Rekordspiel mit 6.012 Zuschauern beim Derby: Sorgt Siegesserie öfter für »Volle Hütte«?

Joey Vollmer und die Entertainer

Vor solch motivierender Fankulisse lässt sich gut siegen. Foto: Tanja Beer

Vor solch motivierender Fankulisse lässt sich gut siegen. Foto: Tanja Beer

München · Eine halbe Stunde nach dem denkwürdigen 4:1-Derbysieg über Tabellenführer Bad Tölz (EHC-Tore: Beslagic, Bahen, Hede, Gyori) trat EHC-Keeper Joey Vollmer aus der Kabine, mit einem breiten Grinsen im Gesicht – und mit einem Bier in der Hand, das er immer wieder zwischen seinen Schutzpolstern abstellte.

Von Jan Lüdeke

Es schien, als habe Vollmer das Erlebte noch nicht so weit verarbeitet, um wieder genügend Kraft aufbringen zu können, eine Bierflasche zu halten. Nein, die Hände zitterten nicht aus Angst, Trainer Pat Cortina, bei dem normalerweise völliges Alkoholverbot gilt, könnte ihn erwischen, es war die Rekordkulisse von 6.012 Zuschauern in der Olympia-Eishalle. »Neben dem Aufstieg ist das das Schönste, was ich je in München erlebt habe«, schwärmte Vollmer.

6.012 Zuschauer. Das bedeutete Ligarekord für die laufende Spielzeit, der dem EHC nicht mehr zu nehmen ist, weil kein Verein der 2. Bundesliga über ein Stadion mit dieser Kapazität verfügt. Das bedeutete Vereinsrekord, der bisherige hatte bei 4.900 Zuschauern gelegen. In der Zuschauertabelle der Liga kletterten die Münchner zudem vom letzten auf den siebten Rang. Bei aller Euphorie aber bleibt eine Frage: verpufft der Zuschauerandrang schnell wieder oder wird die erfolgreiche Aktion »Volle Hütte« zum Knalleffekt?

Oliver Wenner, Vorstand der Fanorganisation »Siebter Mann« und Initiator der Aktion, zeigt sich skeptisch. Zwar sei er mit der Zuschauerzahl rundum zufrieden, doch seiner Meinung nach wurde »nicht ganz das daraus gemacht, was man daraus hätte machen können«. Ein Seitenhieb gegen den Verein und dessen Verantwortliche. »Man hätte Leute in die Kurven schicken können oder nach dem Spiel nochmal die Kassen öffnen, um Karten für die nächsten Heimspiele, gerade für das Derby gegen Landshut (Freitag, 9. Januar, 20 Uhr), zu verkaufen. Man hätte tausende Menschen erreichen können.«

Aussagen von Manager Christian Winkler, der sportliche Erfolg stehe immer im Vordergrund, lassen darauf schließen, dass dem Verein tatsächlich nicht allzu viel daran gelegen ist, sich darum zu bemühen, mehr Fans in die Halle zu bringen. Doch das Derby gegen Bad Tölz könnte auch Winkler Anlass zum Umdenken gegeben haben. Schließlich sei er »wie in Trance gewesen«, habe »jede Sekunde dieses Spiels in mir aufgesaugt«. Als der Manager eine Stunde vor Spielbeginn gesehen habe, dass die Nordkurve bereits voll besetzt war, habe er gar »eine Träne im stillen Kämmerchen verdrücken müssen«. Dass die Mannschaft schließlich noch alles für den 4:1-Sieg getan habe, sei das i-Tüpfelchen gewesen. Und der Verein zeigte sich lernfähig. Was man gegen Bad Tölz versäumt hatte, holte man beim 3:2-Heimsieg am Sonntag (EHC-Tore: Bahen, Dietrich, Reid) gegen Ravensburg nach. Erstmals wurde am Ausgang der Nordkurve ein Kartenverkaufsstand eingerichtet, der von nun an nach jedem Heimspiel geöffnet sein soll. Und eine positive Tendenz war gegen Ravensburg auch zu erkennen. Immerhin hatten wieder 2.127 Zuschauer den Weg in die Halle gefunden.

Vielleicht hat Christian Winkler also gar nicht so unrecht, den sportlichen Erfolg in den Vordergrund zu stellen. Zwischen den beiden Heimspielen gegen Bad Tölz und Ravensburg siegte der EHC auch in Garmisch beim SC Riessersee mit 5:2 (Tore: Schymainski (2), Buchwieser, Wrigley, Gyori) und ist nun seit fünf Spielen ungeschlagen. Bei solch einer Serie könnten gegen Landshut erneut viele Zuschauer den Weg in die Olympia-Eishalle finden.

Für den Held des Bad Tölz-Spiels, Joey Vollmer, ist die Leistung des Teams sowieso die Voraussetzung für einen erhöhten Zuschauerzuspruch. »Wir sind Entertainer, wir müssen den Fans was bieten.« Dementsprechend hoffte Vollmer, »dass ein paar Leute wiederkommen, die heute Spaß hatten. Aber man darf nicht vergessen, dass wir keine Fanbasis wie beim Fußball haben. Damit muss hier jeder Spieler leben. Aber genau deswegen sind Spiele wie heute auch umso schöner.«

Artikel vom 06.01.2009
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