TU-Experte Lienkamp: »Alternative, der man eine reale Chance geben sollte«

Diskussion beim Münchner Klimaherbst: Sind Elektroautos die Zukunft?

Markus Lienkamp vor einem Elektroauto der TU München, die ein Elektrofahrzeugkonzept entwickelt. Foto: scy

Markus Lienkamp vor einem Elektroauto der TU München, die ein Elektrofahrzeugkonzept entwickelt. Foto: scy

München · Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass im Jahre 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen rollen sollen. Ein ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass sich hierzulande unter insgesamt 43 Millionen Autos derzeit nur rund 7000 zugelassene Elektrofahrzeuge befinden. Ist Elektromobilität tatsächlich eine Zukunftschance?

Interessierte können sich am Sonntag, 13. Oktober zwischen 11 bis 16.30 Uhr im Verkehrszentrum des Deutschen Museums selbst ein Bild machen. Besucher können bei der Veranstaltung im Rahmen des Münchner Klimaherbst (10. bis 26. Oktober) unterschiedliche E-Fahrzeuge testen, beispielsweise Pedelecs, Segways, E-Roller und Elektroautos. Und von 15 bis 16.30 Uhr debattieren Experten bei einer Podiumsdiskussion über Risiken und Chancen der Elektromobilität. Der Eintritt beträgt 6 Euro und ist ab 15 Uhr auf 3 Euro reduziert, eine Anmeldung ist nicht notwendig.

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Markus Lienkamp, Leiter des Lehrstuhls Fahrzeugtechnik an der TU München, ist einer der Diskussionsteilnehmer. Der Professor spricht von einer »Alternative, der man eine reale Chance geben sollte«, warnt aber vor einem »Hype um das Elektroauto« und stellt klar: »Es gibt kein Auto der Zukunft, sondern mehrere Arten, wie der Mensch seine Mobilität organisieren wird.« Das Elektroauto werde darin sicher einen Platz einnehmen, aber, so Lienkamp, keinen exklusiven. In die Weiterentwicklung der neuen Technologie und in die Produktion kommt nun nach und nach Bewegung. Bis Ende 2014 sollen 16 neue E-Auto-Modelle bei den Händlern stehen. Und bereits in fünf Jahren soll sich Deutschland nach Japan zum zweitwichtigsten Elektroautoproduzenten entwickelt haben. Das prognostiziert eine Studie der Hamburger Unternehmensberatung McKinsey.

Die Autobranche hat im Grunde auch keine andere Wahl, Elektroautos verstärkt in ihre Gesamtflotte aufzunehmen. Sie muss es tun, um die neuen Grenzwerte der EU, die ab 2020 wirksam werden, erfüllen zu können. Neu gebaute Kraftfahrzeuge dürfen dann durchschnittlich nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Im Jahr 2012 betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß 141,8 Gramm pro Kilometer, laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA). Mit jedem verkauften Elektroauto können Autohersteller den CO2-Ausstoß ihres Neuwagen-Bestandes jedoch herunterrechnen. Dass sich etwas ändern muss, steht auch für Lienkamp außer Frage. »So wie bisher kann es auf keinen Fall weitergehen«, sagt der Ingenieur. »Der Klimawandel ist zeitlich zwar noch sehr weit weg und wird eher unsere Enkelkinder betreffen.« Somit sei Klimaschutz, und das sei auch das Schwierige an der Debatte, für viele noch ein abstraktes Thema. Aber, um beim Beispiel Elektromobilität zu bleiben, wird das Klima dadurch tatsächlich geschützt? »Elektromobilität ermöglicht CO2-freie Fahrt, vorausgesetzt, die Fahrzeuge werden ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien beladen«, so Lienkamp. Betreibe man aber ein solches Fahrzeug etwa mit Strom aus alten Kohlekraftwerken, verdopple das den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Benzin. Elektroautos haben keinen klassischen Antriebsstrang mehr, der vom Motor die Bewegungsenergie auf die Räder überträgt. Stattdessen sind beispielsweise in den Radnaben Elektromotoren. Die Energie kommt aus einem Akku, der an einer Steckdose aufgeladen werden kann. Im Normalfall macht man dies entweder Zuhause, an einer Stromtankstelle oder in einem Parkhaus, das eine geeignete Stromzufuhr bietet. Es gibt auch schon erste Versuche, dass die leere, mehrere hundert Kilogramm schwere Batterie an einer Station durch eine volle ausgewechselt wird. Das dauert nur wenige Minuten. Zum Vergleich: An der heimischen Steckdose hängt das Auto neun Stunden lang. »In Zeiten, in denen Öl knapper und teurer wird, ist es ohnehin entscheidend, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden«, so Lienkamp weiter. Mobilität müsse erschwinglich bleiben, darum gehe es den Nutzern zuallererst.

»So wichtig der Umweltgedanke auch ist, die Diskussion wird immer noch vor allem über die Kosten geführt«, sagt Lienkamp. Noch sei die Einstiegshürde hoch, da Elektroautos einen im Vergleich sehr hohen Anschaffungspreis hätten. Was sich freilich ändere, wenn mehr und mehr auf den Markt gebracht und verkauft würden. Und dafür sorge alleine schon die EU-Richtlinie für 2020. Doch warum sich für ein Elektroauto entscheiden? Man könne, so Lienkamp, freilich nicht per se fordern, alle müssten sich ein Elektroauto anschaffen: »Für jeden wird eine andere Technologie optimal sein.« Zu den Fahrzeugkonzepten der Zukunft würden beispielsweise auch Erdgas- und Biogas-Autos gehören. Außerdem spiele, da der persönliche Besitz eines Autos an Bedeutung verliere, auch Car-Sharing eine immer wichtigere Rolle.

Um herauszufinden, was für einen selbst die beste Wahl sei, müsse man sein Mobilitätsverhalten genau analysieren. »Studien zeigen, dass die meisten Menschen Kurzstrecken fahren«, informiert der Experte. Für eben diese Klientel sei das Elektroauto eine gute Option – die aktuelle Reichweite liege bei 150 bis 180 Kilometern – und »langfristig sinnvoll, da es auch ein sehr sparsames Fahrzeug ist«. Wird Ihr nächstes Auto ein Elektroauto? Stimmen Sie ab unter www.samstagsblatt.de.

Von Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 10.10.2013
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