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Rente: Vor allem Frauen von Altersarmut bedroht
München · Vorsorge statt Maniküre
Renten-Expertinnen: VdK-Präsidentin Ulrike Mascher, Andrea Faragó, Projektleiterin der Senioren-Volkshochschule, und Wissenschaftlerin Barbara Riedmüller. Foto: js
München · Mehr als 12.500 Münchner Senioren können nach Angaben des Sozialreferats ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und sind auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Besonders Frauen sind häufig von Altersarmut betroffen. Was Altersarmut für das alltägliche Leben bedeutet, weiß Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK, genau.
- München · So seh ich das – Zum Thema: Rechtzeitig für das Alter vorsorgen
Artikel vom 18.07.2013: Volontär Benjamin Schuldt über die Diskussion: Private Altersvorsorge - München · Albrecht Ackerland über
Artikel vom 18.07.2013: Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über Das arme Alter - Umfrage zum Thema Rente
Umfrage vom 18.07.2013: Kümmern Sie sich schon um Ihre Rentenvorsorge?
»Die alten Frauen gehen zur Tafel«, berichtete sie kürzlich auf einer Diskussionrunde der Münchner Volkshochschule, zu der trotz der Brisanz des Themas nur rund 20 Besucher gekommen sind. Doch selbst mit Lebensmittelspenden sei den Seniorinnen oft nicht geholfen. Der öffentliche Nahverkehr werde immer teurer, und ältere Menschen seien meist körperlich nicht mehr dazu in der Lage, weite Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Eine Belastung seien außerdem die steigenden Mieten, Heiz- und Energiekosten und die Zuzahlungen für Gesundheitsleistungen wie Medikamente. Die Folge: Die Senioren sind auf staatliche Hilfe angewiesen, die sogenannte Grundsicherung. Diese liegt derzeit bei knapp 400 Euro, zuzüglich Miete. »Ein angenehmes Alter hat man damit nicht«, so Mascher. Schätzungen zufolge würden allerdings etwa 40 Prozent der Frauen »aus der Generation des Babybooms« später einmal mit dem Existenzminimum staatlicher Unterstützung auskommen müssen, sagte Barbara Riedmüller, Professorin und ehemalige Leiterin des Lehrstuhls für Sozialpolitik und Komparatistik der Freien Universität Berlin bei der Diskussion.
Einer der Gründe dafür ist der Ausstieg aus dem Beruf zugunsten von Kindern und Familie. Denn wie viel staatliche Rente man erhält, hängt vor allem davon ab, wie viele Beiträge während der Erwerbstätigkeit einbezahlt wurden. »Der Lebensarbeitsverlauf spiegelt sich bei der Rente mit grausamer Genauigkeit wider«, erklärt Mascher. Dies werde von Frauen bei der Entscheidung, Kinder zu bekommen und zehn Jahre zuhause zu bleiben oder nur noch in Teilzeit zu arbeiten, oft nicht mitbedacht, sagte Helma Sick, Versicherungsexpertin und Autorin aus München. Doch auch bei voller Erwerbstätigkeit reiche das Einkommen von Frauen nicht immer aus, um die Existenz im Alter zu sichern. Viele Arbeitnehmerinnen seien nämlich im Niedriglohnsektor beschäftigt, sagte Mascher: »Von einem Armutslohn kann man aber auch im Alter nicht leben.«
Dass Altersarmut zwingend vorprogrammiert sein muss, bezweifelt Riedmüller indes. Das Argument der Politik, Rentenkürzungen seien unvermeidbar, weil es künftig immer mehr Rentner und immer weniger erwerbstätige Beitragszahler gebe, sei nämlich falsch, betonte sie. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Höhe der Rente nicht von der Anzahl der Beitragszahler, sondern von der wirtschaftlichen Produktivität einer Gesellschaft abhänge, und diese sei immer mehr gestiegen. Im Jahr 1900 seien auf einen Ruheständler zum Beispiel zwölf Arbeitnehmer gekommen, heute seien es gerade einmal 3,5, erklärte Mascher. Dennoch seien die Renten heute höher als damals. Jedoch habe sie es nicht geschafft, die Öffentlichkeit über diesen Irrtum aufzuklären, klagte Riedmüller: »Das mir das nicht gelungen ist, war die größte Frustration meines Berufslebens.« Die in den 1990er-Jahren beschlossenen Rentenkürzungen seien vielmehr eine haushaltspolitische Entscheidung gewesen, sagte Riedmüller. Sie bedeutet, dass Menschen, die ab 2030 in den Ruhestand gehen, nur noch 43 Prozent ihres Nettoeinkommens erhalten.
Wer mehr braucht, muss privat vorsorgen. Bei niedrigem Einkommen sei dies jedoch oft nicht möglich, so die Professorin. Sick räumte zwar ein, zu ihr kämen auch viele Normalverdiener in die Beratung: »Aber wer gar kein Geld übrig hat, kann natürlich auch keines anlegen.« Ob das Budget wirklich nicht ausreiche, um sich im Alter abzusichern, bezweifle sie jedoch: »So viele junge Frauen gehen ins Nagelstudio, wer sich das leisten kann, der kann auch ein bisschen etwas für seine Rente tun.« Dennoch wird es für viele Menschen eng. Eine Veranstaltungsteilnehmerin aus dem Münchner Umland, die namentlich nicht genannt werden wollte, klagte, obwohl sie im öffentlichen Dienst beschäftigt sei, könne sie nur mit einer Rente auf Grundsicherungsniveau rechnen. »Das zeigt uns deutlich, dass Altersarmut inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist«, erklärte Riedmüller. Kostenlose Rentenberatung bieten die Sozialbürgerhäuser oder auch Versichertenberater der Deutschen Rentenversicherung, also der gesetzlichen Rentenversicherung, beim Deutschen Gewerkschaftsbund in München: Jeden zweiten Donnerstag im Monat (wieder ab Mitte September), immer von 17 bis 19 Uhr im DGB-Haus, Schwanthalerstraße 64; Terminvereinbarung unter Tel. 5 17 00-1 05.
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Von Julia Stark
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