Eine Lobby für die Pflege im Landkreis

Kirchseeon · Alzheimer Gesellschaft möchte sich für Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzen

Pflegedienstleiter Werner Benningsfeld und die Alzheimer Gesellschaft Landkreis Ebersberg freuen sich auf das Gespräch mit möglichst vielen Pflegekräften am Montag, 27. Mai. Foto: Berwanger

Pflegedienstleiter Werner Benningsfeld und die Alzheimer Gesellschaft Landkreis Ebersberg freuen sich auf das Gespräch mit möglichst vielen Pflegekräften am Montag, 27. Mai. Foto: Berwanger

Kirchseeon · „Bis 2029 wird die Zahl Demenzkranker im Ebersberger Landkreis voraussichtlich um rund 1000 Menschen zunehmen“, so Dr. Hans Gnahn, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft Landkreis Ebersberg. „Da nicht alle Demenzkranken von Angehörigen versorgt werden können, brauchen wir dringend „Mitbürger“ in Pflegeberufen“, ist er besorgt. „Diese verdienen eine bessere Bezahlung, bezahlbare Wohnungen und ein höheres Ansehen.“

Was für die Pflegekräfte vor Ort, unter anderem mit bezahlbarem Wohnraum, getan und ob ihnen eine gemeinsame Stimme verliehen werden kann, darüber will die Alzheimer Gesellschaft mit möglichst vielen Interessierten, gerade auch aus der Pflege, sprechen: am Montag, 27. Mai, ab 18.30 Uhr im AWO-Seniorenzentrum „Gertrud-Breyer-Haus“ in Kirchseeon. Dessen Pflegedienstleiter Werner Benningsfeld, auch Mitglied der Alzheimer Gesellschaft im Landkreis Ebersberg, ist ein Freund klarer Worte: „Der Pflegenotstand kommt nicht von ungefähr“, sagt er. „Ich denke, für die Pflegekräfte sind die direkten Arbeitsbedingungen ausschlaggebend.“ Diese Arbeitsbedingungen seien weitestgehend geprägt durch die „Personalschlüsselproblematik“, so Benningsfeld. Die Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen habe nicht Schritt gehalten an den ebenfalls vom Gesetzgeber veranlassten Normen und Qualitätsanforderungen an die Pflege. So würden der ausgeweitete Nachtdienst und die Pflegedienstleitung, obwohl letztere ihren Arbeitsschwerpunkt in Verwaltung und Organisation hat, noch immer im Personalschlüssel miteingerechnet. Dieser sei ohnehin eng bemessen und unterliege zudem „massiven Schwankungen“. Denn der Schlüssel hänge stets von der aktuellen Belegung der Einrichtung und der Verteilung der jeweiligen Pflegegrade ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ab. Könne eine Einrichtung wegen Personalengpässen ihren Schlüssel gar nicht ausschöpfen, habe sie auch keinen Anspruch auf eine der 13.000 neuen Stellen in der Pflege, welche das Bundesgesundheitsministerium schaffen wolle. Aber auch, wenn häufiges, nicht vergütetes Einspringen aus der freien Zeit für erkrankte Kollegen, Dienste zu ungünstigen Zeiten wie an Wochenenden, Feiertagen oder in der Nacht oder in der Pflege kaum realisierbare flexible Arbeitszeiten für junge Eltern nicht für attraktive Arbeitsbedingen sprächen, ist Werner Benningsfeld optimistisch. „Es gibt viel Neues im Pflegebereich“, sagt er und glaubt, dass sich die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte mittelfristig verbessern. So könnte im nächsten Jahr beginnende Reform der Pflegeausbildung mit ihrer generalistischen Gestaltung möglicherweise mehr Absolventen für die Pflege interessieren als bisher. Dies zeige sich aber erst 2023. Schon heuer im Herbst würden die neuen Qualitätsprüfungs-Richtlinien für die vollstationäre Pflege in Kraft treten. Diese sollten das herkömmliche Prüfverfahren des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ersetzen und die Versorgung der Bewohner sowie die Fachkompetenz der Pflegekräfte in den Fokus stellen. In diesem Zusammenhang sei auch eine neue Gesprächskultur in den Einrichtungen gefragt. „Wir müssen unsere Kommunikationsstruktur auf den Prüfstand stellen und haben zum Beispiel regelmäßige Qualitätszirkel zu aktuellen Pflegethemen, wie unter anderem die Pflegevisite, ins Leben gerufen“, erklärt der Pflegedienstleiter. „Wenn wir gute Ablaufstrukturen, ein funktionierendes Pflegegrundmanagement, ein stabiles Leitungsteam und eine geringe Mitarbeiterfluktuation haben, können wir vieles kompensieren“, so Benningsfelds Erfahrung. „Ein fester Mitarbeiterstamm ist das A und O, im Pflegealltag zu bestehen“, sagt er. Der 55-Jährige ist allerdings auch überzeugt, dass eine starke gemeinsame Stimme den Pflegekräften außerordentlich gut täte. Dass sich bisher nur ein paar Hundert von über einer Million ambulanten und stationären Pflegekräften in Bayern der vor anderthalb Jahren mit kostenloser Mitgliedschaft gegründeten „Vereinigung der Pflegenden in Bayern“ angeschlossen haben, bedauert Werner Benningsfeld sehr. Er findet, es sei auf jeden Fall den Versuch wert, den Anstoß der Alzheimer Gesellschaft Ebersberg zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte und damit auch von Pflegeeinrichtungsbewohnerinnen und Bewohnern mit und ohne Demenz sowie deren Angehörigen aufzugreifen und im besten Fall die Pflegekräfte im Landkreis an einen Tisch zu holen. Ebenso wolle die Alzheimer Gesellschaft darüber nachdenken, wie private Vermieter, die Pflegekräften gerne günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen würden, erreicht werden könnten. So könne man gemeinsam eine Lobby für die Pflegekräfte bilden und diese gleichzeitig auch in ihrem eigenen Interesse mobilisieren, meinen Werner Benningsfeld und Dr. Hans Gnahn. Ina Berwanger

Artikel vom 23.05.2019
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