David gegen Goliath auf diesen kurzen Nenner lässt sich die Auseinandersetzung einerseits der mehr als 100 Pächter und Mieter der Eggartensiedlung zwischen Gütergleis, Lassalle- und Schittgablerstraße und andererseits der Deutsche-Bahn-Gesellschaft Bundeseisenbahnvermögen (BEV) sowie der Vivico Real Estate zusammenfassen, die auf dem Areal Wohnungen bauen will. Im Gegensatz zur biblischen Geschichte hat David wenn auch viel »Herz, Blut und Geld«, so ein Gartler, im Laufe der Jahrzehnte in die Kolonie gesteckt wurden keine Chance.
Die liebevoll hergerichteten Grundstücke, grüne und bald wieder blühende Oasen mitten in der Millionenmetropole, müssen geräumt werden, erste Kündigungen zum 30. November sind ausgesprochen.
Weitere Artikel zum Thema
Feldmoching/Hasenbergl · SPD-Herbstempfang Kandidaten für die Kommunalwahlen präsentiert Artikel vom 02.12.2013: Möglicher Autobahnanschluss bleibt Thema
»Wir sind die Grundstückseigentümer und planen eine Entwicklung mit unserem Areal, das ist städtebaulich sinnvoll, wir wollen mit Ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen«, betonte Vivico-Vertreter Markus Diekow. Auf Basis dieser Fakten stellt sich für die Kleingärtner die Gretchenfrage, ob sie Nerven und Geld für einen eventuell vor den Schranken der Gerichte landenden Disput investieren oder in Verhandlungen den bestmöglichen Ersatz andere Grundstücke und Wohnungen erreichen wollen. »Hier treffen zwei grundsätzlich verschiedene Welten aufeinander«, konstatierte denn auch Bezirksausschussvorsitzender Markus Auerbach, der die emotions- und spannungsgeladene Einwohnerversammlung mehr als 250 Bürger hatten sich in der Aula der Hauptschule an der Toni-Pfülf-Straße eingefunden moderierte. Ausgangspunkt der »verzwickten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse« Vivico-Manager Benno Zanker gab einen Überblick des Ablaufs begann mit den Privatisierungsplänen der Deutschen Bahn.
Areale des BEV wurden in eine Tochterfirma, die Vivico, ausgelagert, die Gesellschaft 2008 privatisiert und an eine börsennotierte österreichische Aktiengesellschaft veräußert. Vivico hat sich spezialisiert auf innerstädtische Quartiere; Visitenkarten der deutschen Niederlassung sind in München der Arnulfpark, das Schlossviertel Nymphenburg und die Isargärten Thalkirchen. Rund zwei Drittel des Eggartengeländes gehören inzwischen der Vivico, ein Drittel (noch) der BEV, ein paar wenige Randareale sind in privatem und städtischem Besitz. Die BEV hat einst die Flächen an die »Bahn-Landwirtschaft«, Bezirk München, als übergeordnete Einrichtung verpachtet, die wiederum Einzelstücke an ihre 10.000 Mitglieder vermietete. Würde nun ein gekündigter Eggarten-Kleingartler seine Oase nicht räumen, müsste die Bahn-Landwirtschaft gegen ihr eigenes Mitglied eine Zwangsräumung einleiten.
Benno Zenker stellt dazu klar: »Unser Leitgedanke ist, eine neue Eggartensiedlung zu schaffen«. Und: »Mit jedem Interessenten für Ersatzflächen werden individuelle Vereinbarungen getroffen, sie können bleiben, bis Ersatz geschaffen ist, ehe die Baumaßnahmen starten«. Ein Raunen hallte ob letzterer Aussage durch die Aula, Skeptiker verwiesen auf die Kündigungen eine Vereinbarung jedweder Art blieb jedoch aus.
Monika Bouillon von der BEV-Immobilien machte aufkeimenden Hoffnungen ein Ende mit der Aussage: »Wir wollen die Flächen im Paket an die Vivico verkaufen und dem Unternehmen die Mietverträge übergeben, wir wollen versuchen, Mieter in adäquate Wohnungen umzusetzen.« Dazu sind Projekte von Freimann bis in den Münchner Osten ins Auge gefasst. Laut Bouillon wurden 27 Gartennutzungsverträge an die Vivico übergeben. »Das Gelände war für uns bis vor Kurzem quasi ein weißer Fleck, denn es ist für Bahnzwecke gewidmet und die Bahn hat daher die Planungshoheit«, erläuterte der städtische Planungsreferent Franz Schlich-Trakies die Sicht der Landeshauptstadt. Nach einem Bauantrag »wird in die Prüfung eingetreten«, ehe die weiteren Verfahren starten können.
Wolfgang Thomat, Sprecher der Gartler und seit 40 Jahren Pächter eines Grundstücks, verteidigte engagiert die Eggartensiedlung: »Wir haben einen Flickenteppich von Eigentümern, es gibt keinen gültigen Flächennutzungsplan, es fehlt jegliche rechtliche Grundlage. Wir zählen nicht zum Geldadel, unsere Gärten sind ein Stück Leben von uns, die Grundstücke haben wir mit eigenen Händen gestaltet, wir verbringen dort unsere Freizeit«. Prasselnden Beifall gabs für diese Ausführungen. Sodann forderte der 64-Jährige von der Landeshauptstadt kurz und bündig: Fortschreibung der bestehenden Verhältnisse und keinen Bebauungsplan. »Auch David hat schon mal gegen Goliath gewonnen«, beschloss Thomat sein flammendes Plädoyer mit Blick auf die beiden Vivico-Leute.
Forderungen wie »Kündigungen zurücknehmen«, Appelle wie »wir wollen unsere Gärten behalten« oder ein Hilferuf mit tränenerstickter Stimme »Ich versteh das alles nicht«, kennzeichneten die Wortbeiträge der Betroffenen. Angesichts dieser Stimmungslage warnte und mahnte zugleich BA-Chef Auerbach: »Hier bahnt sich ein Konflikt an, vermeiden Sie alle eine Verhärtung der Fronten!« H. Blessing