Stadt zerstört Kunst und betoniert Grünfläche: Protest in der Zwingerstraße

Altstadt · Um eine Oase ärmer

Sieht aus wie eine echte Fassade, aber alle Fenster sind gemalt: Dieses renommierte Werk von Richard Haas wird nicht mehr lange zu sehen sein.	 Foto: maho

Sieht aus wie eine echte Fassade, aber alle Fenster sind gemalt: Dieses renommierte Werk von Richard Haas wird nicht mehr lange zu sehen sein. Foto: maho

Altstadt · Die Stadtoberen hatten es sich schön ausgemalt: In Zeiten knapper Kassen waren sie 2004 bei der Suche nach neuen Geldquellen auf die Zwingerstraße am Altstadtring gestoßen. Dort hat man eine durch Kriegsschäden entstandene Baulücke entdeckt, die nun versilbert werden soll. Auf dem städtischen, geschätzt zehn Millionen Euro teuren Grund, soll auf Beschluss des Stadtrats ein neues Büro- und Wohngebäude hochgezogen werden.

In den kommenden Tagen rollen die Bagger an, um die Straße nach Osten zu verlegen und den Baugrund vorzubereiten. Womit die Stadtoberen allerdings nicht gerechnet hatten: Die Anwohner liefen gegen dieses Vorhaben Sturm – vergeblich allerdings, wie sich am Montag herausgestellt hat.

Der Anwalt Wenzel Böhmler erklärte im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel (BA 1), warum er sich mit seiner Ehefrau an die Spitze des Protests gesetzt hatte: »Die Bewohner der Gegend empfinden die Zwingerstraße nicht als Baulücke.« Die Bäume und der Biergarten »Zwinger Eck«, die für den Neubau und die damit verbundene Straßenverlegung weichen müssen, sind für alle Nachbarn innerstädtische Oasen, die sie nicht missen möchten: »Der Platz wird von den Bürgern wunderbar angenommen, nun soll eine scheußliche Straßenschlucht daraus werden«, ärgerte sich Böhmler.

Was die Bürger zusätzlich empört: In den Planungen ist vorgesehen, ein Fassadengemälde des renommierten US-Künstlers Richard Haas zuzubauen. Das 1978 entstandene Bild ist sein einziges Werk in Deutschland und soll nun geopfert werden, ohne dass Haas gefragt wurde.

Die Böhmlers kontaktierten den Künstler, der sich via E-Mail schockiert darüber zeigte, »mein Werk willkürlich, ohne Vorbesprechung und/ oder Beratung, zu zerstören«. Als die Böhmlers von den Plänen gehört haben, war es fast schon zu spät. Trotzdem hatten sie sich zu einer Spontanaktion entschlossen: Sie stellten einen provisorischen Schnellhefter mit ihren Argumenten gegen den Bau zusammen und sammelten auf der Straße Unterschriften gegen die Maßnahmen – 1.100 kamen allein am ersten Wochenende zusammen.

Im BA, der die Baupläne seinerzeit mitgetragen hatte, sorgte die Protestlawine für ein Umdenken: »Wir müssen uns an unsere eigene Nase fassen«, merkte Stefan Blum (CSU) an. Man habe den Fehler gemacht, in der Angelegenheit den verlängerten Arm der Verwaltung zu geben und sich zu wenig mit potenziellen Bedenken der Bürger, die man eigentlich vertritt, zu befassen. Die Vertreter der Grünen und der FDP äußerten sich ähnlich, einzig die SPD blieb zum Missfallen der anwesenden Bewohner bei ihrer Haltung.

Mehr als symbolischen Wert hat der Meinungsumschwung des BA aber nicht, denn nur der Stadtrat hätte die Pläne noch stoppen können. Oberbürgermeister Christian Ude hat aufgrund der 2.290 Unterschriften, die ihm Böhmler vergangenen Mittwoch überreicht hatte, veranlasst, die Angelegenheit nochmals zu überdenken.

Doch der Stadtrat ließ sich nicht erweichen: Mit der Mehrheit von SPD und Grünen wurde beschlossen, das Thema nicht nochmals neu zu behandeln und das Projekt weiter durchzuziehen. Die Münchner Innenstadt wird somit um eine Oase ärmer werden.

Artikel vom 31.07.2007
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