Nach dem Bau der Synagoge am Jakobsplatz könnte es in München schon bald ein zweites jüdischen Gotteshaus geben. Die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom plant, im Lehel ein eigenes religiöses Zentrum zu errichten mit prominenter Unterstützung. Der New Yorker Stararchitekt Daniel Libeskind hat sich bereit erklärt, das Gebäude für die 300 Mitglieder zählende Gemeinde zu entwerfen. Die Stadtratsfraktion der SPD indes zweifelt an der Finanzierbarkeit des Projekts.
Liberale Juden hoffen auf eigene Synagoge auf dem Jakobsplatz
Eine Synagoge auf dem Jakobsplatz Themenseite zum Synagogenbau für die liberale jüdische Gemeinde »Beth Shalom« in München (Beth Salom hebr.: Haus des Friedens)
Vor rund drei Jahren ist die Synagoge am Jakobsplatz fertig gestellt worden. Nun steht zur Debatte, auf der brach liegenden Wiese an der Kreuzung zwischen der Reitmorstraße und Am Gries ein neues jüdisches Zentrum zu schaffen. Der Grund: Beth Shalom kann in dem Bau gegenüber dem Stadtmuseum keine Gottesdienste abhalten. Die Rabbiner des Landes haben beschlossen, dass in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) keine liberale Religion stattfinden darf, erklärt Jan Mühlstein, Vorsitzender der progressiven Juden in Deutschland.
Derzeit praktizieren die Mitglieder von Beth Shalom ihren Glauben daher in einem Keller in der Isartalstraße. Doch das soll nun anders werden. Der weltberühmte Architekt Daniel Libeskind, der unter anderem das jüdische Museum in Berlin konzipiert hat, will der Gemeinde ein eigenes Gotteshaus bauen. Im Oktober hat er das Grundstück im Lehel persönlich besichtigt und zeigte sich spontan begeistert. Mir gefällt der Platz, sagte er, und äußerte bei seinem Besuch auch schon erste Ideen, wie die neue Synagoge aussehen könnte: Sie soll nicht die formale Strenge des Gebäudes am Jakobsplatz haben. Vielmehr wolle er einen Ort schaffen, an dem ein Kind sich wohlfühlen würde.
Ursprünglich war auch diskutiert worden, die alte Synagoge in der Reichenbachstraße zu nutzen, die seit dem Umzug der orthodoxen Gemeinde leer steht. Diese haben Vertreter von Beth Shalom ebenfalls im Oktober besichtigt. Die Israelitische Kultusgemeinde begrüßt die Entscheidung der liberalen jüdischen Gemeinschaft, darüber nachzudenken, die ehemalige Hauptsynagoge an der Reichenbachstraße als neues Domizil zu beziehen, heißt es sehr nüchtern in einer Pressemeldung der IKG. Zudem betont die IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, dass der liberalen Gemeinde das Haus unentgeltlich zur Verfügung stehe: Schon vor einigen Jahren bis zum heutigen Datum wurde die frühere Hauptsynagoge kostenlos angeboten.
Allerdings müsste Beth Shalom das Gebäude renovieren lassen. Das würde etwa vier Millionen Euro kosten, sagt Terry Swartzberg, Sprecher der liberalen Gemeinde. Zudem habe die IKG lediglich angedeutet, nur das Rückgebäude kostenfrei zu überlassen: So viel Geld für ein marodes Haus auszugeben, das für uns viel zu klein ist, lohnt sich nicht.
Eine neue Synagoge von Daniel Libeskind bauen zu lassen, würde jedoch rund elf Millionen Euro kosten. Etwa 35 Prozent der Summe will die Gemeinde durch Spenden aufbringen, 40 Prozent des Betrags soll in Form von Zuschüssen für die integrierten sozialen Einrichtungen beantragt werden und 25 Prozent soll der Freistaat übernehmen. Anders als die insgesamt in München 9.500 Mitglieder zählende IKG, die sich als Vertretung aller Juden versteht, erhält Beth Shalom derzeit jedoch noch keine eigenen Fördermittel vom Land. Swartzberg geht allerdings davon aus, dass sich dies demnächst ändern wird und verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG), nach dem alle jüdischen Religionsgemeinschaften Anspruch auf öffentliche Gelder haben. Bislang wurden die liberalen Gemeinden einfach vergessen, das ist ein Skandal, kritisiert er. Jedoch sei er optimistisch, dass der Freistaat den Antrag von Beth Shalom auf Fördermittel ohne Auseinandersetzungen bewilligen werde. Auch aus dem Stadtrat habe er bereits positive Signale für das Synagogenprojekt bekommen. Lediglich die SPD sei noch unschlüssig.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl steht dem Vorhaben bislang eher skeptisch gegenüber. Zwar räumt er ein: Wenn die Gemeinde es schafft, das Projekt mit ihren 300 Mitgliedern finanziell zu stemmen, ist nichts dagegen einzuwenden. Eine Zusage könne der Stadtrat aber nur erteilen, wenn Beth Shalom eine solide Finanzierung nachweise. Nicht möglich sei es, das Grundstück unter dem regulären Marktwert abzugeben: Das würde gegen die geltenden Vorschriften verstoßen. Im Lehel sei bei einem Baugrund dieser Größe von einem Preis in Millionenhöhe auszugehen. Auf einer unverbindlichen Basis würde ich das Projekt befürworten, aber ob es in der Praxis machbar ist, muss sich erst noch zeigen, so Reissl. Von Julia Stark