Göttlicher WM-Beistand? In St. Sebastian wird das Viertelfinale übertragen

»Balleluja« in Schwabing

Pfarrer Bernhard Rümmler ist zwar begeisterter Formel-1-Anhänger, aber auch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wünscht er viel Glück. 	Foto: ras

Pfarrer Bernhard Rümmler ist zwar begeisterter Formel-1-Anhänger, aber auch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wünscht er viel Glück. Foto: ras

Schwabing · Mit dem Schlachtruf »Balleluja« geht auch die Schwabinger Kirche St. Sebastian in der Hiltenspergerstraße in die WM: Auf Großleinwand will Pfarrer Bernhard Rümmler am Sonntag, den 25. Juni, die Viertelfinal-Spiele im Pfarrsaal übertragen. Sein Gotteshaus allerdings ist das einzige in Schwabing, das die Fußball-Weltmeisterschaft als Chance sieht, die frohe Botschaft Gottes zu verkünden.

Rümmler wünscht dem deutschen Team zahlreiche Tore und natürlich den Einzug ins Endspiel: »Hoffentlich schaffen sie es.« Dabei hat der 51-Jährige mit Fußball eigentlich nicht sonderlich viel am Hut: Seine Leidenschaft sind rauchende Reifen, die mit über 300 Sachen über den Asphalt rasen – die Formel 1 hat es dem bekennenden Schumi-Fan angetan. Denn Gott und Schnelligkeit haben entgegen der landläufigen Meinung viel miteinander zu tun, findet der Seelsorger: »Beim Sport wie im Gottesdienst geht es um das Zusammengehörigkeitsgefühl, um fair play.«

Aus diesem Grunde will er am letzten Sonntag im Juni die Jugendgruppen seiner Pfarrgemeinde zusammentrommeln. Auf Großleinwand sollen sie die Möglichkeit haben, die Viertelfinal-Spiele an diesem Tag im Pfarrsaal mitzuverfolgen. »Wir haben einen Video-Beamer, alles ist schon angemeldet«, sagt Rümmler und schmunzelt unter seiner Ferrari-Mütze.

Leider ist seine Kirche die einzige in Schwabing, die sich das Exklusivereignis nicht entgehen lassen will: Pfarrer David Theil von St. Ursula beispielsweise gesteht, dass es »zu aufwändig sei«, Veranstaltungen zur WM zu organisieren. Die Kirchen »Allerheiligen«, »Heilig Kreuz« und »St. Sylvester« schließen sich dieser Einschätzung an, und von Seiten der evangelischen Kreuzkirche ist ebenfalls nichts geplant, wie der Diakonbeauftragte Dietmar Frei mitteilt.

Ansonsten geht es rund in München: Unter dem Motto »Kirche am Ball« starten etwa die Katholiken ein umfangreiches Programm. »Wir haben Flyer und Plakate zur pastoralen Präsenz während der WM erarbeitet«, schildert der Sportpfarrer der Erzdiözese München und Freising, Martin Cambensy. So ist am Freitag, wenn zum Eröffnungsspiel Deutschland auf Costa Rica trifft, auf dem Münchner Domplatz ein ZDF-Gottesdienst mit Kardinal Friedrich Lehmann und dem evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber geplant. Fast täglich folgen Gesprächsrunden zwischen Kickern und Klerikern; selbst Frauenschwarm und Bayern-Stürmer Roque Santa Cruz sinnierte schon darüber, wie Gott und die schönste Nebensache der Welt zusammengehen.

Der Fantasie sollen keine Grenzen gesetzt sein: Ob mit Besinnungsangeboten, Predigten, Gesprächsrunden in den Pfarreien – Deutschlands Seelsorger, ob katholisch oder evangelisch, dürfen nach Herzenslust ihrer Fußballleidenschaft frönen und das Großereignis auf die Kanzel tragen. Ist Gott ein Fußball-Fan? Auf jeden Fall, findet der in Venedig lebende Philosoph Dirk Schümer. »Das Spiel scheitert oft und gelingt selten. Gerade in dieser Differenz liegt seine Mystik.«

So philosophisch sieht Rümmler die Sache nicht, doch auch er schließt sich dem sakralen Herzensruf an, der derzeit in der ganzen Stadt erklingt: »Balleluja!« Rafael Sala

Artikel vom 06.06.2006
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