Veröffentlicht am 15.06.2010 00:00

Taufkirchen · Die Zeit wird knapp


Von red

Seit fast 35 Jahren ging die Gemeinde Taufkirchen von einer irrigen Annahme aus – nun könnte sich dieser Umstand bitter rächen: Wegen ungeklärter Erschließungsfragen bei einer Privatstraße stehen Fördergelder in Höhe von 1,75 Millionen Euro für den Bau der neuen Turnhalle auf dem Spiel. Bürgermeister Jörg Pötke hält den damaligen Bürgermeister Walter Riedle (CSU) und Hartmann Räther (SPD), vor, »das Landratsamt nachhaltig hinters Licht geführt zu haben«.

Die wehren sich gegen die Kritik und verweisen auf die Gegebenheiten in den 70er Jahren, als die Realschule geplant und gebaut wurde. »Tatsache ist, dass Realschule und Turnhalle erschlossen waren«, hält Riedle fest. Der Sachverhalt: Als die Walter-Klingenbeck-Realschule (damals noch: staatliche Realschule) 1978 gebaut wurde, galt die Erschließung über den Zugangsweg zwischen der Schule und dem Köglweg als gesichert. Die unter der Straße installierten Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen sowie der Zugangsweg selbst seien »in erforderlichem Umfang« benutzbar, wie aus dem 1975 vom Landratsamt genehmigten Antrag zum Bau der Realschule hervorgeht. Insgesamt bescheinigte die Rechtsaufsichtsbehörde dem Neubau-Projekt eine ordnungsgemäße Abwicklung, da die zentrale Frage der Erschließung gesichert sei.

Diese sei, so die Angaben damals aus dem Rathaus, vertraglich zwischen der Gemeinde und dem Eigentümer der Straße festgehalten worden. Auch die in den 90er Jahren gebaute, benachbarte Kindertageseinrichtung »Trampeltreu« ist über diesen Zufahrtsweg angebunden. Doch wie zu Jahresbeginn ans Tageslicht kam, liegen die Verhältnisse ganz anders: Ein Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Grundstückseigentümer war diesbezüglich nie geschlossen worden, weder im Hinblick auf die Schule noch auf die Kindertageseinrichtung. »Zu meiner großen Überraschung musste ich erfahren, dass es keine solchen Vereinbarungen gibt«, ereifert sich Pötke noch einmal. Diese Entwicklung könnte jetzt erhebliche Auswirkungen auf den geplanten Neubau der Dreifach-Sporthalle haben, befürchtet Pötke. Denn eine der zentralen Bedingungen des Landratsamts lautet, dass das Anwesen korrekt erschlossen, also vertraglich unter Dach und Fach sein muss. Ein Spießrutenlauf, denn die Turnhalle muss bis spätestens Ende 2011 fertig gestellt sein, um Anspruch auf die aus dem Konjunkturpaket II zugesicherten Fördergelder in Höhe von 1,75 Millionen Euro zu haben.

Voraussetzung hierfür ist jedoch wiederum, dass die Straße der Gemeinde von den Eigentümern abgetreten wird oder andere Nutzungsregelungen vereinbart werden – und danach sieht es vorläufig nicht aus, da die Verhältnisse noch komplexer sind. Als Pötke mit den Grundeigentümern

ins Gespräch kam und sie anhielt, die Erschließung über das Fremdgrundstück über Widmung, Grundbucheintrag oder Verkauf an die Gemeinde »zügig zu sichern«, war ihm die »zweite Überraschung« präsentiert worden: Die gleichen Bauherren und Grundeigentümer hatten ihm Pläne für eine dichte Bebauung im südlichen Bereich der Kegelfelder gezeigt – »wohl wissend, dass diese in zwei Bürgerentscheiden mit einer Dreiviertelmehrheit abgelehnt wurde«. Damit sei »die Katze aus dem Sack« gelassen worden, ärgert sich Pötke und wittert unzulässige Koppelungsgeschäfte.

Um diese zu verhindern, werde man, wenn nötig, den Rechtsweg beschreiten: »Angesichts der Umstände, dass ein jahrzehntelang beanstandungsfrei öffentlich genutzter Fußweg als Faustpfand benutzt werden könnte, um an völlig andere Stelle erhebliches Baurecht zu bekommen, muss klar gestellt werden: Niemand darf glauben, die Gemeinde Taufkirchen wäre erpressbar«, betont Pötke. Inzwischen läuft das Krisenmanagement auf Hochtouren: In einer noch für den Juni anberaumten Sondersitzung des Gemeinderats soll darüber beraten werden, ob gemeindeeigene Grundstücke im Umgriff der Realschule »aktiviert« werden und so eine Erschließung »ohne Abhängigkeit von fremden Grundstückseigentümern« hergestellt werden kann. Pötke sieht gute Chancen für eine rasche Umsetzung dieses Vorhabens: »Mit der West-Erschließung steht nach jahrelangem Stillstand der angestrebten zügigen Realisierung einer zeitgemäßen Realschule und Turnhalle unter Wahrung der Konjunktur-Fördermittel eine Alternative zur Verfügung.«

Den Vorwürfen begegnet Alt-Bürgermeister Riedle mit Gelassenheit, macht aber zugleich deutlich, dass er nicht für den zutage getretenen Missstand in die Pflicht genommen werden kann. »Dem Vorwurf von Herrn Pötke, wonach während meiner Amtszeit eine Falschbehauptung bezüglich der Erschließung der Taufkirchener Realschule aufgestellt wurde, muss ich zum einen mit Nichtwissen bestreiten. Zum anderen sei mir der Hinweis gestattet, dass in den 70er Jahren die Schule über den alten Köglweg erschlossen war. Die Fläche für den neuen Köglweg hat sich die Gemeinde von den damaligen Grundstückseigentümern abtreten lassen«, schildert Riedle.

Möglicherweise, so der Verdacht des ehemaligen Gemeindeoberhaupts, sei im Zuge der Vermessungsarbeiten ein Fehler unterlaufen: Die Zwischenfläche zwischen dem neuen und dem alten Köglweg sei wahrscheinlich nicht dem Realschulgrundstück zugemessen worden. Mit der Folge, dass jetzt »sinnlose Grundstücksverhandlungen« geführt werden müssten. Überdies bitte er, »von den Vorwürfen aus den 70er- und 80er Jahren verschont« zu bleiben. mst

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