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Viel extremer als je zuvor
Ebersberg · Solidarität unter Pflegekräften der Kreisklinik ist sehr groß
Pflegedirektor Dr.Peter Huber spricht über die Situation der Pflegekräfte in dieser schwierigen Phase der Pandemie. Foto: Kreisklinik
Ebersberg · Für die Mitarbeiter der Kreisklinik Ebersberg sind die vergangenen Tage ein erneuter Kraftakt gewesen. Die Zahl der Menschen, die durch eine Corona-Infektion Hilfe im Krankenhaus benötigen, ist enorm gestiegen. Und damit zum wiederholten Male die Belastung des medizinischen und pflegerischen Personals. Dr. Peter Huber, Pflegedirektor der Kreisklinik Ebersberg, erklärt, warum Pflegfachkräfte, die Covid-19-Patienten versorgen, fachlich, körperlich und mental besonders stark gefordert sind.
Warum ist die Pflege von Covid-Patienten auf einer Intensivstation
noch anspruchsvoller für die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege?
Dr. Peter Huber: Für
unsere zum überwiegenden Teil fünfjährig ausgebildeten Intensiv-Pflegefachkräfte
stellt die Versorgung von Covid-Patienten eine besondere fachliche Herausforderung
dar. Der Gesundheitszustand von Covid-Patienten auf der Intensivstation
ist immer kritisch. Covid-Patienten sind alle mithilfe eines kompliziert
zu bedienenden Beatmungsgeräts beatmet und sehr kreislaufinstabil. Es bedarf
höchste fachliche Kompetenz, um auf sich schnell verändernde Herzkreislauf-Situationen
und Veränderungen des Wachheitszustandes, z.B. die Parameter am Beatmungsgerät
oder die Gabe von kreislaufwirksamen oder sedierenden Medikamenten, anzupassen,
kritische Situationen sofort zu erkennen und rechtzeitig die Ärzte darüber
zu informieren.
Dazu kommt noch die hohe körperliche Belastung.
Wenn eine Intensiv-Pflegfachkraft zu einem Covid-Patienten ins Zimmer geht,
trägt sie einen Schutzkittel aus Plastik, Handschuhe, eine Schutzbrille,
eine Haube und eine FFP2-Maske – weil strengere Schutz- und Hygienemaßnahmen
notwendig sind, und die Menschen isoliert werden müssen. Mit dieser Ausrüstung
beispielsweise übergewichtige Patienten vom Rücken auf den Bauch zu legen,
ist körperlich sehr anstrengend. Eine Pflegefachkraft ist ständig in Bewegung
und atmet selbst gegen den Wiederstand der FFP2-Maske, was zusätzlich Energie
raubt. Das kann man sich so vorstellen, als ob man mit einer FFP2-Maske
zum Joggen geht. Das hält kein Mensch lange aus. Wir müssen es aushalten.
Das macht die Betreuung von Covid-Patienten körperlich anstrengender.
Wie würden Sie den Unterschied in der mentalen Belastung beschreiben?
Dr. Peter Huber: Wenn
Vitalparameter, z.B. der Blutdruck, die Herzfrequenz, die Sauerstoffsättigung
im Blut oder Parameter am Beatmungsgerät oder des Dialyseapparats sich verschlechtern,
geben die Monitore sofort Alarm. Das heißt die Pflegekraft muss die oftmals
sehr komplexen Ursachen sofort erkennen können, entweder selbst darauf reagieren
und entscheiden, ob ein Arzt hinzugezogen werden muss. Das ist eine extrem
hohe Verantwortung und fordert die Kolleginnen und Kollegen auch mental
sehr stark. Dazu kommt, dass die Kolleginnen und Kollegen diese Schutzausrüstung
sehr vorsichtig und konzentriert entsorgen müssen, wenn sie das Patientenzimmer
wieder verlassen. Sie könnten sonst das Coronavirus selbst aufnehmen oder
es auf Kollegen oder andere Patienten übertragen. Die Arbeit mit Covid-Patienten
ist auch immer von der permanenten Sorge begleitet, sich selbst zu infizieren
und damit verbunden, sein eigenes Leben zu riskieren.
Was unsere
Kolleginnen und Kollegen auf der Intensiv mental zusätzlich belastet: Die
Covid-Patienten, die jetzt dort liegen, sind deutlich jünger als zuvor in
der Pandemie und in der Regel ungeimpft. Es versterben jetzt auch 50- oder
60-Jährige. Ein sehr hoher Teil wäre durch eine Impfung vermeidbar gewesen.
Das nimmt uns mental schon sehr mit.
Inzwischen gibt es in der Kreisklinik Ebersberg schon drei Corona-Stationen
für Patienten, die nicht auf der Intensiv-Station behandelt werden müssen.
Was ist dort die Herausforderung für das Personal?
Dr. Peter Huber: Bevor diese Stationen
umfunktioniert werden mussten, waren dort Patienten der Inneren Medizin
und sogenannte Kurzlieger. Das sind Patienten, die relativ fit sind und
nach einem geplanten Eingriff nach wenigen Tagen wieder nach Hause können.
Auch unsere Station für Akutgeriatrie und neuerdings eine Station für Unfallchirurgie
mussten wir auflösen. Jetzt haben es die Kolleginnen und Kollegen mit einem
völlig anderen Patientenklientel zu tun. Sie betreuen Patienten in einer
Alterspanne zwischen 20 und 90 Jahren mit unterschiedlichen Vorerkrankungen
und grundsätzlich ähnlichen Symptomen: Fieber, schweres Krankheitsgefühl,
Atemnot. Sie sind gefordert sich innerhalb kürzester Zeit auf diese neuen
Anforderungen und entsprechenden Therapieformen einstellen. Und das Pflegepersonal
muss sich – wie auch auf Intensiv – vor jedem Gang in ein Patientenzimmer
die Schutzkleidung neu anziehen. Selbst nur einmal das Fenster zu öffnen
bedeutet einen entsprechend hohen Zeitaufwand.
Sich auf eine andere als die gewohnte Arbeit umzustellen, ist in
jedem Beruf anstrengend. Aber in der Pflege von Covid-Patienten kommt mental
noch mehr dazu, oder?
Dr.
Peter Huber: Die Patienten dort belastet die Isolation, das löst
Angst aus und sie rufen auch häufiger nach dem Pflegepersonal. Viele Patienten
verschlechtern sich, kommen mit der normalen Sauerstoffgabe nicht mehr zurecht
und müssen auf die Intensivstation verlegt werden. Die Patienten bekommen
akute Atemnot, erschöpfen sich beim Atmen und haben Todesangst. Den Patienten
trotz aller Hektik und Durchführen von medizinischen Maßnahmen noch Ruhe
und Sicherheit zu vermitteln, ist mental extrem herausfordernd und kostet
sehr viel Kraft. Das geht nicht spurlos an unseren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern vorbei.
Was unternimmt die Kreisklinik, um die Pflegekräfte in dieser schwierigen
Zeit zu unterstützen?
Dr.
Peter Huber: Die vierte Welle ist viel extremer als je zuvor,
obwohl wir den Höhepunkt der Belastung noch lange nicht erreicht haben.
Wir suchen aktuell Menschen, die früher in der Pflege gearbeitet haben oder
gerade Medizin studieren. Sie können unseren Mitarbeiter etwas den Rücken
freihalten. Intern versuchen wir durch das Aussetzen von geplanten Operationen
und entsprechender Umorganisation, Pflegepersonal von anderen Abteilungen
in den COVID-Bereichen einzusetzen. Obwohl das jetzt schon zum vierten Mal
eintritt, ist die Solidarität unter den Pflegekräften in der Kreisklinik
Ebersberg sehr groß. Darauf bin ich als Verantwortlicher für den gesamten
Pflege- und Funktionsbereich sehr stolz.
Helfer gesucht
Pflegefachkräfte, aber auch Medizinstudentinnen und –studenten, die sich vorstellen können in dieser schwierigen Situation in der Kreisklinik zu unterstützen, sollten sich unbedingt melden – am besten direkt unter pflegedirektion@klinik-ebe.de oder telefonisch mit der Nummer (08092) 8210132. Mehr dazu findet man auch auf der Homepage der Klinik unter www.klinik-ebe.de
Artikel vom 03.12.2021Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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