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München · Tollwut-Gefahr durch illegalen Tierhandel wächst
Pinoccio, Maria und Luna haben die Quarantäne überstanden. Für Sandra Giltner, Kurt Perlinger und Melina Guenthner (v. li.) ein Moment des Glücks, bevor die Sorgen sie wieder einholen. Foto: cr
München · »Null.« Das ist die Antwort von Dr. Sandra Giltner, Leiterin des Tierheims München, auf die Frage, wie viele Tollwutfälle dort bei illegal nach Deutschland gebrachten Hunde- und Katzenwelpen registriert wurden. Und sie fügt hinzu: »Sonst hätten wir sofort massiv Alarm geschlagen.«
Artikel vom 15.10.2015 München · Tollwut-Gefahr durch illegalen Tierhandel wächst
So weit wollen es die Verantwortlichen des Tierheims gar nicht erst kommen lassen. Deswegen gehen sie jetzt an die Öffentlichkeit. Denn bis der erste Tollwutfall auftritt, »ist es nur eine Frage der Zeit«, warnt die Tierärztin. Tollwut hat bei Mensch und Tier eine hundertprozentige Sterberate. Geschützt sind geimpfte Menschen, gerettet werden können Infizierte nur in ganz seltenen Fällen, wenn die Infektion innerhalb von 24 Stunden behandelt wird. Tollwut ist tödlich.
Deutschland ist praktisch tollwutfrei. Jahrelange intensive Impfaktionen in den Wäldern haben das erreicht. Kurt Perlinger, Vorstandsvorsitzender des Tierschutzvereins München e.V., sieht diese Maßnahmen jetzt durch die zunehmende illegale Einfuhr junger Hunde und Katzen bedroht. Die Tiere werden unter schlimmsten Bedingungen geboren, werden ihrem Muttertier, das in Extremfällen als »Gebärmaschine« missbraucht wird, nach kurzer Zeit weggenommen und stundenlang im Auto durch Europa gefahren – zu den Abnehmern, die auch in München leben.
Bei Tierkäufen aus dem Kofferraum gibt es fast nur Verlierer. An erster Stelle das Tier, das, vollgepumpt mit Antibiotika, bei dem Handel noch einen agilen und fitten Eindruck macht. Der Käufer zahlt schnell eine überhöhte Zeche und nicht zuletzt ist eben auch der tollwutfreie Status Deutschlands bedroht. Warum aber blüht dieser Markt seit zwei bis drei Jahren so massiv auf? Weil sich damit Geld verdienen lässt. Ein Rassehund im Welpenalter kostet hierzulande rund 1.800 Euro. Die meist aus Osteuropa illegal eingeführten Tiere werden für rund 350 Euro regelrecht vertickt. Mit einem Wurf macht der »Züchter« einen stattlichen Gewinn und der Käufer spart eine Menge Geld – allerdings am falschen Ende.
»Die Tiere sind nach wenigen Tagen so entkräftet, dass die Käufer am Ende der Woche schon 2.500 Euro Behandlungskosten beim Tierarzt hingelegt haben«, berichtet Sandra Giltner. Viele Tiere überleben diese Tortur nur mit viel Glück. Sie kommen nach Riem ins Münchner Tierheim, wo sie unter schwierigen Bedingungen aufgepäppelt werden. Das Problem: Tiere, die keinen EU-Heimtierausweis und keinen nachgewiesenen Impfschutz haben, müssen bis zu sechs Monate in Quarantäne – vergleichbar mit einer Art Isolationshaft.
In München gibt es eine veraltete Quarantänestation, die ersetzt werden muss – Pläne dafür stehen vor der Umsetzung, die noch gut zwei Jahre in Anspruch nehmen wird. Bis dahin werden hier Tiere untergebracht, die die Behörden herbringen lassen, sowie auch Tiere aus umliegenden Tierheimen wie Dachau, Erding und Rosenheim. »Das Münchner Problem ist ein bayerisches Problem«, konstatiert Perlinger und benennt dieses Problem in Zahlen: 140 Hunde waren 2014 zeitweise in der Quarantänestation untergebracht. 2015 sind es bis jetzt 90. Wenn man weiß, dass das Tierheim nur über zwölf Quarantäneboxen verfügt, wird die Enge deutlich.
Dem Problem es illegalen Tierhandels können bislang nur die Behörden Herr werden, doch die werden nur selten aktiv. Kurt Perlinger sieht in dem Verbandsklagerecht für den Tierschutz, das es in Bayern noch nicht gibt, ein Instrument, die Täter vor Gericht zu bringen. Ob und wann das Verbandsklagerecht in Bayern kommt, steht völlig in den Sternen. Bis dahin haben nur die potenziellen Käufer die Macht, dem illegalen Tierhandel ein Ende zu setzen. Wenn die Nachfrage wegbricht, wird das Angebot einknicken. Eigentlich eine logische Konsequenz, denn wer will schon einen potenziellen Tollwutträger als Spielkameraden haben? Von Carsten Clever-Rott
Hintergrundinfo:
Das Verbandsklagerecht ermöglicht es Vereinen oder Verbänden in ihrem jeweiligen Interessenbereich, Klage einzureichen, auch wenn der Beklagte nicht die Kläger geschädigt hat, sondern die Allgemeinheit. In Bayern gab es bereits mehrfach Initiativen für eine Einführung des Gesetzes für den Tierschutz, zuletzt im Dezember 2014. Diese wurden jedoch im Landtag mehrheitlich abgelehnt. Das Verbandsklagerecht wird von Tierschützern angesichts einzelner, aber massiver Fälle von Tierquälerei bei Tiertransporten, Massentierhaltung und wegen des zunehmenden illegalen Tierhandels gefordert.
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