An das liebe Christkind

Die Weihnachtsbotschaft vom Ebersberger Pfarrer Edzard Everts

Der Ebersberger Pfarrer Edzard Everts schreibt in seiner Weihnachtsbotschaft  einen persönlichen Brief an das Christkind. 	Foto: hw, Kirchengemeinde

Der Ebersberger Pfarrer Edzard Everts schreibt in seiner Weihnachtsbotschaft einen persönlichen Brief an das Christkind. Foto: hw, Kirchengemeinde

Ebersberg · Liebes Christkind, als ich Dir das letzte Mal schrieb, war ich noch recht klein. Damals verhielt sich die Länge meiner Wunschliste umgekehrt proportional zu meiner Körpergröße. Je kleiner ich war, desto umfangreicher meine Vorstellungen davon, was mir noch zum Glück fehlte.

Vor allem die Diesellok BR V60 in Rot für meine elektrische Eisenbahn, Spurweite H0. Jetzt bin ich groß, habe Familie, beruflich darf ich mich nicht beschweren und die rote BR V60 liegt seit unzähligen Jahren in einer Kiste irgendwo im Keller. Und von irgendwoher kam mir der Gedanke, ich könnte Dir mal wieder schreiben, liebes Christkind. Seltsame Weihnachtssentimentalität, wo ich doch schon damals wusste, dass meine Briefe an Dich ganz profan bei der Familienmanagerin, unserer Mutter, gelandet waren. Die Listen wurden dort im Rahmen des knappen Familienbudgets unter Berücksichtigung pädagogischer Kriterien bearbeitet. Auf den Cowboy-Revolver warte ich bis heute. Jetzt will ich ihn nicht mehr. Nur, dass Du es weißt, liebes Christkind.

Aber was will ich heute? Das ist der springende Punkt. Ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll. Ich fürchte mich vor meinem leeren Wunschzettel. Kann das sein, dass man irgendwann im Leben das Wünschen verlernt?

Haben wir das Wünschen verlernt?

Natürlich hätte ich gerne das eine oder andere, zum Beispiel eine Systemkamera mit einem lichtstarken Portrait-Objektiv. Die stände dann aber irgendwo im Regal rum wie die tausend anderen Dinge, weil mein Leben von oben bis unten und von vorne bis hinten aus Hetze besteht. Ich habe ja noch nicht mal Zeit, meinen Lieben ruhig in die Augen zu schauen, geschweige denn ihre Wege aufmerksam zu beobachten. Da fehlte mir erst recht die Muße, die Welt durch einen Kamerasucher zu erforschen. Auf meinen Wunschzettel würde ich gerne etwas schreiben, was mich an die damalige kindliche Vorfreude auf Weihnachten erinnert. Ich suche nach Wünschen, die mich fiebern lassen würden. Diese Wünsche, mit denen man abends als letzten Gedanken einschlief und morgens ganz früh aufwachte, vor Aufregung. Es geht mir also nicht um dieses oder jenes, das man gerne hätte, sondern um echte Wünsche. Ich suche nach einem Wunsch, der mich einhüllt, wie die zu große Strickjacke meines Vaters damals. Ich suche einen Wunsch, der mich anfüllt und den Alltag mit phantastischen Gedanken schmückt. Ich suche einen Wunsch, dessen Erfüllung die Zeit zum Stillstand bringen würde.

Die Sehnsucht nach Frieden

Das wäre vielleicht ein komischer Wunsch: Ich wünsche mir das Wünschen. Ich wünsche mir, dass wir Menschen unserer Sehnsucht nach Frieden und nach Angenommen-Sein wieder Ausdruck geben könnten. Ich wünsche mir, dass unsere harten Schalen aufbrechen, mit denen wir unsere Verletzungen und unsere Ängste verbergen. Ich wünsche mir, dass wir uns wieder trauen, unsere Bedürftigkeit zu zeigen. Ich würde gerne wieder Mensch werden. So, wie Gott damals Mensch wurde, in dem Kind in der Krippe, nackt und schutzlos, aber geliebt, klein und unscheinbar, und doch gesehen. Das wäre was, das wünsche ich mir!

Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem Sinne ist mein Wunsch für Sie in diesem Jahr: Vergessen Sie nicht Ihren Wunschzettel zu schreiben. Verwechseln Sie dabei nicht IHRE Wünsche mit einem Einkaufszettel für andere. Ein gesegnetes Christfest wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Edzard Everts, Ebersberg.

Artikel vom 23.12.2015
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...