Für das Projekt »Integration macht Schule« ist die Grundschule am Theodor-Heuss-Platz vergangene Woche mit dem Preis »Münchner Lichtblicke« ausgezeichnet worden. Der Preis wird vom Münchner Ausländerbeirat, der Stadt München und vom Verein Lichterkette e.V. ausgelobt und ist mit 1.000 Euro dotiert.
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Seit nunmehr zehn Jahren bemüht sich die Grundschule mit Tagesheim durch eine völlig veränderte Unterrichtsstruktur um die Förderung und Integration von Migrantenkindern. Über die Hälfte der insgesamt 320 Schüler sind nicht deutscher Herkunft.
»Wir haben für das Projekt verschiedene Bausteine entwickelt«, erklärt Rektorin Silvia Selle-Merkle. Zum einen stehe das Ziel »Lernen lernen« im Mittelpunkt jeder Unterrichtsstunde, »weil viele Kinder niemanden haben, der ihnen außerhalb der Schule hilft oder helfen kann«, so die Schulleiterin. In jedem Fach werden daher die Kinder angeleitet, wie man sich selbst den Stoff erarbeitet und wie man am effektivsten lernt.
Zweiter Baustein ist THEO (Tolle Hilfe Erfolg optimal). In den Förderstunden, die der Staat jeder Schule mit einem hohen Anteil an Migranten zugesteht, werden die Klassen in den Fächern Mathematik, Deutsch sowie Heimat- und Sachkunde nach Leistungsniveau getrennt. »Wir haben drei Gruppen, denn wir wollen nicht nur die schwachen Kinder fördern, sondern auch die begabten«, sagt Selle-Merkle. Sie bekommen Zusatzangebote in dieser Zeit. Unter den Begabten seien auch viele Migrantenkinder, betont sie.
Der dritte Baustein ist das soziale Lernen. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit dem Tagesheim ein Streitschlich-termodell entwickelt, zu dem auch eine islamische Unterweisung in deutscher Sprache gehört. »Religion ist eine sehr emotionale Sache. Wenn wir hier für gegenseitiges Verständnis sorgen, trägt das viel zur Vermeidung von Konflikten bei«, erklärt die Schulleiterin. So wird der islamische Religionsunterricht in Deutsch gehalten, um zum einen Religion in Zusammenhang mit der deutschen Sprache zu bringen und zum anderen die Kinder in ihrer neuen Heimat zu verwurzeln. Unter dem Motto »Religionen begegnen sich« unternehmen außerdem die Dritt- und Viertklässler aller Konfessionen gemeinsame Ausflüge, z. B. zu Moscheen oder Kirchen, suchen Gemeinsamkeiten in Bibel und Koran, und schreiben sich gegenseitig Grußkarten zu den jeweiligen religiösen Festen.
Vierter Baustein schließlich ist die Elternarbeit. Schule ist einer der wenigen zwangsläufigen Berührungspunkte für Migranten mit der deutschen Kultur. Alle Kinder müssen sie besuchen und auch die Eltern kommen
nicht umhin, sich bei diversen Gelegenheiten dort zu begegnen, obwohl sie sonst oft sehr isoliert innerhalb ihres jeweiligen Kulturkreises verhaftet sind. »Hier müssen wir ansetzen. Wir haben bei einer Befragung festgestellt, dass viele Migranten Scheu vor Behörden haben und Schule ist für sie eine Behörde. Also müssen wir ihnen die Scheu nehmen«, sagt
Selle-Merkle.
Zusammen mit Kenan Bayram von der Stelle für Migration bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wurde ein Elternprojekt entwickelt mit Angeboten, die nicht direkt mit Schule zu tun haben, aber dort stattfinden. So gibt es Vorträge zu verschiedenen Themen wie Familienrecht oder Kinderkrankheiten in den Sprachen Türkisch, Vietnamesisch, Albanisch und Deutsch sowie seit drei Jahren ein Elternforum zum Gedankenaustausch. »Es wird gut angenommen und mittlerweile kommen die Eltern auch gerne zu schulischen Veranstaltungen«, so die Rektorin.
Finanziert wird das Elternprojekt von der AWO, ebenso wie die Fortbildungen für Lehrer, die zweimal pro Jahr stattfinden. Seit Beginn des Projekts »Integration macht Schule« unterzieht sich das gesamte Lehrerkollegium Schulungen, die interkulturelle Kompetenzen aufbauen sollen. Sie lernen die Körpersprache in anderen Kulturen, Gesprächsführung, die unterschiedlichen Erziehungsansätze für Mädchen und Jungen eine unabdingbare Voraussetzung zum besseren gegenseitigen Verständnis.
Der Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher (SPD) nannte bei der Preisverleihung die Integrationsarbeit der Schule »vorbildlich«. Die Ziele, die Bildungsstandards ausländischer Kinder zu steigern, sprachliche Barrieren zu überwinden und das Zusammenleben vor Ort zu verbessern, würden in der Schule »beispielhaft angegangen«. Von den 1.000 Euro Preisgeld will Selle-Merkle neue Bücher oder ein Lesezelt für die Bibliothek kaufen, die seit etwa zwei Jahren aufgebaut wird.
So sehr sich die Schulleiterin über den Preis freut, der größte Erfolg ist für sie, wenn ehemalige Schüler sie besuchen und ihr das gute Zeugnis zeigen, wie kürzlich ein chinesisches Mädchen, das jetzt ein Gymnasium besucht und einen Notendurchschnitt von 1,7 geschafft hat.
Sybille Föll