Am 29. April wird die Reihe mit einer Gedenkveranstaltung fortgeführt

Vortrag über die NS-Prominenz in Grünwald

Bis auf den letzten Platz besetzt war die Auftaktveranstaltung "Der schöne Schein der Volksgemeinschaft" im Bürgerhaus Römerschanz. Foto: Jakob Pritscher

Bis auf den letzten Platz besetzt war die Auftaktveranstaltung "Der schöne Schein der Volksgemeinschaft" im Bürgerhaus Römerschanz. Foto: Jakob Pritscher

Grünwald · Das Thema Nationalsozialismus in Grünwald stößt auf großes Interesse: Der Hubertus-Lindner-Saal im Bürgerhaus Römerschanz war überfüllt, eine nicht unbeträchtliche Menge von Besuchern musste auf eine Folgeveranstaltung vertröstet werden.

Die Historikerin Dr. Susanne Meinl war im Juni 2019 von der Gemeinde beauftragt worden, Informationen über die bislang wissenschaftlich noch nicht erforschte Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 in Grünwald zu sammeln und aufzubereiten. In ihrem Vortrag stellte sie erste Ergebnisse ihrer Recherchen vor. Schwerpunktthemen waren an diesem Abend die prominenten Nazis, die ihren Wohnsitz ganz oder teilweise in Grünwald hatten.

Insbesondere waren dies zwei erbitterte Gegner: Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz, der das sogenannte „Parkschlössl“ bewohnte (heute Teil der Seniorenresidenz Helmine Held), und der Führer der Deutschen Arbeitsfront Dr. Robert Ley, der sich eine mondäne Villa in Geiselgasteig errichtet hatte. Franz Xaver Schwarz, einer der wichtigsten Nazis überhaupt, mischte sich aktiv in die Ortspolitik ein. Er setzte Konrad Buttersack als Bürgermeister durch, protegierte den NS-Ortsgruppenleiter Christian Nusser und trieb die politische Kontrolle der Einwohner Grünwalds voran. Ganz anders der prunksüchtige, größenwahnsinnige Ley, den die Ortspolitik herzlich wenig interessierte. Er und seine Frau Inga nutzten ihre Villa vornehmlich als „gehobene Absteige“, wenn sie Termine in München wahrnahmen. Trotz der seltenen Anwesenheit ihrer Besitzer war das Anwesen luxuriösest ausgestattet und wurde mit enormem Personalaufwand in Schuss gehalten.

Außerdem bewohnte der Hitler-Vertraute Martin Bormann von 1929 bis 1931 eine Villa in der Tölzer Straße. Ab 1933 hatte der bayerische Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp eine Jagdhütte in Grünwald. SA-Brigadeführer Hans Zöberlein, Autor damals höchst erfolgreicher, dickleibiger Nazi-Romane, erwarb ein Grundstück im Waldweg. Der Kommandeur der Leibstandarte Adolf Hitler, Generaloberst der Waffen-SS Sepp Dietrich kaufte ein Anwesen in der heutigen Dr. Max-Straße für seine geschiedene Ehefrau, war jedoch ebenfalls häufiger Besucher Grünwalds, da im Ort zahlreiche Personenschützer der NS-Spitze wohnten.

Eines der Highlights im Vortrag von Frau Dr. Meinl: Offensichtlich haben Mitglieder der Weißen Rose eines ihrer Flugblätter an Franz Xaver Schwarz geschickt, in der Hoffnung bei dem angeblich für Ordnung in der NSDAP zuständigen Schwarz eine Veränderung zu bewegen. Eine tragische Täuschung! Im zweiten Teil der Veranstaltung erzählten drei Zeitzeugen, Otto-Ernst Holthaus, Paul Neumann und Anton Schöllhorn, sehr bewegend persönliche Erlebnisse aus dieser Zeit. Man bedenke - Kinder, die im Alter von 13 und 14 Jahren als Feuerwehrhelfer Feuerstürme in den Straßen von München erlebten, schreiende Menschen aus brennenden Häusern zu retten versuchten oder Leichenteile aus der durch eine Sprengbombeneinsatz schwer beschädigten Icho-Schule bergen mussten.

Sie berichteten von einem Flugzeugabsturz in Wörnbrunn, bei dem sie den Piloten vorfanden, der im Todeskampf verzweifelt einen Baum umklammert hatte. Oder von einem anderen Absturz in der Nähe der Bavaria-Filmkunst, bei dem der Ortsgruppenleiter Nusser mit der Pistole verhinderte, dass der überlebende amerikanische Pilot von Anwohnern erschlagen wurde. Interessant dazu die Anmerkung von Herrn Holthaus, dass die Piloten feindlicher Flugzeuge in der Nazi-Propaganda nicht als Soldaten, sondern als Terroristen bezeichnet wurden.

Damit galt für sie wohl nicht das Kriegsrecht. Eigentlich erstaunlich, dass sich die drei Herren trotz dieser grauenhaften Erlebnisse ihren Humor bewahrt haben und auch einige weniger ernste Geschichten zum Besten geben konnten: die unerwartete Begegnung mit ihrer Lehrerin beim Plündern der Ley-Villa, das glücklich ausgegangene Spielen mit einer Handgranate oder die erfolgreiche Jagd nach Fallschirmseide, aus der eine Bluse gefertigt werden konnte.

Beeindruckend der Bericht über den Häftlingsmarsch durch Grünwald. Es scheint sich zwar nicht um den noch viel grauenhafteren Todesmarsch der Juden aus Dachau gehandelt zu haben - es waren wohl russische Zwangsarbeiter, die aus Riem abtransportiert wurden. Es gibt Fotos, die noch einigermaßen kräftige Männer zeigen, und entsprechende Augenzeugenberichte. Aber auch die Marschstrecke der Riemer Häftlinge entlang der Isar ist durch Erbarmungslosigkeit und Tote markiert, auch diese Häftlinge waren zu Tode erschöpft, auch sie bettelten verzweifelt um etwas zu Essen und zu Trinken.

Die Veranstaltung am 23. Januar war erst ein Auftakt. Am 29. April findet eine von der Gemeinde Grünwald organisierte Gedenkveranstaltung mit dem Titel „Die Stunde der Freiheit hat endlich geschlagen!“ über die Freiheitsaktion Bayern und die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs im Isartal statt. Der Aufstand der Freiheitsaktion Bayern wurde Ende April 1945 blutig niedergeschlagen.

In Grünwald starben der Arzt Dr. Thomas Max und der französische Zwangsarbeiter Lucien Merlin im Kampf für die Freiheit. Zeitzeugen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden wieder im Hubertus-Lindner-Saal im Bürgerhaus Römerschanz über die letzten Tage des Krieges im Isartal berichten. Edith Wassermann

Artikel vom 13.02.2020
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