Die Initiatoren der Kampagne »Bürgerschutz vor Krähenschutz« und die lärmgeplagten Anwohner der Zaunkönig-Siedlung haben einen Teilerfolg erzielt: bis Ende Februar kommenden Jahres, kurz vor Beginn der Brutzeit, sollen die dort lebenden Saatkrähen vergrämt werden. Die Maßnahmen umfassen ein Entfernen der Nester mit Astgabeln, mit dem Ziel, die dort lebenden Kolonien, die rund sieben Prozent des Gesamtbestandes an Saatkrähen in Bayern ausmachen, zu vertreiben und in siedlungsschwachen Gebieten anzusiedeln.
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Konkret erhoffen sich die Behörden, dass die Populationen in das nicht weit entfernt gelegene Industriegebiet auf dem Gelände der EADS abgedrängt werden, das einen reichhaltigen Baumbestand aufweist und mit seinem Nahrungsbestand ein geeignetes Nistareal sein könnte. Auf diese Vorgehensweise einigte sich der »Runde Tisch«, der auf Veranlassung des Umweltausschusses des Bayerischen Landtages zustande gekommen war. Dort war im Oktober der Antrag der »Bürgervereinigung Ottobrunn« (BVO) auf eine Vergrämungsmaßnahme gewürdigt und an die Staatsregierung weitergeleitet worden. Vielen Anwohnern ging dieser Kompromiss, der letztlich auf eine Einzelaktion hinausläuft, allerdings nicht weit genug, während die Gegner der Kampagne ganz entschieden am Sinn der Maßnahme zweifeln: Das Problem werde jetzt mit der Bildung von Splitterkolonien schlicht in andere Wohngebiete verlagert, warnten sie. Wie brisant das Thema ist, zeigte sich an der hochkarätigen Besetzung des Gremiums: Neben Vertretern der Regierung von Oberbayern waren Experten des Bayerischen Landesbundes für Vogelschutz (BLV) und des Bund Naturschutz (BN), Ornithologen, Gemeinderäte, viele betroffene Anwohner von Ottobrunner und Riemerlinger Wohngegenden und Vertreter der Gemeinde Ottobrunn zugegen. Die rund 30 Diskutanten lieferten sich einen teils heftigen Schlagabtausch, der nach einer mehrstündigen Debatte in die Entscheidung einer »punktuellen Vergrämung« mündete. Der Beschluss wurde auch vom BLV getragen.
Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Lösung, die allen Interessen gerecht wird, sondern eher um einen »kleinsten gemeinsamen Nenner«, der weiterhin einen Keil in die verschiedenen Interessensgruppen treiben dürfte. Auch die Staatsregierung stimmte schweren Herzens zu. So verwies Sitzungsleiter Roland Weid von der Regierung von Oberbayern darauf, dass es niemals Ziel der Aktion sein könne, alle Krähen in Ottobrunn zu vertreiben. »Sie können den Saatkrähen nicht den Krieg erklären«, wandte er sich an die Initiatoren und verwies darauf, dass es sich bei diesen Vögeln um eine europaweit geschützte Tierart handelt. Auch hielt er den Initiatoren der Kampagne vor, es sich mit der geforderten Vergrämungsaktion zu leicht zu machen: Es gehe nicht, »einfach schnipp machen, und die Vögel sind weg«. Wie bundesweit vorgenommene Untersuchungen ergeben hätten, seien solche Aktionen selten von Erfolg gekrönt gewesen, ergänzte Klaus Neugebauer von der Rechtsabteilung der Regierung. Das Problem habe sich vielmehr verschärft, indem Splitterkolonien in anderen Wohngegenden entstanden seien, die dann zu einer raschen Vermehrung der Tiere geführt hätten. Eine Einschätzung, die Manfred Siering, Vorsitzender der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern, teilte: Wegen der Nähe zum ehemaligen, inzwischen renaturierten Militärflughafen Neubiberg und der inselartigen Lage der Bäume eigne sich Ottobrunn wie kein anderes Gebiet als Lebensraum für die Tiere. »Die Bindung an menschliche Siedlungen ist für Saatkrähen normal. Das kann man den Vögeln nicht verübeln.«
Auch der Ornithologe Jürgen Ristow und Matthias Luy von BLV sehen die Vergrämungsaktion skeptisch. Die Initiatoren der Kampagne, Erika Aulenbach von der BVO, und die betroffenen Anwohner hingegen warfen den Behörden Halbherzigkeit vor. Es reiche nicht, bei dieser Aktion »stehenzubleiben und dann gar nichts mehr zu machen«, kritisierte Aulenbach. Wenn neue Populationen in Wohngebieten entstünden, müsse man mit neuen Vergrämungsaktionen »eben dran bleiben«, forderte sie. Ziel müsse es sein, die Tiere gänzlich aus den Wohngebieten zu vertreiben: »Das sind intelligente Tiere, die sehr schnell kapieren werden, dass sie hier nicht erwünscht sind.« Sie verwies darauf, dass mit dem Wald an der B 471 ein hervorragender Lebensraum für die Vögel gegeben sei. Dorthin müssten sie mittelfristig abgedrängt werden. Ulrich Mertig, Anwohner der Zaunkönig-Siedlung, äußerte die Hoffnung, dass jetzt »eine echte Chance« gegeben sei. Es gelte, die Siedlungsdichte an Saatkrähen mit rund 20 Brutpaaren in der Siedlung erheblich zu reduzieren. »Es ist nicht einzusehen, dass wir in Ottobrunn mehr als zehn Prozent der Last auf unseren Schultern stemmen müssen.«
mst