Die Haidhauser lehnen die zweite S-Bahn-Stammstrecke nach wie vor ab. Mehrere hundert Anwohner haben bei der Bürgerversammlung am vergangenen Montag im Hofbräukeller ihrer Wut Luft gemacht. Kritisiert wurde vor allem das Gutachten, nach dem die Tunnel-Variante wirtschaftlicher als der von den Anwohnern favorisierte Südring ist. Auch mit der geplanten Baustellenverlegung vom Haidenauplatz an den Orleansplatz sind die Bürger unzufrieden.
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Für Albrecht Scheller, Projektleiter zweite S-Bahn Stammstrecke bei der Deutschen Bahn, gestaltete sich der Abend alles andere als angenehm. Begleitet von Buhrufen und Gelächter versuchte er immer wieder, den Anwohnern das Vorhaben, einen zweiten Tunnel zu bauen, schmackhaft zu machen. Zwar räumte er ein: »Die Belastung für das Viertel ist groß.« Allerdings seien die Planungen inzwischen mehrfach abgeändert worden, »und jede Änderung hat eine Erleichterung geschaffen.« So sollen die Bauarbeiten, die ursprünglich am Haidenauplatz vorgesehen waren, nun am Orleansplatz stattfinden. Dies habe den Vorteil, dass ein Großteil der An- und Abtransporte von Material wegen der Nähe zum Ostbahnhof auf die Schienen verlegt werden könnte und daher mit weniger Verkehrsbelastungen zu rechnen sei.
Dennoch löste der Vorschlag bei den Bürgern Entrüstung aus. Als Scheller die auf fünfeinhalb Jahre veranschlagte Bauzeit bekannt gab, ging lautes Raunen durch den Saal. »So lange hätte es aber am Haidenauplatz auch gedauert«, erklärte der Projektverantwortliche. »Irgendwo müssen wir doch hin.« Auf ähnliche Kritik stieß der an der Ecke Keller- und Milchstraße geplante Rettungsschacht seine Fertigstellung soll in etwa zweieinhalb Jahre dauern.
Besonders skeptisch zeigten sich die Bürger jedoch gegenüber dem Gutachten, welches dem Tunnelbau gegenüber dem S-Bahn-Südring eine bessere Wirtschaftlichkeit attestiert. Vier Teilnehmer forderten eine erneute Überprüfung und wurden dabei von der breiten Mehrheit der Versammlung unterstützt. »Der Südring wird schlecht gerechnet«, sagte Volker Böhm. Der Stadtrat solle das Gutachten zurückweisen, es sei »unseriös«. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung sei von Firmen durchgeführt worden, die seit Jahren an den Planungen des Tunnels beteiligt seien, kritisierte auch Walter Heldmann: »Die Stadt soll die Konzepte noch einmal von neutralen Fachleuten untersuchen lassen.« Die Kosten für den Südring seien bewusst zu teuer angesetzt worden, glaubt auch Francesco Hildebrand, »die Gutachter verdienen an der Realisierung des Tunnels.«
Laut Untersuchung kostet der Bau einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke zwar rund 1,5 Milliarden Euro und ist damit etwa um 200 Millionen Euro teurer als der Südring. Mehreren Gutachten zufolge lässt sich durch den Tunnel jedoch eine bessere Effektivität erzielen. »Das ist die Voraussetzung dafür, um Fördermittel vom Bund zu bekommen«, erklärte Frank Kutzner vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologien. Für den Südring hingegen könne man keine Zuschüsse beantragen. Deshalb gebe es zur zweiten S-Bahn Stammstrecke keine Alternative. Julia Stark