Rutschen, Korken, Krachen - der Jahreswechsel steht bevor

„Was machst Du an Sylvester?“

Das Jesuskind ist ins Kripperl gelegt, die Geschenke sind ausgepackt, der Punsch ist getrunken, die Gans gegessen und vielleicht auch der kleine Weihnachtsstreit gestritten. Die Kinder, die Oma, der Opa und die Verwandtschaft kamen oder man war bei ihnen zu Gast.

In den Häusern und Wohnungen hängt noch immer der Geruch von Kerzen. Die Festtage sind vorbei, viele haben das ganze Weihnachtswochenende im Kreis ihrer Familie oder sehr guter Freunde verbracht. Sie haben die Ruhe genossen, haben die allerorten beschworene Besinnlichkeit vollzogen und hatten vielleicht auch ein bisschen Stress mit dem Besuchsmarathon. Oder sie waren im ganz engen Rahmen zusammen, was der wirklichen Besinnlichkeit, dem echten zur-Ruhe-kommen sicherlich zuträglich gewesen ist.

Jetzt beginnt die Zeit, die viele besonders schätzen. Die Zeit, die liebevoll „zwischen den Jahren“ genannt wird, was in sich schon eine besondere und entspannte Stimmung verrät. Unter dem Jahr wird gelebt und gearbeitet, es gibt Höhen und Tiefen, Ereignisse und Verpflichtungen. Zum Jahresende – also faktisch bis Weihnachten – werden viele Dinge zu Ende geführt. „Das muss bis Weihnachten fertig sein!“, so klingt es allerorten. Am Jahresanfang, also spätestens nach dem Dreikönigstag, kommt das Rad wieder kräftig und mit frischer Energie in Schwung.

Doch die Zeit ohne echtes Jahr, eben die Zeit zwischen den Jahren, erzeugt bei vielen eine merkwürdig angenehme, spannungs- und druckfreie Schwebe: Alles kann, nichts muss. Viele haben Betriebsferien, also widmen sie sich der Muse, tauschen Geschenke um, gehen zum Skifahren oder zum Einkaufen. Kaum ein Selbständiger, kaum ein Unternehmer, der nicht noch schnell kleine und große Anschaffungen tätigt: „Ich brauche noch was zum absetzen wegen der Steuer!“ – wer hat Derartiges noch nie gehört? Aber alles läuft meist mit getragener Ruhe, die Luft, die Atmosphäre scheint etwas ganz Besonderes geladen zu haben.

Besonders schön ist es in diesem Jahr, zwischen den Jahren liegt eine ganze Woche mit allen Werktagen. Und wem in dieser Woche gar nichts mehr einfällt, der freut sich eben schon ab heute auf Sylvester – allein ist er mit dieser Freude sicherlich nicht. Feiert man das Weihnachtsfest meist familiär und beschaulich, so gehört Sylvester dem großen, lockeren Kreis.

Für den großen Rahmen ist allerlei geboten. Für den großen Rahmen im großen Stil sowieso: Etwa im Bayerischen Hof kann ein anfangs dicker Geldbeutel am Morgen dünn wie Räucherlachs sein. Aber auch jüngere edle Varianten wie auf der Praterinsel (Renaissance Sylvester /siehe auch die gesonderte Termintipp-Übersicht) kann die Geldklammer schnell leer zurücklassen. Doch es geht auch günstiger. Die klassische Alternative zum Restaurantbesuch mit anschließendem Galaabend ist zweifelsohne das Fondue zu Hause. So gönnt man sich und seinen Freunden Luxus in den eigenen vier Wänden: Besorgt wird gutes Fleisch (am besten Rindfleisch in biologischer Qualität), verschiedene Zutaten für selbstangerührte Saucen, ein paar Flaschen guter Rotwein (zur Zeit sehr beliebt und geschätzt sind der süditalienische Primitivo und der spanische Rioja), zwei, drei Flaschen Champagner (Moet Chandon oder Veuve Cliquot etwa gibt es in vielen Geschäften zur Zeit im Angebot) und natürlich ein Set zum Bleigießen. Dann kann es auch fast schon losgehen mit dem gemütlichen Luxusdinner zu Hause. Als musikalische Untermalung eignet sich am besten leichte Kammermusik und zum Champagner Wiener Walzer.

Wer den kleinen Luxus noch günstiger möchte, greift zum geselligen Raclette. Besorgt wird guter Käse, Speck und ein Allerlei aus Gemüse, das kleingeschnippelt wird, und schon kann die Brutzlerei am Tisch beginnen. Auch hier darf ein gehaltvoller Rotwein nicht fehlen, Bier ist allerdings auch erlaubt. Champagner muss nicht sein, jedoch sollte man zu einem Sekt mit Flaschengärung greifen. Die Hintergrundmusik kann auch getrost aus dem Radio stammen – viele Sender liefern ein spezielles und ausgewähltes Sylvesterprogramm.

Zu Fondue wie Raclette lädt man am Sylvesterabend am besten noch vor acht Uhr. So kommt kein Zeitdruck auf, man kann zu Hause noch auf das ausklingende Jahr anstoßen, dabei das obligatorische „Dinner for One“ zum wahrscheinlich hundertsten Mal anschauen, um dann beschwingt nach draußen zu schlendern. Um das neue Jahr zu begrüßen, dafür ist auf den Straßen und Plätzen viel geboten, viele Münchner haben ihre Lieblingsstelle für Mitternacht und pflegen den Besuch wie eine alte Tradition.

Am erhabensten ist der Blick vom Friedensengel und vom Olympiaberg. Man überblickt die ganze Stadt, und Zehntausende tun es einem dort gleich: Tütenweise werden Böller und Raketen angeschleppt, die Sektflaschen kreisen und wildfremde Menschen liegen sich in den Armen und wünschen sich Glück fürs neue Jahr. Zwar reicht der Blick nicht so weit, aber auch an vielen anderen Stellen treffen sich die feiernden Massen und lassen es ausgiebig krachen: Auf der Leopoldstraße sowieso, am Marienplatz, Königsplatz, Pariser Platz, Gärtnerplatz und natürlich auf Cornelius- und Reichenbachbrücke. Wer wirklich kaum Geld hat, bekommt an diesen Stellen seinen Spaß trotzdem geliefert.

Einen Schluck Sekt – am Besten Becher mitbringen – verweigert einem keiner, und manche sind ob der riesigen Menge froh, wenn ihnen jemand beim Abbrennen der Böller und Raketen hilft. Schnell findet man neue Freunde für den Abend, und es kann gut sein, dass sich so ein wenig später die Türen zu einer ausgelassenen Privatfeier öffnen.

Artikel vom 27.12.2004
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