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Projekt im St. Anna : Getrennter Unterricht in der zweiten Fremdsprache
Manchmal stören Jungs
Jungs lernen anders als Mädchen, das wissen auch (v.l.) Schulleiterin Dr. Ingrid Neuner, Bürgermeisterin Gertraut Burkert und Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner Foto: rme
Lehel · Lateinstunde 7. Klasse im städtischen St. Anna-Gymnasium. Thema: Die Zwillinge Romulus und Remus, der Sage nach die Gründer der Stadt Rom.
In der nur aus Jungen bestehenden Unterrichtsgruppe von Hilde Hain ist die Geschichte schnell abgehandelt. Ein paar clevere Schüler überbieten sich gegenseitig bei der »Fakten-Sammlung«: Der Kriegsgott Mars zeugte mit einer zur Keuschheit verpflichteten Priesterin zwei Kinder, Romulus und Remus. Die wurden dann ausgesetzt und von einer Wölfin gesäugt. So einfach ist das! – Aber nur, wenn dieser Stoff von Jungs behandelt wird
In der Mädchengruppe von Susanne Börner, die zur gleichen Zeit zwei Stockwerke höher über das gleiche Thema spricht, sieht die Sache ganz anders aus. Hier beginnen sogleich die Diskussionen: Was war das für ein Verhältnis zwischen Mars und der Priesterin? - »Eine ganz normale Affäre«, vermutet eine Schülerin. Eine andere argwöhnt: »Er hat sie bestimmt vergewaltigt!«
»In einer gemischten Klasse wäre eine solche Diskussion unmöglich«, meint Lehrerin Susanne Börner. Und die 13jährige Joana stimmt ihr eifrig zu: »Wenn wir gemeinsam Unterricht haben, lachen die Jungs ständig über unsere doofe Fragen oder falschen Antworten. Deshalb ist es eigentlich ganz schön, dass wir in Latein getrennt sind.« In diesem Schuljahr werden am St. Anna-Gymnasium zum ersten Mal Jungen und Mädchen in der zweiten Fremdsprache (Latein oder Französisch) getrennt unterrichtet. Im Fach Physik hat man mit dieser Teilung in der 8. Klasse schon einige positive Erfahrungen gemacht.
Schulleiterin Dr. Ingrid Neuner: »Mädchen verhalten sich ganz anders, wenn sie unter sich sind. Sie trauen sich, Fragen zu stellen, gehen aus sich heraus und werden selbstbewusster.« Doch auch für die Jungs ergeben sich Vorteile, erklärt Lehrerin Hilde Hain: »Buben wollen sich lieber untereinander, also mit ‘bekannten Gegnern’, messen. Mädchen sind ihnen doch irgendwie fremd, und diese Unsicherheit versuchen sie dann durch Frechheit oder enormen Ehrgeiz zu überspielen.«
Die Folgen dieses Rollenverhaltens innerhalb gemischter Klassen lassen sich später nicht nur bei der Wahl der Leistungskurse, sondern auch der Studienfächer ablesen. Deshalb fördert die Stadt München schon seit einigen Jahren die sogenannte »differenzierte Co-Edukation« (die nur in einzelnen Fächern und Jahrgangsstufen getrennte Unterrichtung). Eine Entwicklung zurück zu reinen Jungen- und Mädchenschulen werde es aber nicht geben, versicherten Bürgermeisterin Gertraud Burkert und Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner vergangene Woche bei einem Pressegespräch im St. Anna-Gymnasium. rme
Artikel vom 13.06.2002Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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