Ur-Münchner Ackerland zum Münchner SamstagsBlatt: „Gut, dass wir mehr gemeinsam entscheiden“

München · Da schau her! Albrecht Ackerland über Europastreitereien

An dem Abend dann hat es mir gereicht mit dem Beppi. Sonst war er kein Kind von völliger Einfältigkeit, hat bisweilen angenehm querdenkerische Ansichten, die Menschen sind ihm wichtig, die Obrigkeit mag er nicht. Ein guter Freund für Tresengespräche. Nur jedesmal, wenn es wieder um Europa ging, hat er seine uraltbackene Spruchschleuder angeworfen.

Bis es mir zu viel wurde. Seitdem geh ich nicht mehr so gerne in jenes Stüberl, in dem der Beppi Hof hält. „Hof hält“ stimmt schon: Im Grunde seines Herzens ist der Kerl ein Monarchist, und wenn der Biere mehr wurden in seinem Magen-Darm-Trakt und seine Blutkörperchen Besuch vom Alkohol bekamen, dann wurde ihm deutlicher und deutlicher, dass er wie gemacht sei für einen solchen Posten, der alles überstrahlt: Der Beppi, ein König. So etwas kann schon auch reizvoll sein, Menschen, die etwas auf sich halten. In König Beppis Fall musste man aber aufpassen, dass einem nicht Ohren und Hirn zu bluten anfingen.

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An jenem Abend also wurde wieder des Königs Leib- und Magenthema angeschnitten: Warum Europa unnütz wie ein Kropf sei, erfunden von Typen im grauen Anzug mit praktischem, weil knitterfreiem Polyesteranteil, Typen, die nichts mehr lieben, als sich immer neue Regeln auszudenken, dass etwa Gurken verboten werden müssten, wenn ihr Grün nicht den Farbwert D6GT55S3 aufs Exakte trifft. „Sofort auflösen, nix als eine Diktatur ist das, ein Bayern brauchen wir, das stark ist, und keinen Fleckerlteppich, bei dem die schönen, robusten Fleckerl dauernd Stoff hergeben müssen für die schwächlichen, dünnen. Wird Zeit, dass das mal einer hier laut ausspricht.“

Als der Beppi das alles laut ausgesprochen hatte, fragte ich mich, ob das mit dem Mo­narchisten noch stimmte, oder der Beppi nun doch eher Richtung weißrussischer Demokratieauffassung rangierte. Dann nahm ich meinen letzten Schluck, holte Luft, und sagte bierernst: „Unser Bauernland ist ja wirklich wunderschön, aber so schlecht war es dann doch nicht, auch mit einem Hamburg im Staat zu sein. Und mit wie viel Staaten haben unsere Länder schon Krieg geführt. Das ist in einem Europa schon ein bisserl schwerer möglich. Und wenn's deinem Spezl schlecht geht, wirklich schlecht, dann hilfst ihm doch auch, kann ja außerdem passieren, dass auf einmal du nicht mehr der Gesündeste bist. Die Gurkendeppen in Brüssel gibt’s freilich, aber es hat auch sein Gutes, dass wir mehr gemeinsam entscheiden.“

Aber da hat der Beppi schon gar nicht mehr zugehört und verkündet: „Das hat Österreich seinerzeit auch geschafft, dass Europa eins ist.“ Da bin ich heim, hatte Appetit auf Kaiserschmarrn.

Artikel vom 13.01.2011
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