüne war 1972 für die Olympischen Spiele erbaut worden und galt damals als kleine Sensation. Sie konnte mit 7.000 überdachten Plätzen und einem Restaurant für 200 Gäste im Obergeschoss sowie 50 Reporterkabinen aufwarten. Der Richterturm bot einen faszinierenden Überblick über das gesamte Gelände und eine für damalige Verhältnisse beeindruckende Anzeigentafel. Doch an der Konstruktion nagte der Zahn der Zeit. Laut Gutachten ist die Holzkonstruktion defekt, die Leimbinder lösen sich langsam auf.
Den letzten Todesstoß versetzt im Jahr 1984 ein Unwetter der Anlage. Hagelkörner zertrümmerten das Dach und Wasser drang ein die Zeit der großen Championate war damit vorbei, denn die Tribüne musste gesperrt werden.
Dennoch kann die Anlage auf ruhmreiche Zeiten zurückblicken. 1976 war Riem Ausrichter der Europameisterschaften, 1978 und 1980 fanden auch noch die Deutschen Meisterschaften statt.
Mit dem Abriss der Haupttribüne geht ein Stück Olympische Geschichte zu Ende. »Doch für die Groß-Veranstaltung Pferd International, die heuer vom 1. bis 4. Mai über die Bühne gehen wird, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten«, weiß Jasmin Gföller, Sprecherin der Olympia-Reitanlagen: »So wird das Stadion geradezu riesige Platzverhältnisse bieten. Auf dem Messeplatz soll ein food plaza entstehen mit vielen Attraktionen. Zudem werde im Stadion die Feier zum 25-jährigen Jubiläum von Pferd International stattfinden.
Doch schon vor mehr als 60 Jahren waren Pferd und Reiter auf dem Gelände aktiv. So wurden vor und während des Zweiten Weltkrieges das Areal als militärische Reitschule genutzt.
1958 tat sich in Riem erneut etwas in Sachen Reitsport. Der Münchner Rennverein, dem das Gelände nach dem Krieg wieder zugefallen war, wollte dieses aufgrund seiner Geldschwierigkeiten loswerden und da griff der Deutsche Reiter- und Fahrerverband zu. Er erwarb neben rund 64.000 Quadratmeter Grundfläche auch eine stark demolierte Reithalle, Stallungen für 50 Pferde und einen großen Turnierplatz.
Doch in der zweiten Januarhälfte ist Schluss mit Glanz und Gloria vergangener Zeiten. Mit einem großen Knall und viel Wehmut verschwindet ein Bauwerk, mit dem München sich bei den Spielen 1972 geschmückt hat. ak