Aus zweiter Hand boomt: Vom Wertstoffhof zur Halle 2

München/Giesing · Die Regale werden nie leer

Pia freut sich: zehn Quadratmeter hellgraue, nagelneue Teppichfliesen fürs Zimmer ihrer kleinen Tochter für vier Euro. Foto: ikb

Pia freut sich: zehn Quadratmeter hellgraue, nagelneue Teppichfliesen fürs Zimmer ihrer kleinen Tochter für vier Euro. Foto: ikb

München/Giesing · Die Ersten kommen schon gegen acht Uhr, machen‘s sich bequem auf den Plastikstühlen vor der Eingangstür unter dem Schild mit der Aufschrift „Die Halle 2 – alles aus zweiter Hand“, warten geduldig, ehe Punkt 10.30 Uhr Einlass ist. Szenen aus der Sachsenstraße, unweit des Schyrenbads, vom Secondhand-Kaufhaus des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM).

Täglich außer montags kann man dort Hausrat, Skurriles, Seltenes und Seltsames kaufen. Und wer werktags keine Zeit hat: Am Samstag, 16. Juli, 10 bis 16 Uhr, gibt’s anlässlich des zehnjährigen Bestehens einen Tag der offenen Tür.

Ziel der Einrichtung ist es zum einen, die Müllmenge durch Weiterverwendung von brauchbaren Produkten zu reduzieren, so Wolfgang Meyer, Geschäftsbereichsleiter Wertstoff-Service: „Wir wollen so viel wie irgend möglich im Kreislauf erhalten“. Und zum anderen sollen sich finanziell schwächer Gestellte – so der Ursprungsgedanke – Möbel, Spielsachen und anderes mehr leisten können. Jeden Arbeitstag werden in den Münchner Wertstoffhöfen die Anlieferungen kurz begutachtet und Wiederverwendbares zur Seite gelegt. Diverse Gegenstände gehen an Sozialprojekte zur Reparatur und anschließendem Wiederverkauf, augenscheinlich intakte Waren werden aussortiert. So liefern die AWM-Leute täglich etwa 30 Kubikmeter Gesammeltes in Giesing an, das entspricht in etwa 15 voll beladenen Personenwagen. „Jährlich wechseln fast 180.000 Artikel den Besitzer“, bilanziert Meyer. Auf den Tag umgerechnet sind es mehr als 600 Verkäufe.

Die günstigen Preise locken Jung wie Alt, sozial Schwache aber auch Bessersituierte. Die meisten Besucher sind Stammkunden: Knapp 45.000 wurden im vergangenen Jahr registriert, pro Tag durchschnittlich mehr als 150 Besucher. Und es werden offenkundig immer mehr. Denn auch Sammler und Antiquitätenliebhaber, Schnäppchenjäger, Profi- wie Amateur-Flohmarkthändler, ja organisierte Zweier- und Dreiergruppen zieht die Halle 2 wegen der täglich wechselnden Angebote wie ein Magnet an.

„Der dort“, Meyer deutet auf einen jungen muskulösen Mann, „kommt fast jeden Tag, lädt mit einem Helfer seinen Kleinlaster voll, meist mit TV- und Elektronikgeräten, fährt am Wochenende 1.000 Kilometer nach Ungarn und ist dienstags wieder da.“ In dem Secondhand-Kaufhaus gibt es offensichtlich nichts, was es nicht gibt. So erstand ein Mann einmal ein Segelboot, ein anderer ein Minimotorrad. Auch antike Remington-Schreibmaschinen wurden ebenso wie wertvolles Meissner Porzellan verkauft. Die Regale werden nie leer, acht Servicemitarbeiter unter Anleitung von Barbara Schneider, der stellvertretenden Hallenleiterin, füllen sie mittags, wenn geschlossen ist, wieder auf. Aber manchmal reicht selbst der Platz in der riesigen Halle nicht aus. „An Weihnachten hatten wir eine regelrechte TV-Schwemme, weil viele Leute sich zum Fest einen Flachbildschirm zulegten. Da haben wir uns mit den Außenstellen verständigt, damit keine weiteren Fernsehgeräte angeliefert werden“, erzählt Service-Chef Meyer.

Vorläufer für das Kaufhaus gibt es seit 1948 in der Landeshauptstadt. Eine feste Institution wurde es im April vor zehn Jahren: Das Gebäude in Giesing wurde frei, es diente einst länger als 50 Jahre als Garage für Müllfahrzeuge. Von Jahr zu Jahr wurde mehr geliefert und veräußert, ehe 2006/07 Nachfrage und Einnahmen durch die Ost-Erweiterung der Europäischen Union stark einbrachen. Viele Artikel, vor allem Elektronikgeräte, waren als Neuware günstig beim Discounter im Grenzgebiet zu bekommen. Mittlerweile ist diese „Delle“ ausgebügelt, es boomt wieder. So wurde im März mit einer Monatseinnahme von 47.000 Euro ein neuer Rekord registriert. Der Einkauf funktioniert denkbar einfach. Die Artikel sind in farblich markierte Preiskategorien eingeteilt: Weiß, der günstigste Preis, steht für einen, schwarz für zwei, rot für vier, grün für sechs, gelb für acht und blau für zehn Euro. Möbel oder anderes Voluminöses und „Höherwertiges“ sind mit einem Festpreis ausgezeichnet. Barzahlung herrscht vor, bei größeren Rechnungsbeträgen wird an der Kasse auch die EC-Karte akzeptiert.

Verkauf nur in Giesing Halle 2, Sachsenstraße 25: Dienstag bis Freitag, 10.30-12.30, und 15-18 Uhr, sowie samstags, 9 bis 14 Uhr (Montag geschlossen). Jeden Samstag um 11 Uhr ist eine Versteigerung. In der Halle 2 kann nichts abgegeben werden. Dafür sind die zwölf Münchner Wertstoffhöfe (Bogenhausen/Englschalking voraussichtlich bis Ende 2013 geschlossen) montags von 10.30-19 Uhr, Dienstag bis Freitag, 8-18 Uhr, und samstags, 7.30-15 Uhr, geöffnet.

Die Adressen in Ihrer Nähe:

• Moosach, Am Neubruch 23, Tel. 14 07 92 42 • Feldmoching, Lerchenstraße 13, Tel. 35 73 24 04 • Schwabing, Wilhelm-Wagenfeld-Straße 5, Tel. 3 61 15 16 • Wertstoffhof Oberschleißheim, Mittenheimer Straße 70, Tel. 37 50 60 19, Dienstag 13 -16 Uhr, Donnerstag 14-18 Uhr und Samstag 9-12 Uhr • Wertstoffsammelstelle Unterschleißheim, Landshuter Straße 2, Tel. 32 17 89 56, Montag und Mittwoch, 14-18 Uhr, Freitag, 12-16 Uhr, Samstag, 9-13 Uhr • Perlach, Bayerwaldstraße 33, Tel. 63 01 95 41 • Trudering, Mauerseglerstraße 9, Tel. 43 08 87 00 • Ottobrunn (Wertstoffbörse Trödel & Tratsch des Zweckverbandes München-Südost), Haidgraben 1, Tel. 60 80 91-0, Montag bis Donnerstag, 10-19 Uhr, Freitag, 10-14 Uhr • Haar (mit Wertstoffbörse), Keferloher Straße 1, Tel. 46 70 84, Montag, Mittwoch, Freitag, 15-18 Uhr, Samstag, 9.30-15 Uhr • Taufkirchen (mit Wertstoffbörse), Karwendelstraße 5, Tel. 66 67 21 42-1 40, Montag, Mittwoch, Freitag, 16-18.30 Uhr, Samstag, 9.30-13 Uhr • Grünwald (mit Wertstoffbörse), Tölzer Straße 38, Tel. 64 16 24 14, Montag, Mittwoch, Freitag, 14-18 Uhr, Dienstag, 8-12 Uhr, Samstag, 9-13 Uhr Unterhaching (mit Trödelecke), Biberger Straße 89, Tel. 61 53 48 46, Montag, Mittwoch, Freitag, 15-19 Uhr, Samstag, 9-13 Uhr Oberhaching (mit Trödelhalle), Grünwalder Weg 26, Tel. 6 13 45 04, Dienstag, 14-20 Uhr, Donnerstag, 9-13 Uhr, Freitag, 14-19 Uhr, Samstag, 9-13 Uhr• Steinhausen, Truderinger Straße 2a, Tel. 233 31 875 • Aschheim (mit Raum für wiederverwendbare Gebrauchsgüter), Kopernikusstraße 10, Tel. 90 99 78 38, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 15-18 Uhr, Samstag, 9.30-13 Uhr (1. April-31. Oktober) • Feldkirchen (Abgabe von gebrauchsfähigen Gütern an Bürger), Kapellenstraße 4, Tel. 90 99 74 49, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 16-19 Uhr, Samstag, 9-13 Uhr • Unterföhring (ausgewählte wiederverwertbare Gegenstände können kostenlos mitgenommen werden), Birkenhofstraße 12, Tel. 9 50 37 56

(ohne Gewähr)

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Artikel vom 07.07.2011
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